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STELLA

Ich glaube, ich bin wund. Seit der exzessiven Partynacht mit Kim, dem heißen Sex mit dem schwarzhaarigen und dem Filmriss danach, fühlt es sich zwischen meinen Beinen an, als würde ich dort Schleifpapier haben. Gott, verdammt. Die ganze Woche schon treibt es mich in den Wahnsinn! Ich kann mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren, geschweige denn auf etwas anderes nebenbei. Immer ist da dieses Gefühl, was mir Momente der Nacht zurück ins Gedächtnis holt. Wie ein Film spielen sich die Szenen vor meinem inneren Auge ab und ich kann nicht aufhören, daran zu denken.
An ihn zu denken.
An seine Tätowierungen, die Härte seiner Muskeln, die raue seiner Züge, die Weiche seiner Haare. Seinen Duft.

Gott, ich glaube ich werde blöd.
Jemand schnipst mit dem Finger vor mir rum. »Aufwachen, oder soll ich dich gleich feuern?« Erschrocken hebe ich das Gesicht aus meinen Händen und blicke direkt in die Augen meines Chefs. Seine unerschrockene, kalte Aura jagt mir wie immer einen unangenehmen Schauer über den Rücken. »Ich habe nicht geschlafen, Sir«, versichere ich ihm. Der ältere Mann, durch dessen schwarze Haare langsam graue Strähnen kommen, stößt ein ungläubiges schnaubend aus. »Wie auch immer, Owen. Sorg dafür das mein Kaffee pünktlich hier ist, sobald ich von meinem Termin zurück bin«, fährt er mich an. Seine Finger tippen nachdenklich auf meinen Schreibtisch, dann macht er auf dem Absatz kehrt. Verwundert blicke ich auf meinen aufgeschlagenen Terminkalender, auf dem ich die Ellenbogen abgesetzt hatte. »Aber sie haben keinen Termin!«, wende ich ein, bevor er ganz verschwunden ist. Er hält inne, wirft mir einen Blick über die Schulter zu und reibt sich die Stirn. »Einen privaten. Kümmern sie sich um den Kaffee, pronto.« Seine Tonlage lässt kein Raum für Fragen offen. Das war eine klipper klare Anweisung. Sobald er verschwunden ist, sinke ich seufzend in meinem Stuhl zusammen. Ohne das ich weiß, wie lang er fort ist, grüble ich darüber nach, wann ich seinen Kaffee auftreiben soll, ohne dass er kalt wird. Mister Greenwich, für den ich arbeite, duldet weder Unpünktlichkeit noch Fehler in seiner Firma. Er hat mich vor der gesamten Belegschaft zur Schnecke gemacht, mir eine Gehaltskürzung an den Kopf geworfen und mir klargemacht, dass ich nun auf der Abschussliste sitze. Wenn ich da herunterkommen will, muss ich mich dringend ins Zeug legen, denn die Jobs in der Stadt um diesen Posten sind heiß begehrt und er wird gut bezahlt. Ich weiß nicht, wie viel ich in den anderen Firmen verdienen würde. Zudem haben die meisten Assistenten bis zum Umfallen. Ich bin froh, diesen Job überhaupt ergattern zu können. Es war ohnehin schon schwer genug.
Nachdem ich das College in Chicago abschloss, zog es mich in den Big Apple. Ein Jahr war ich schon mal für ein Semester in der Stadt. Damals traft ich in meinen ersten Tagen hier, Kim. Kommilitonin an der NYU. Sie lies mich bei sich wohnen und als ich zurückkehrte, um hier zu leben, nahm sie mich auf, bis ich einen Job fand. Das ist jetzt viele Monate her. Inzwischen sind wir die besten Freunde, wenn nicht sogar Schwestern. Ich liebe sie über alles.

»Ihr Kaffee, Mister Greenwich«, lasse ich meinen Chef Stunden später wissen und balanciere die brühend heiße Tasse auf hohen Schuhen, zu seinem Schreibtisch. Meine Absätze hinterlassen klackende Geräusche auf dem polierten Marmorboden. Der Geschäftsmann Mitte fünfzig, erwartet mich bereits. Vor wenigen Minuten ist er von seinem privaten Termin zurückgekommen. Zufrieden schaut er nicht aus. »Bring mir die Berichte des letzten Jahres, Owen.«
Er nennt mich, seit ich hier angefangen habe, bei meinem Nachnamen. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, selbst wenn es eine Weile komisch für mich war. Niemand für ihn hier ist mehr als sein Nachname und seine Position. Er scheut sich nicht, allen hier klarzumachen, wer der Boss ist und an welcher Stelle sie stehen. Er setzt die Hierarchie in diesem Gebäude knallhart durch. Genau deshalb befindet sich sein Büro auch im letzten Stockwerk seines eigenen Towers. Neben der Agentur besitzt er eine Bank, die er im Erdgeschoss untergebracht hat. Dinge, die nicht zusammenpassen und doch durch ihn in diesem Gebäude vereint werden. Außerdem war Mister Greenwich mal ein Politiker, der zurückgetreten ist, um sich seinen Firmen zu widmen. Er ist also ein vielbeschäftigter Mann, mit hohen Ansprüchen, denen ich jeden Tag versuche, gerecht zu werden. Mal weniger und mal mehr gut, gelingt mir das.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt