STELLA
Wie an jedem Freitagabend, bin ich allein im Penthouse der Stadtvilla im Herzen Little Italys. Der mausgraue Himmel, der die letzten Wochen den Himmel verdunkelte, zieht auch jetzt über die Stadt. Heute hängen die Wolken so tief, dass die Hochhäuser darin versinken und der Central Park hinter einer dicken Wand aus grauem Nebel festhängt. Die Aussicht ist geradezu nichts.
Wenn das nicht schon dazu tragen würde, dass ich mich schrecklich einsam fühle, dann auch das Gefühl, nicht mal meine beste Freundin hierhaben zu können. Ich hatte gehofft Dario dazu zu bringen, sie heute Abend herkommen zu lassen, aber er hat sich den ganzen Tag nicht blickenlassen und ich habe keine Möglichkeit, ihn zu kontaktieren.
Aus den Fenstern sehe ich die beleuchtete Straße vor dem Haus, die trotz des Wetters gefüllt mit Touristen ist, die in den vielen Restaurants ein und ausgehen, die das Viertel zu bieten hat. Ich wünschte, ich könnte ebenso unbeschwert wie sie durch die Straßen ziehen. Stattdessen stehe ich hier an der Scheibe und begaffe sie wie Fische in einem Aquarium. Seufzend stoße ich mich vom Fensterrahmen ab und verlasse das Bad zurück ins Wohnzimmer. Nur wenige Lichter tauchen die vier Wände in ein stimmungsvolles Ambiente. Aus der offenen Küche schnappe ich mir einen Teller mit meinem Abendessen, dass mir eines der Hausmädchen, mit einem Gruß von Marisa, gnädigerweise nach oben gebracht hat.
Ich sinke aufs Sofa, in dessen gemütlichen Kissen ich langsam verschwinde und beginne zu essen. Dem Fernseher schenke ich dabei wenig Aufmerksamkeit.
Allein Essen, ist selbst nach fast einem halben Jahr noch komisch. Ich mag es nicht, und doch muss ich mich mit der Einsamkeit arrangieren, mit der ich tagtäglich konfrontiert werde. Es fällt mir manchmal leichter und manchmal schwerer. Heute letzteres. Und obwohl das Abendessen lecker ist, bekomme ich nicht viel davon herunter. Meine Kehle fühlt sich zugeschnürt an. Ich glaube ich muss mich übergeben. Eilig aufspringend hetze ich die Treppen nach oben ins Schlafzimmer und das angrenzende Bad. Ich stütze mich mit einer Hand am Rand der Toilette ab, während ich mit der anderen meinen Bauch halte und die Pasta wieder herauswürge. Es dauert nicht lang bis meine Beine wegknicken und meine Knie hart auf den Fliesen aufschlagen. Hustend spucke ich meinen Mageninhalt in die Kloschüssel. Mein Bauch verkrampft sich immer wieder. Ich bekomme kaum Luft. Erst, als nichts mehr als Galle aufsteigt, kann ich durchatmen und mich wieder aufraffen. Keuchend schleppe ich mich bis zum Waschtisch, spüle mir den Mund aus und betätige die Klospülung. Fuck.
Mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzend, lasse ich den Kopf hängen. Ich wünschte meine beste Freundin wäre hier, aber das ist sie nicht. Wieder mal bin ich allein in diesem großen Apartment. Abgeschnitten von der Außenwelt.Plötzlich zuckt ein Flattern durch meinen Bauch. Es trifft mich so unvorhergesehen, dass ich zusammenzucke und mich aufrichte. Meine Hand schnellt instinktiv zu meinem Shirt, unter dem ich es wieder spüre. Dieses flattern. So zart wie die Flügelschläge eines Schmetterlings.
Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass ich es mir nicht einbilde. Das dieses wiederkehrende Gefühl echt ist. Mit klopfendem Herzen humple ich zurück ins Schlafzimmer. Bei dem flauen Gefühl das zuvor in meinem Magen war, vergas ich meine Verletzung total. Dass ich so schnell die Treppe nach oben bin, rächt sich nun. Mein Oberschenkel pulsiert förmlich. Mist.
Wieder dieses leichte ziehen. Ich berühre meinen Bauch, fahre mit meinen Fingern unter den Stoff des Shirts. Keine Sekunde lang berühren sie meine Haut, da ist es erneut. Ich spüre es an meiner Handfläche, unter meinen Fingerkuppen, an meinem Handballen. Und ich bilde es mir eindeutig nicht ein. Es ist da.Ausatmend presse ich meine Finger gegen meine Haut. Es wird nur stärker davon. Ein Schluchzer lässt meinen Körper erbeben, weil mir bewusstwird, dass dieses ziehen, deutlich von meinem Baby kommt. Ich spüre, wie es sich in mir bewegt und dreht und meine Welt bleibt für diesen Moment lang stehen. Es gibt nur mich und dieses kleine Flattern in mir. »Hey Baby«, hauche ich federleicht hinab. Ein Kribbeln schießt mir durch den Körper, flutet mein Herz mit Wärme und Vollkommenheit. Nie zuvor war dieses Gefühl so kräftig wie jetzt. Das Lächeln weicht mir kaum noch von den Lippen. »Hör bitte nicht auf«, wispere ich. Meine Nägel kreisen sanft über die Stelle, an der ich es gefühlt habe. Ich vermisse es bereits jetzt. Gott, wie kann man etwas so sehr wollen, wie dass?
»Schlaf gut mein Herz.«
Es muss jetzt fast so groß wie meine Hand sein, wenn ich den Worten der Frauenärztin beim letzten Mal Glauben schenken kann. Kaum zu fassen, dass es in mir lebt. Es fühlt sich so komisch und doch so vertraut an. Scheiße, Ich wünschte Dario wäre jetzt hier, um den Moment mit ihm teilen zu können. Würde er es ebenfalls spüren, so wie ich es tue?
Mit geschlossenen Augen kullert mir die letzte Träne über die Wange, welche ich wie die davor mit dem Handrücken wegwische und mich schniefend erhebe. Irgendwie habe ich wieder Hunger bekommen.
Unten im Wohnzimmer ist es fürchterlich still. Allein zu sein, ist gruselig. Die Wohnung wirkt so leblos. Dabei kommt es nicht darauf an, wie schön sie wohl eingerichtet sein mag. Die bedrückende Stille, wiegt wie Steine in meinem Magen.
Im Vorratsraum hinter der Küche finde ich eine Tafel Schokolade, mit der ich mich aufs Sofa verkrümle und meine Aufmerksamkeit auf die Komödie im Fernseher richte. Sie ist nicht sonderlich aufregend aber das Beste, was ich finden kann. Die Schokolade beruhigt meinen Magen etwas und so finde ich mich in die Kissen gelehnt, einschlafend wieder. Ich kann nichts gegen die Müdigkeit tun, die soeben wie ein Tsunami über mich hineinbricht.
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King of New York | 18+
RomanceNach einer heißen Nacht mit einem Fremden auf einer Party in New York City, muss Stella feststellen, dass der Fremde ihr ein Geschenk hinterlassen hat, welches in neun Monaten das Licht der Welt erblicken wird. Als sie kurz darauf fast attackiert wi...