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STELLA

Der mysteriöse Unbekannte, lotst mich vor dem Gebäude durch die kalte Nacht, zu einem Geländewage, der am Straßenrand parkt. »Hey! Was soll das?«, will ich wissen und versuche seinem klammernden Griff zu entkommen. Ohne Erfolg. Er hat meinen Oberarm fest im Griff. Einer der zwei Männer, die vorhin bei ihm waren, hält uns die Tür auf. Er drängt mich widerwillig ins Innere des Wagens. Ich fange mich keuchend auf den ledernen Sitzen ab und rüttle an der Tür. Sie ist verriegelt. »Ich will hier raus!«
»Halt die Klappe und schnall dich an. Mach mir keine Probleme, dann mache ich dir auch keine.«
Wutentbrannt zerre ich den Gurt zu mir. Kaum habe ich mich angeschnallt, rast der Fahrer los. Von dem dritten fehlt jede Spur. »Wo ist meine Freundin?«, will ich wissen. Ich muss zugeben, dass ich Angst habe. Ganz allein mit diesen beiden Männern, ins ungewisse zu fahren. »In guten Händen, du triffst sie spätestens morgen früh wieder«, versichert der Fremde mir. Ich weiß nicht, ob ich seinen Worten Glauben schenken darf, oder ob ich mir ernsthafte Sorgen machen sollte. Ich kenne Kim und sie kann sich währen. Trotzdem mache ich mir sorgen. Mit zittrigen Händen fische ich mein Telefon aus dem Ausschnitt meines Kleides und tippe den Code ein. Noch bevor ich Kims Nummer wählen kann, hat der dunkelhaarige Fremde es mir entwendet und in seiner Hosentasche verstaut. »Hey!«, beschwere ich mich sauer. »Gib es mir wieder!«
»Kannst du vergessen, micina. Morgen erst«, macht er mir trocken klar und zückt stattdessen seins. Mit mürrischem Gesichtsausdruck hält er es sich ans Ohr. Schnaubend verschränke ich meine Arme erneut vor der Brust. Idiot!

»Hey, du schuldest mir was«, knurrt er leise in den Hörer. »Nein ... ja ... schick mir die Nummer von der beschissenen Ärztin, zu der Lillian geht.«
Hellhörig ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. In meinem Kopf rattert es, wie ein Uhrwerk. Lillian ... Lillian? Lillian! Etwa die, von der Kim gesprochen hat? Ihre Arbeitskollegin, die diesen Mafiosi geheiratet hat? Augenblicklich werde ich bleich, und der Inhalt meines Magens, droht sich auf den Weg an die Oberfläche zu machen. Mit rasendem Herzen starre ich dem Fremden entgegen, dessen Gesicht in den Schatten des Wagens verschwimmt. Soll das heißen, er kennt diese Leute? Oder noch schlimmer, ist selbst ein Teil von ihnen?
Wenn mir bis jetzt das Herz noch nicht in die Hose gerutscht ist, dann spätestens hier. Scheiße, Stella. Wo hast du dich da reingeritten?
Die düstere Aura, das markant geschnittene Gesicht, die stechenden Augen. Er verkörpert einen Mann, der zu schlimmen Dingen bereit ist. Vorhin, als ich sie in dieses Zimmer verschwinden sah, ahnte ich nichts Gutes. Als sie wieder herauskamen, lag da dieser unheimliche Ausdruck auf seinem Gesicht. Schlichtweg furchterregend.
»Wohin fahren wir?«
Seine Iriden treffen mich eiskalt und schicken kribbelnde Schauer mein Rückgrat hinab. »Wirst du gleich sehen«, brummt er nichtssagend. Super. Wir fahren ins ungewisse, mitten in der Nacht bin ich ihnen völlig ausgeliefert.

Eine halbe Stunde, zerrt er mich vor einem hohen Gebäude aus dem Wagen in die eisige Nacht hinein. Ich bin keinesfalls passend gekleidet für diesen Abend. Das Kleid hat Kim mir auf gequatscht, damit wir in den Club kommen. Das war von Anfang an eine Schnapsidee und das habe ich nun davon. Am Oberarm schleift er mich grob in Richtung des Eingangs. Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf die gläserne Fassade des Wolkenkratzers, der sich aus dem Boden emporhebt und mächtig in den Himmel schießt. Was tun wir hier?

In der Lobby ist es leer, was kein Wunder ist, bei der Uhrzeit, die wir mittlerweile haben. Lediglich ein Wachmann nickt uns zu, auf unserem Weg zu den Fahrstühlen. Der Fremde schubst mich hinein. Ich kann mich gerade noch so am Handlauf abfangen. Keuchend drehe ich mcih um und sehe, wie er die Taste des 80. Stockwerks drückt. Eine halbe Minute sind es nur wir zwei allein im Aufzug. Er hat mir den Rücken gekehrt, sich vor der Tür platziert und umgreift meinen Arm, als wir oben ankommen. Eine kurzhaarige Frau im Kittel kommt uns entgegen. Sanfte Lichter hüllen die Räume der Praxis ein. Bodentiefe Fenster zu jeder Seite, die einen fantastischen Ausblick auf die Stadt freigeben.
»Guten Abend, folgen Sie mir doch in Behandlungszimmer eins«, bittet sie uns und geht voran. Ich versuche mich erneut von dem Fremden fortzureißen, scheitere wie beim ersten Mal kläglich daran. Durch meine Taten bohren sich seine Finger nur noch fester in meinen Arm. Wie ein Schraubstock, den man enger dreht. Verdammt.
»Überprüfen sie das auch?«, hakt der Unbekannte bei der Ärztin nach. Sie verriegelt in dem modern eingerichteten Zimmer die Tür hinter uns. Da lässt der dunkelhaarige endlich von mir ab. Schmerzend reibe ich mir meinen Oberarm und verfluche ihn in meinem Kopf. Was fällt diesem Idioten ein?
»Natürlich, machen Sie sie sich frei und legen Sie sich auf die Liege dort drüben.« Sie reicht mir eine Art Decke, deutet auf de hohen Stuhl. Verwirrt schaue ich zwischen den beiden her. »Ich verstehe nicht richtig...«, wispere ich. Genervt schubst der muskulöse Südländer mich auf die Liege zu. »Wir werden das jetzt überprüfen und wenn sich herausstellt, dass du mir eine kleine Geschichte erzählt hast, werde ich dir den Arsch aufreißen. Jetzt tue, was sie sagt und halt deine Klappe«, fährt er mich an. Bei der raue und kälte in seiner Tonlage, zucke ich zusammen, als hätte er mich geschlagen. Mir wird nichts anderes übrigbleiben, als zu tun, was er sagt. Vielleicht merkt er dann, dass ich nicht lüge.

Ich schiebe mein Kleid hoch, werde meinen Slip los und platziere mich, wie sie es gesagt hat. Meine Beine decke ich mit der Decke ab. Konzentriert rollt die kurzhaarige Ärztin auf einem Hocker vor mich, stellt meine Beine auf und zieht sich Handschuhe über. Während sie alles vorbereitet, nimmt der Südländer mit verschränkten Armen, seinen Platz vor der Glasfront ein und lehnt sich mit dem Rücken gegen sie. Grimmig blickt er auf den Bildschirm des Ultraschallgeräts, darauf wartend, dass ich gelogen habe.
Ich muss schlucken, als die Ärztin den kleinen Ultraschallkopf in mich einführt und der Bildschirm sich kurz darauf einschaltet. Mein Herz macht einen Satz, weil das schwarz graue Flimmern, mich fast in den Wahnsinn treibt. In dem dunklen Zimmer kann man alles bestens auf dem Gerät sehen. Die Ärztin tippt darauf herum, bewegt den Ultraschallkopf und dreht ihr Gesicht zu mir. »Sehen sie den schwarzen Fleck?«, fragt sie mich. Überwältigt nicke ich. Sie hält das Bild an, vermisst es und zwingt sich ein professionelles Lächeln auf. »In so einem frühen Stadium kann man noch nicht viel sehen, außer die Fruchthöhle, die sich dort zeigt. Herzlichen Glückwunsch.« Ihre weiche Stimme, beruhigt mich etwas. Sie spricht so gefasst, ruhig und zart, dass ihre Worte wie Balsam für meine Seele sind. Erleichtert lockere ich meine verkrampften Schultern und atme auf. All die Anspannung der letzten Tage, fällt von mir ab.

Mit einem ich-habs-dir-doch-gesagt-Lächeln, huschen meine Augen zu dem Griesgram, dem inzwischen alle Gesichtszüge entgleist sind. Er fängt sich innerhalb weniger Sekunden wieder, und der Ausdruck in seinen Augen, wird erneut düster. Er macht einen Schritt auf uns zu. »Auf wie viele Wochen, schätzen sie es?«, will er monoton wissen. Die Selbstbeherrschung in seinen Zügen, ist unfassbar- Gerade noch sah er noch so aus, als wäre die Maske gebröckelt, doch nun sitzt sie wieder eisern auf seinem Gesicht.
»Fünf Wochen, vielleicht. Kommt darauf an, wann Sie ihre letzte Periode hatte.«
Grübelnd reibt er sich über sein Gesicht und atmet schwer aus. »Fuck, schalten sie das ab, ich will jetzt gehen«, weist er sie an. Bevor sie noch etwas sagen kann, hat er uns den Rücken gekehrt.
Der Weg aus dem Gebäude, ist schweigsam und unangenehm. Er spricht kein Wort mehr, scheint in Gedanken versunken. Auch am Arm, hält er mich nicht mehr gepackt. Stattdessen laufe ich neben ihm her und bekomme kein Wort raus.
Der Fahrer, der am Wagen wartet, hält mir stumm die Tür auf und schließt sie hinter mir, nachdem ich auf den Rücksitz gerutscht bin. Fröstelnd schlinge ich mir meine Arme um meinen Körper starre aus dem Fenster. Die Anspannung im Inneren des Geländewagens, erdrückt mich fast. Die Luft ist schwer und die Worte sind mir im Hals steckengeblieben. Zwischen meinen Fingern halte ich das kleine Bild, welches sie mir mitgegeben hat. Mehr außer einen schwarzen Punkt, sieht man wirklich nicht.
Irgendwann parkt das Auto schließlich am Straßenrand vor meiner Wohnung. »Woher wisst ihr, dass ich hier wohne?«
»Geht dich nichts an. Verschwinde jetzt nach oben und mach die Tür nicht mehr auf, bis es hell wird, klar? Hier gibt es merkwürdige Gestalten in den Straßen.« Abschätzig mustert er meine Nachbarschaft aus dem Fenster hinaus.
Ja, Harlem ist wahrlich nicht der tollste Ort der Welt, aber das Einzige, was nicht zu weit von meiner Arbeit entfernt ist, und was ich mir bei meinem Gehalt leisten kann. Der teuren Uhr an seinem Handgelenk nach zu urteilen, scheint er sich über sowas ja keine Gedanken machen zu müssen. Idiot. Fassungslos schnalle ich mich ab. Er reicht mir tatsächlich mein Telefon weiter, welches ich ihm bissig aus der Hand schnappe und mit den Füßen auf den Gehweg rutsche. »Also sehen wir uns jetzt nie wieder?«, frage ich. Der kalte Wind pustet mir meine Haare ins Gesicht und verschafft mir Gänsehaut. »Ich werde mich melden. Geh jetzt rein, hier draußen ist es gefährlich«, raunt er. Kopfschüttelnd über sein verhalten knalle ich die Tür zu und marschiere ins Haus. Oben vor meiner Haustür, wartet Kim im Hausflur sitzend auf mich. Sie springt sofort von der Treppe auf, als sie mich sieht. Weinend bricht alles über mich hinein, und treibt mich in die Arme meiner besten Freundin.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt