Als Marion und Klaus endlich von der langen Wartezeit erlöst wurden, war es bereits Mittag. Marc und Nesrin waren nicht lange geblieben, immerhin hatten die beiden noch eine weitere Nachtschicht und mussten noch ein wenig Schlaf nachholen. Doch Klaus und Marion blieben reglos und schweigen auf dem sterilen Flur vor dem Eingang zum Operationsbereich sitzen. Von den unbequemeren Stühlen und der langen Zeit des reglos Dasitzens tat ihnen schon der Rücken weh. Doch beide wagten sie es nicht lange weg zu bleiben. Henning wurde nun schon so lange operiert, es musste einfach bald Nachrichten von ihm geben. Als endlich einer der Neurologen auf sie zukam, der einen ziemlich erschöpften Eindruck machte, erhob Marion sich sofort von ihrem Stuhl. Klaus sah sie kurz fragend an, entdeckte dann den auf sie zukommenden Arzt und stand ebenfalls auf.
„Frau Fröhlich? Der Kollege Herr Dreyer hat mir erzählt sie sind die Lebensgefährtin von Herrn Groth?"
Marion nickte angespannt.
„Die Operation war sehr kompliziert da wir mehrere Knochensplitter des Nasenbeins entfernen und die Nase am Ende wieder rekonstruieren mussten. Die gute Nachricht ist, dass vom ersten Eindruck her nur ein geringer Schaden am Gehirn entstanden ist, allerdings müssen wir erst einmal abwarten welche Folgen diese schwere Verletzung für ihren Lebensgefährten hat. Darüberhinaus hat er einen schwere Prellung der rechten Niere erlitten und einige gebrochene Rippen. Diese mussten wir ebenfalls stabilisieren. Das linke Knie ist ebenfalls schwer getroffen worden. Einer unser besten Chirurgen hat mehrere Stunden benötigt um es zu stabilisieren, auch hier wird sicherlich eine lange Reha nötig sein damit Herr Groth sein rechtes Bein wieder richtig benutzen kann. Ihr Lebensgefährte wird gleich auf die Intensivstation gebracht. Dort können sie gerne zu ihm und ihn sehen."
Marion hatte einen Kloß im Hals und nickte nur. Zwar war die Nachricht, dass nur geringe Schäden im Gehirn entstanden waren eine gute Nachricht, doch insgesamt erschreckte es sie erneut wie schwer Henning verletzt wurde. Auch Klaus schien nicht zu wissen was er sagen sollte und schwieg. Trotz das der Arzt nur Marion direkt angesprochen hatte folgte Klaus ihr, als sie sich der Treppe zuwandte. Den Aufzug wollte sie nach dem langen Sitzen nicht nehmen, daher erklommen sie das stille Treppenhaus bis in den dritten Stock der Uni Klinik. Der Neurologe hatte sich von ihnen verabschiedet, vermutlich war sein Dienst längst vorbei und er war froh endlich in den Feierabend zu kommen. Eine dreizehnstündige Operation angefangen von Mitten in der Nacht bis zum nächsten Mittag war sicherlich sehr anstrengend. Marion bewunderte die Ärzte immer wieder, für die diese Anstrengung alltäglich war. Auf der Intensivstation kannte man sie bereits, alleine schon weil sie in den letzten Montan öfter zu Besuch gewesen war, als Lee noch hier gelegen hatte. Außerdem hatten viele der Schwestern neben der ITS auch auf der Notaufnahme Dienst, weshalb Marion ihnen öfters Patienten übergab und man sich kannte. Trotz das sie entsprechend nett begrüßt wurde, musste Marion erst einmal den Kloß aus ihrem Hals bekommen, bevor sie nach Henning fragen konnte. Der war zum Glück bereits auf sein Zimmer gebracht worden und zwei Krankenschwestern stellten gerade die vielen Überwachungsmonitore und Medizinpumpen ein, die ihn umgaben. Dadurch war der erste Blick auf Henning verdeckt und Marion konnte sich erstmal einen der Besucherstühle nehmen und ans Bett heran stellen. Als die junge Krankenschwester zurücktrat und Marion ihren Lebensgefährten zum ersten mal sah, schnappte sie hörbar nach Luft. Ein Teil von Hennings Kopf war bandagiert, wodurch die Nase und die Augen nicht zu sehen waren. Über einen Tubus wurden seine Lungen versorgt, da er in ein tiefes Koma gelegt worden war. Eine Kühldecke hielt seine Körpertemperatur niedrig, um mögliche Hirnschäden durch die Verletzungen abzumildern. Das rechte Bein war auf einem Stützkissen gelagert und dick bandagiert. Er war unnatürlich blaß und sah beinahe aus wie tot. Das erste mal seit sie Henning kennengelernt hatte, sah er schwach und hilflos aus. Etwas was sie bei diesem Hünen von Mann niemals erwartet hätte. Entsprechend tief traf sie dieser Anblick, obwohl sie doch in ihrem Beruf täglich mit schweren Verletzungen konfrontiert war und daher eigentlich vorbereitet hätte sein sollen. Doch bei Henning war das irgendwie überhaupt nicht der Fall und sie konnte nicht verhindern, dass ihr plötzlich die Tränen über das Gesicht liefen.
DU LIEST GERADE
Schicksalhafte Begegnung
Fiksi PenggemarDas Schicksal meint es nicht immer gut mit einem und für den ein oder anderen hat es sogar mehr Negatives parat, als so manch einer ertragen kann. Doch nur wenn es ganz dunkel ist kann man die volle Pracht der Milchstraße am Himmel leuchten sehen. O...