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Da es morgen leider kein Kapitel geben wird, gibt es heute ein etwas längeres. Viel Spaß <3

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JIMIN POV

Das Abendessen war sehr angenehm gewesen und trotz anfänglicher Anspannung konnte Jungkook sich glücklicherweise ziemlich schnell entspannen. Ich verstand seine Unsicherheit und war stolz auf ihn, denn ich konnte neben ihm spüren, wie er sich von Minute zu Minute wohler fühlte und sogar, wenn auch noch sehr zurückhaltend, von sich aus das Gespräch suchte. 

Während sich mein Bruder schnell in seinem Zimmer verabschiedet hatte, saßen Jungkook und ich noch ein wenig länger bei meinem Dad unten. Ich betrachtete die Zwei stumm, wie sie in einem Gespräch über Eishockey oder sowas vertieft waren. Eigentlich hatte ich nur Augen für meinen gutaussehenden Freund und  hörte ihnen gar nicht wirklich zu. Es war schön zu sehen, wie Jungkook so aufblühte, wenn er über etwas sprach, dass er gerne machte. Mein Herz hüpfte und ich musste mich wirklich anstrengen nicht zu auffällig zu starren, weshalb ich anfing unsere gebrauchten Teller zu stapeln. Ich war drauf und dran die ersten Töpfe in die angrenzende Küche zu tragen, da hielt mich Dad auf. "Jungs, wollt ihr nicht hoch? Ich mach das hier schon." Er lächelte, als er mir den Topf abnahm. "Na los. Geht schon." Im nächsten Moment scheuchte er uns schon fast aus dem Wohnzimmer. Lachend verschwanden wir wieder nach oben.

Dieses Mal fiel ich nicht einfach über Jungkook her, sondern steuerte die Fenster an und zog die Gardinen zu. Noch bevor mein Zimmer von Dunkelheit verhüllt wurde, knipste Jungkook die kleine Lampe auf meinem Schreibtisch an, während ich zu meinem Bett ging und dort die lilafarbene Lichterkette an der Wand einschaltete. Die Atmosphäre war sogleich angenehmer und gemütlicher, weshalb ich mich auch direkt auf mein Bett schmiss, den großen Teddy als Kopfkissen missbrauchte und ein wohliges Seufzen von mir gab. "Kookie, willst du nicht zu mir kommen?", fragte ich hoffnungsvoll und streckte meinen Arm nach ihm aus, doch der Jungkook schüttelte den Kopf und stöberte lieber weiter durch meine Sache. Ich konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Wären wir jetzt bei ihm gewesen, würde ich mit großer Sicherheit das gleiche machen, um zu versuchen, alles mögliche über meinen Freund herauszufinden, dass ich nicht schon wusste oder offensichtlich war.

Ein ganze Weile beobachtete ich ihn dabei. Er stand vor meinem chaotischen Schreibtisch und ließ seine Augen neugierig über die vielen Bilder an meiner Wand wandern. Dort hingen so viele, dass ich inzwischen selbst schon gar nicht mehr wusste, was auf den meisten genau zu sehen war, obwohl ich sie erst vor kurzem dort aufgehängt hatte, als wir hierher gezogen waren. Der Großteil zeigte wahrscheinlich Wheein und mich, mal mit unseren anderen Freunden und mal nur wir zwei, sowie unzählige Bilder von Wooyoung und mir aus unserer Kindheit, einige auch mit unseren Eltern. "Du hast mal Ballett gemacht?",  fragte er überrascht und blickte von dem Bild an der Wand zu mir. Ich nickte und schluckte. "Mh." Ich glaubte zu wissen, welches Bild er entdeckt hatte. Es zeigte mein 5-jähriges Ich unbeschwert tanzend in einem großen Ballettsaal, meine Mum stand daneben, ein entzücktes, stolzes Lächeln auf ihren Lippen. Damals hatte noch keiner geahnt, was die Zukunft für uns brachte.

"Wieso hast du aufgehört?", wollte Jungkook wissen und ich klopfte einladend auf die Matratze, wollte, dass er sich endlich zu mir gesellte. Es kribbelte mir zu sehr in den Fingern ihn wieder nah bei mir zu haben. Jungkook seufzte geschlagen und legte sich tatsächlich zu mir. "Ich würde nicht per se sagen, dass ich komplett aufgehört habe. Ich hab nur zwei Dinge, die mir in die Wiege gelegt wurden, miteinander kombiniert", erwiderte ich wohl etwas zu kryptisch, denn Jungkook verzog verwirrt das Gesicht. Die Art, wie er dabei so niedlich die Nase rümpfte, ließ mein Herz einfach dahinschmelzen und ich drückte seiner Nasenspitze einen winzigen Kuss auf. Verlegen errötete er und kichernd schlang ich meinen Arm um seinen Bauch, legte meinen Kopf dabei auf seiner trainierten Brust ab und lauschte seinem verschnellertem Herzschlag. Einfach nur zuckersüß. 

"Meine Mum war Ballerina und mein Dad- das weißt du ja selbst. Ich stehe auf dem Eis seit ich denken kann und vieles aus dem Ballett kommt mir dort einfach nur zugute", erklärte ich und hörte Jungkook verstehend brummen. Der Laut vibrierte laut und tief in seiner Brust und grinsend biss ich mir auf die Lippe. "Das ist echt cool", murmelte er. Als zu ihm aufsah, zierte ein liebevolles Lächeln seine Lippen und er hatte die Augenlider zufrieden geschlossen. Ich war so unglaublich glücklich. 

Eine Weile sagte keiner etwas und wahrscheinlich wäre ich allmählich in Jungkooks starken Armen weggedämmert, wenn er dann nicht doch nochmal sanft seine Stimme erhoben hätte. "Deine Eltern", begann er vorsichtig, als hätte Angst einen Wunden Punkt zu treffen. "Sind sie getrennt?" Ich biss mir angespannt auf die Lippe und öffnete die Augen. Die Müdigkeit verließ abrupt meinen Körper und wurde von einer unangenehmen Unruhe ersetzt. Mir war klar, dass diese Frage einmal aufkommen würde, nur hatte ich gehofft, dass es nicht heute der Fall war. Ich fühlte mich nicht bereit dazu, aber würde ich jemals bereit sein, darüber zu sprechen? Wahrscheinlich nicht.

"Meine Mum ist tot", wisperte ich und spürte, wie sich Jungkook schlagartig unter mir anspannte. "Ich- Fuck, ich wollte nicht- Es tut mir leid, ich wollte nicht irgendwelche Wunden aufreißen", haspelte er und schämte sich. Ich setzte mich auf und sah ihn an, nahm seine Hand in meine und drückte sie sanft, einerseits um ihm zu zeigen, dass er sich keine Vorwürfe machen sollte und andererseits, weil ich gerade das Gefühl brauchte, nicht alleine zu sein. Ich war sowieso schon erstaunt, wie leicht die Worte doch meine Lippen verlassen hatten. Mein Herz schmerzte. Jungkook hatte die Augen panisch geweitet und wirkte total verunsichert. "Es ist okay. Wirklich. Irgendwann hättest du sowieso gefragt", murmelte ich und versuchte den viel zu dicken Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. 

Ich wollte nicht weinen, auch wenn es Jungkook wahrscheinlich nicht störte. Verdammt, warum fiel es mir nach all den Jahren immer noch so schwer über den Tod meiner Mutter zu reden? Würde es jemals leichter werden? "Das ist auch der Grund, warum ich nicht mit auf den Friedhof gegangen bin. Ich kann es einfach nicht. Wenn ich an all den vielen Gräbern vorbeigehe, sehe ich nur noch ihren Sarg in der Kirche und meinen Dad vor ihrem Grab, wie er krampfhaft versucht für Wooyoung und mich stark zu bleiben, nicht einfach in Tränen zusammenzubrechen-", ich brach ab, als die Erinnerungen begannen mir die Kehle zuzuschnüren. Jungkook schloss mich in seine Arme, drückte mich fest an seine Brust und gab mir das Gefühl zu verstehen. Es war okay. Er verstand mich. "Du musst nicht weiterreden, wenn du es nicht möchtest... Oder nicht kannst", nuschelte er in meine Haare. Dankbar nickte ich. Sein Herzschlag beruhigte mich auf eine ganz besondere Art und Weise, weshalb ich mich nur noch näher in seine Arme drückte und letztendlich auf seine Oberschenkel kletterte. Jungkook ließ mich einfach machen und platzierte nur einen liebevollen Kuss auf meinem dunklen Haarschopf, der mein Herz trotz allem höherschlagen ließ.

"Ich kenne meine Mum nicht", murmelte er nach einigen Minuten der Stille. Überrascht sah ich ihn an, setzte mich so auf, dass wir von Angesicht zu Angesicht waren. "Sie starb kurz nach meiner Geburt... Und mein Vater - den kannte wohl nur meine Mum." Deshalb ging er so häufig auf den Friedhof. Es waren nicht seine Großeltern, die er dort besuchte; es war seine Mutter. Ich öffnete den Mund, wusste aber ehrlich nicht, was ich sagen sollte. Ich war sprachlos. Was sagte man in solch einer Situation? Mein Beileid? Er kicherte leise und strich mir lächelnd ein paar der dunkelbraunen Haarsträhnen aus den Augen. "Du musst nichts sagen. Es ist okay, wirklich. Ich wollte das nur irgendwie loswerden und dich wissen lassen, dass du nicht alleine bist." Seine Worte zauberten mir ein kleines Lächeln auf die Lippen und ich umarmte ihn dankbar. "Danke, Kookie." Er lächelte einfach nur und ließ im nächsten Moment seine Lippen für ihn sprechen, indem er sie zart und so wahnsinnig gefühlvoll gegen die meinen schmiegte, dass die Gefühle in mir, wie ein Feuerwerk explodierten. Alles kribbelte und wenn ich vorher geglaubt hätte nicht noch weiter für Jungkook fallen zu können, so änderte sich diese Ansicht in dieser Sekunde.

Meine Gefühle für Jungkook reichten schon jetzt nach so kurzer Zeit so unergründlich tief und ich wusste, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war. Ich fiel und fiel, immer und immer tiefer, aber es war schön und mit das Beste, das mir in meinem Leben passieren konnte. Ich würde niemals genug von Jungkook bekommen, so viel stand für mich fest. 

Jeon Jungkook oder keinen.

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Ja, das ist die kleine, unspektakuläre, traurige Geschichte hinter Jimins Panik vor Friedhöfen :(

COLD AS ICE // 𝑗𝑖𝑘𝑜𝑜𝑘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt