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DARIO

Meine Lungen brennen. Die kalte Luft, die meine Schleimhäute trifft, fühlt sich nicht gut an. Noch weniger die stechend heiße Wunde an meiner Seite. Sie tränkt mein Shirt dunkelrot. Auch ohne hinabzuschauen, spüre ich wie groß es ist. Mein Shirt klebt wie eine zweite Haut an mir. Fuck. Mein Herz rast, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
Keuchend raffe ich mich vom harten Asphalt auf, auf den mein Körper vor kurzem eingeschlagen ist. Mir die Seite halten, gehe ich gekrümmt auf meinen Onkel zu, der im Schatten einer Laterne zu Boden gegangen ist. Männer umzingeln ihn. Erst als ich ihnen näherkomme, merke ich, dass es nicht meine sind. Es sind Benellis Männer. Santino mitten unter ihnen. Er ist der erste, der mich erblickt und mit besorgter Miene auf mich zukommt.

»Stella ist im Restaurant. Lillian kümmert sich um sie«, ist das Erste, was er sagt. Nickend straffe ich meine Schultern und erblinde kurzzeitig von dem Schmerz, der meinen Körper überrollt. Mierda, Dario!
»Was ist hier geschehen?«
»Der Penner war es«, keuche ich. »Er ist für den Anschlag auf das Restaurant verantwortlich.«
Santinos Augen weiten sich ungläubig. Sein Kopf schnippt von mir zu meinem Onkel und wieder zurück. Ein paar Mal, bevor er sich meiner Worte bewusst zu werden scheint. »Was?«, fragt er mich entsetzt. Schweratmend nicke ich und wische mir mit dem Handrücken über die Stirn. Ich umklammere meine Waffe viel zu kräftig, da ich fürchte das meine zitternden Hände sie gleich fallen lassen könnten. »Hast du ein Telefon dabei?«
Santino gibt mir seins, ohne nachzufragen. Ich schreibe meinem Vater eine knappe Nachricht davon, mit Worten, die nur ich benutzen würde. So weiß er, dass sie von mir stammt. Anschließend wandert es zurück n Santinos Tasche. »Was willst du mit dem Mistkerl tun?«
Gute Frage, mein Freund.

»Ich würde ihm am liebsten die Kehle umdrehen, den Schwanz abschneiden, die Augen aus dem Schädel höhlen und ihn um zehn Finger erleichtern.« Blöd nur, dass wir uns mitten auf der Straße befinden. Auch wenn wir hier in Little Italy sind, bedeutet dass nicht, das keine Touristen oder Schaulustige die Straßen passieren könnten. Die Schüsse müssen mehrere Blöcke weit zu hören gewesen sein. Es ist nur die Frage der Zeit, bis jemand sich beim NYPD erkundigt.

Meine Wut droht bis dahin vielleicht überzukochen. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich muss mich zusammenreißen. Habe ich so viel Selbstbeherrschung?
»Wo sind eure Securitys überhaupt?«
»Giovanni hat die Kameras irgendwie lahmgelegt. Ich habe keine Ahnung, was mit ihnen ist. Sie müssen noch im Haus sein, es sei denn, er hat sie umgebracht...« Skeptisch schaue ich zu diesem miesen Stück scheiße, welches von den Männern umzingelt auf dem Boden festgehalte wird. Sie haben ihn entwaffnet und zielen auf ihn, damit er keine Anstalten macht, etwas Unüberlegtes zutun. Den Zorn und die Abscheu, die ich gerade für ihn tief in mir hege, übertrifft alles, was ich je für ihn empfunden habe. Ich wusste schon lang, dass da was im Busch ist, und trotzdem hätte ich niemals gedacht, dass er so ein feiges Stück scheiße sein könnte. Vielleicht hat ein letztes Prozent von mir noch daran festhalten wollen, dass er doch ein guter ist. Immerhin ist er mein Onkel. War mein Onkel, sollte ich besser sagen. Er ist für mich gestorben, auch wenn sein Herz noch schlägt. Das werde ich schleunigst ändern.

Ein letztes Mal fahre ich mir mit dem Handrücken übers Gesicht, dann richte ich das Gesicht ausatmend gen Nachthimmel. So viele Emotionen und Gedanken fluten mein Hirn im Moment. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Und doch ist da ein Gedanke, der alles andere überwiegt. Die Sorge um Stella. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es ihr gutgeht, auch wenn mir das sehr schwerfällt, zu glauben. Ich will mich selbst davon überzeugen, doch zuvor muss ich mich um meinen Onkel kümmern.

Santinos Handy gibt ein Geräusch von sich. Er hält es mir unter die Nase. Ich lese die knappen Worte von meinem Vater, deute ihm, dass er es wieder wegstecken soll und nehme meinen Mut zusammen, um auf meinen Onkel zuzuhalten. Die Anweisung meines Vaters war klar. Benellis Männer teilen sich zu beiden Seiten, um mir platzzumachen. Ich halte vor meinem Onkel inne, schaue auf das Stück Dreck hinab. Er hat nicht mal die Eier in der Hose, mir in die Augen zu schauen. Fucking Looser.
»Hast du nichts zu sagen?«, frage ich ihn. Er rotzt mir vor die Füße. Ich zögere keine Sekunde und lädiere sein Gesicht mit dem Lauf meiner Sig weiter. Blut spritzt an die Backsteinwand hinter ihm, ein Zahn landet auf dem Gehweg. Doch der perverse Mistkerl lacht gehässig auf, als er sich am Boden krümmt und Blut spuckt. »Du bist schwach, Dario. Die ganze Linie meines Vaters, außer mir, ist das.«

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt