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STELLA

Die Woche darauf habe ich endlich wieder einen Termin bei meiner Ärztin zur Kontrolle, um zu schauen, ob mit dem Baby alles in Ordnung ist. Darauf habe ich mich bereits die gesamte Zeit über gefreut. Heimlich hatte ich darauf gehofft das Dario mitkommen würde, vor allem weil wir uns in den letzten Tagen nähergekommen sind. Aber er hat mir erklärt, dass er sehr viel zu tun hat, wegen der Explosion im Restaurant. Er geht früh aus dem Haus und kommt spät abends wieder. Wenigstens hat er mir ermöglicht das ich mit Kim über eine sichere Leitung sprechen kann. Trotzdem bin ich ein wenig verstimmt, weil er nicht hier ist. Es fühlt sich merkwürdig an, zu wissen, dass immer nur ich hier bin. Allein.
»Hey Stella«, holt eine liebliche Stimme mich aus meinen Gedanken. Beim Betreten des Wartezimmers entdecke ich Lillian, die gleich neben der Tür im leeren Zimmer sitzt und mir winkt. Richtig, ich erinnere mich daran, dass sie ihren Termin erwähnte. Auch sie ist allein. Das hebt meine Stimmung ein wenig. »Hey«, lächle ich und sinke neben ihr auf den leeren Stuhl. Sie umarmt mich umständlich, was kaum möglich ist wegen ihrem Bauch. Gott, wird meiner auch so groß? Das ist irgendwie beängstigend...
»Wie geht's dir?«
»Gut und dir? Sehen wir uns jetzt öfters?«, nehme ich an. Aber Lillian schüttelt ihren Kopf. »Vermutlich nicht, dass ist mein letzter planmäßiger Termin. Und dann, wenn das Baby nicht raus will, müssen wir nachhelfen«, erklärt sie. »Anscheinend fühlt es sich zu wohl in mir.«
»Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?«, nehme ich an. Lillian verzieht ihre Lippen. »Mag sein, aber langsam fühle ich mich wie ein Wal und je mehr Kleidung ich wegen der Kälte tragen muss desto mehr verspüre ich das Bedürfnis nach einem Kaiserschnitt«, scherzt sie. Ich steige in ihr lachen ein. »Du siehst aber sehr gut aus, kein Wal in Sicht«, versichere ich ihr. Erleichtert lehnt sie sich zurück. »Das ist sehr lieb von dir, Stella. Ich habe gehört Kim war bei dir?«
»Ja, sie freut sich sehr, wenn wir uns treffen.«
»Gut, ich mich auch. Am besten, wenn ich dieses Baby aus mir gepresst habe. Ich sage dir Bescheid?«, schlägt sie vor. Nickend stimme ich zu. »Klar, klingt super. Keine Eile.«
»Miss Benelli?«, ruft sie die Sprechstundenhilfe in diesem Moment auf. Lillians Augenbrauen schnellen in die Höhe. »Oh, das bin ich. Es war sehr schön dich zu treffen. Hab einen guten Weg nachhause Stella. Und eine gute Untersuchung natürlich«, wünscht sie mir grinsend. »Danke du auch!«, erwidere ich noch bevor sie in eines der Behandlungszimmer eintritt.

Es dauert nicht lang, kurz nachdem Lillian wieder herausgekommen ist, dass ich ebenfalls aufgerufen werde. »Miss Owens?«, fragt die Blonde Schwester. Nickend schnappe ich mir meine Handtasche. »Das bin ich.«
»Folgen Sie mir doch bitte, ziehen sie Schuhe aus und stellen sie sich auf die Waage«, weist sie mich an. Währenddessen notiert sie sich einige Dinge zu meinen Befinden, fragt, ob ich Beschwerden haben oder Ähnliches. Nach einmal Blutdruck messen darf ich es mir endlich auf der Liege bequem machen. Blut habe ich bereits gegeben. Auch die Ärztin lässt nicht lang auf sich warten.
»Guten Tag Miss Owens, haben sie sich von ihrem Unfall erholt? Ich hörte davon. Schrecklich sowas...«
»Guten Tag, ja. Bis auf den Arm ist alles bereits wieder verheilt«, versichere ich ihr. Sie tippt ein paar Dinge auf dem Ultraschallgerät ein während die Jalousien nach unten fahren. Das Schnipsen von Handschuhen erklingt, dann verteilt sie Gel auf meinem Unterbauch. »Laut ihrer Akte hat man sie im Krankenhaus auf mögliche Schäden in der Bauch Region kontrolliert?«
»Eine Gynäkologin hat nach dem Baby geschaut, ja. Sie sagte es sei alles in Ordnung.«
Die kurzhaarige Ärztin schaut vom Bildschirm zu mir hinüber. »Da haben sie ja mächtig Glück gehabt, Miss Owens. Wären sie anders gefallen dann...« Sie spricht die Worte nicht aus aber ich weiß, was sie sagen will. Dann hätte ich das Baby verloren.
Herzklopfend schaue ich auf den Bildschirm gegenüber an der Wand. Mein kleiner Krümel schwimmt entspannt im Fruchtwasser und lässt sich nicht stören vom Ultraschallkopf. »Ist auch alles gut?«, frage ich nachdenklich. Das warme Lächeln der kurzhaarigen, besänftigt meinen Puls etwas. »Alles perfekt. Es ist gewachsen und gut entwickelt. Wir hören uns noch den Herzschlag an.«
Das schnelle Pochen des Herzes meines Kindes, jagt Millionen kleiner Schauer gleichzeitig über meinen Rücken. Mir wird ganz warm ums Herz. Wie jedes Mal, Fluten Tränen meine Augen. Dieser Rhythmus, der den Raum füllt, macht mir aufs Neue klar, dass da wirklich etwas ist, das in mir lebt. Etwas, für das ich ein unglaubliches Bedürfnis hege, es zu beschützen, obwohl ich es kaum kenne. Ist das die Liebe, von denen Mütter immer sprechen? Ich könnte stundenlang dem Klopfen seines Herzens zuhören...

»Wie das letzte Mal besprochen haben, werde ich jetzt die Nackenfalte messen. Die Ergebnisse vom Bluttest sind in ein paar Tagen da. Wir vereinbaren einen extra Termin, um die Ergebnisse zu besprechen. Das tue ich ganz egal wie es ausfällt, immer persönlich. Also denken sie sich nichts dabei, okay? Sehen sie mal.« Sie friert das Bild ein und markiert etwas darauf. »Die Messung liegt völlig in der Norm. Zusammen mit ihrem Blutergebnissen werde ich ein abschließendes Urteil bilden können«, erklärt sie.
»Und was heißt das?«
»Es schaut nicht danach aus, als lägen Chromosomenabweichungen vor, Miss Owens. Sobald ihr Blutbild da ist, kann ich ihnen das ganz genau sagen. Wir setzen am besten einen Termin für Freitag an. Passt es ihnen da? Sie können ihren Partner gerne mitbringen.«
Als sie Dario anspricht, wird mir kalt ums Herz und wieder ist da dieser verflixte Knoten in meinem Magen, der sich nicht lösen will.
»Hm, ja. Ich sehe, ob er es einrichten kann. Vielen Dank«, murmle ich in Gedanken versunken und wische mir das Gel vom Bauch. Die Ärztin notiert noch etwas, überreicht mir meine Bilder und wünscht mir noch einen schönen Tag.

Unten in der Lobby warten bereits meine Bodyguards auf mich, die Dario mir aufgezwungen hat. Ohne die wollte er mich nicht aus dem Haus lassen. Sie sprechen nicht viel, aber wirken dafür umso angsteinflößender. Die in schwarz gekleideten, stämmigen Italiener blicken grimmig drein. Sie verteilen sich wie selbstverständlich um mich herum, geleiten mich aus dem Gebäude hinaus in den Regen hinein. Die Tropfen prasseln auf dem durchsichtigen Schirm, den man mir über den Kopf hält. Die Limousine, die am Gehweg parkt, ist mein Ziel. Hier draußen ist es kalt und ungemütlich. Ich freue mich, wenn ich wieder auf dem Sofa sitze, mich unter mehrere Decken gekuschelt habe und mich ausruhen kann. Der Schwindel, der, seit ich heute Morgen aufgewacht bin, einfach nicht weggehen will, treibt mich fast in den Wahnsinn. Trotzdem schenke ich dem Chauffeur ein freundliches Lächeln, da er mir die Tür aufhält. Doch bevor ich den Wagen erreiche, bricht ein Tumult um mich aus und ich werde in den Regen gestoßen. Etwas Scharfes schneidet an meinem Oberschenkel entlang. Wütendes Italienisch der Bodyguards mischt sich mit meinem Schrei. Ich falle. Das Blut tränkt den Regen tiefrot. Der Aufprall und der Schmerz, lähmen mich fast. Er ist heiß und beißend und so unglaublich schmerzhaft. Meine Sicht im Regen so verschwommen, dass ich nur am Rande wahrnehme, dass meine Bodyguards jemanden zu Boden gerissen haben. Wieder packt mich jemand, hebt mich vom Boden auf, eilt zurück ins Gebäude mit mir. Stöhnend beiße ich die Zähne zusammen, kämpfe gegen den Schwindel an, bis mir irgendwann klar wird, was eigentlich passiert ist. Jemand hat mich auf offener Straße attackiert.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt