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DARIO

In mir sträubt sich alles, Stella mitzunehmen. Scheiße, ich wollte sie nie hier haben, doch jetzt tue ich genau das, was ich nicht wollte. Stella ins Golden Diamond bringen. Das Casino ist kein Ort für sie, doch vielleicht der einzig sichere, neben dem Haus meiner Eltern. Hier kann sie eine Weile abschalten und sich bedienen lassen, während ich meinen Geschäften nachgehe und mich mit Dante treffe. Darauf bin ich zuvor überhaupt nicht gekommen. Erst als sie mich bat, einen Umweg zu fahren.

Die Scheinwerfer leuchten die Einfahrt in die Tiefgarage hinab. Ich parke nicht weit vom Fahrstuhl entfernt, sodass der Weg nicht weit ist.
»Es gibt ein paar Regeln den du folgen musst, wenn du willst, dass wir bleiben«, stelle ich klar, noch bevor sie die Tür öffnen kann. Nickend hört sie mir zu. »Schieß los.«
»Zuerst tust du genau das, was ich dir sage. Kein entfernen von meiner Seite und keine wiederworte. Wir werden zu Abend essen, dann habe ich noch einige Dinge mit Dante zu besprechen. In der Zeit wirst du allein in einem abgesichertem Raum bleiben, okay?«
»Ich weiß nicht...« murmelt sie lippenbeißend. Sie wirkt plötzlich so nachdenklich und abgeneigt. Das tut sie nur, weil sie sich an die Dinge erinnert, die geschehen sind. Beschwichtigend lege ich meine Hand auf ihren Oberschenkel, so wie ich es schon beim Essen mit meinen Eltern tat. »Dir wird hier nichts geschehen, okay? Das gleiche Team, was auch für unser Haus in Little Italy zuständig ist, überwacht die Gäste und Kameras. Die Mitarbeiter sind sorgfältig selektiert und ich habe jederzeit Zugriff auf die Kamera, die sich im Zimmer, in dem du bleiben wirst, befindet. Du brauchst hier keine Angst zu haben.«
»Wieso war ich dann noch nie hier?«
»Weil es ein Casino ist.«
Ihre in Form gebrachten Augenbrauen schnellen in die Höhe. »Ach ja? Ihr habt ein Casino?«
»Dachtest du Glückspiel ist nur was für die Iren? Sicher nicht. Wir sind Marktführer der Eastcoast. Jetzt steig schon aus. Die Garage ist privat und niemand hier. Du bist sicherer als im Weißen Haus. Wir lassen immerhin nicht jeden rein.«
»Ich nehme dich beim Wort, Dario.«
»Solltest du auch.«

~

Rauschend gleitet der Aufzug nach oben direkt auf die Chefetage des Casinos. Dort, wo keiner der Gäste zutritt hat. Eine große verspiegelte Fensterfront gibt einen Ausblick auf die Spieltische preis, doch von dort unten sieht uns niemand. Die wenigen Angestellten, die es hier oben gibt, begrüßen uns, als wir sie passieren. Ich führe Stella in eines der Zimmer, die einstig für den Besitzer des Ladens vorgesehen sind. Also für meine Familie. Hier oben befindet sich ein Apartment ähnliches Konzept. Ein Raum mit langem Ess- oder Spieltisch. Daran anschließend eine Art Wohnzimmer mit einer Reihe Aktivitäten, von denen einem nicht langweilig wird. Heimkino System und allerlei Schnickschnack, auf den mein Vater bestand. Eine große Bar, Küche, sogar ein Gästezimmer in dem man zur Ruhe kommen kann. Das Bad schließt direkt daran an.
»Wünschen Sie Abendessen, Signore?«
»Ja, bringen sie uns etwas. Ist Dante schon da?«, frage ich die Dame im schwarzen Mitarbeiterkostüm. Sie verneint meine Frage, nimmt unsere getränkewünsche auf und bereitet alles frisch an der Bar zu. Unterdessen ist Stella tiefer in den Raum gewandert und hat vor der großen Glasfront, die einen umwerfenden Ausblick auf den Hafen und den Hudson freigibt, innegehalten.
»Gefällt es dir?«
Über die Schulter schauend, nickt sie. »Sehr. Es ist wunderschön. Bei meiner alten Arbeit gab es nicht so eine Aussicht, dabei ist sie nicht weit entfernt«, erzählt sie. Ich trete neben sie, die Hände ins Futter der Hosentaschen geschoben und betrachte sie von der Seite. Sie hat nur Augen für den Hudson. »Du hast für diesen Unternehmer gearbeitet, oder? Greenwich?«
»Der mit der Bank, ja. Ich war seine Assistentin. Hauptsächlich war ich in seinem Büro für die Partyplanungsagentur.«
Bank und Partyplaner sind zwei verschiedene paar Schuhe und doch hatte er beides.
»Muss ein vielseitiger Mann sein«, nehme ich an. Greenwich ist einigen in der Stadt bekannt. Milliardär, Unternehmer, CEO von mehr als zehn Firmen auf der Welt. Drei davon in New York. Mein Vater kennt ihn, wenn auch nicht gut. Ich habe ich flüchtig zu sehen bekommen und kann nur sagen, dass mein erster Eindruck keinesfalls ein guter war. Er ist sonderbar und dass Stella wirklich seine Assistentin war, wundert mich. Sie scheint viel zu gut, als sich von so einem Kotzbrocken rumkommandieren zu lassen.
»Er war vor einiger Zeit bei Julian Vallian und hat ihn um einen gefallen gebeten.«
Ich weiß nicht, warum ich ihr das erzähle. Sie sollte die letzte sein, die sowas weiß. Vielleicht weil mir bewusst ist, dass sie so oder so nicht so schnell verschwinden wird und ich alle Macht über sie besitze, wenn ich nur wollte. Stella wird so schnell nicht verschwinden und doch fühle ich mich keine Sekunde nachdem ich ihr diese prägnante Info verraten habe, schrecklich dumm. Immerhin ist ihre beste Freundin Journalistin. Sind die nicht immer auf der Suche nach einer guten Story? Später muss ich Dante auf den Zahn fühlen. Ich habe ihn seit sie im Krankenhaus lag, auf sie angesetzt. Er bringt sie zu uns, wenn sie Stella besucht und auch sonst hat er ein Auge auf ihren Datenverkehr. Sicher ist sicher. Das müssen die beiden Frauen aber nicht wissen. Ich bin immerhin nicht dumm und lasse einfach eine Reporterin in mein Haus, ohne Vorkehrungen getroffen zu haben.
»Mister Greenwich und die Mafia? Wieso wundert mich das nicht?«, schnaubt sie amüsiert. »Vor einiger Zeit, kurz bevor ich schwanger wurde, sind diese komischen Typen im Büro aufgetaucht«, beginnt sie mir zu erzählen. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie stutzig mich die Sache macht. Immerhin hat Greenwich nicht um Schutz gebeten. »Ach ja? Was waren das für Typen?«
»Anzugträger mit grimmigen Gesichtsausdrücken, strengen Zügen und geradem Gang. Geschäftspartner vielleicht. Sie wirkten einschüchternd.« Stella schüttelt sich kaum merklich. Ihr muss es wohl eiskalt den Rücken herunterlaufen, bei der Erinnerung an sie.
Was hat das zu bedeuten?
Bevor ich das Thema vertiefen kann, kehren die Angestellten mit unserem Abendessen zurück und ich lege meine Gedanken vorerst zur Seite. Stella stürzt sich hungrig auf das köstlich ausschauende Essen und auch ich beginne meinen Magen zu füllen. Doch ganz verschwindet das Fragezeichen in meinem Kopf nicht. Was sie sagte, hat neue Fragen aufgeworfen.

~

Einige Stunden später ist Dante endlich von seiner Tour eingetroffen. Ich mache mich auf den Weg zu ihm in einen der privaten Spielräume, an denen er bereits am Blackjack Tisch sitzt und mit seinem Zippo spielt. Räuspernd mache ich auf mich aufmerksam. Sein Kopf schnippt nach oben und sein Blick klart sofort auf. »Endlich.«
»Sorry, musste noch was machen.«
Ich nicke den Angestellten zu, die sich im Zimmer befinden und deute ihnen, dass sie es verlassen sollen. Sie verschwinden ohne einen Ton und schließen die Tür hinter sich. Sie verriegelt automatisch. Erst als Dante und ich allein sind, durchquere ich das abgedunkelte Zimmer in Richtung golden beleuchteter Bar. Eine Wand voller Regalbretter befindet sich dahinter. Prall gefüllt mit den teuersten und seltensten Spirituosen, die man nur kaufen kann. Ich schnappe mir eine Flasche des schottischen Whisky, den ich von einem Freund aus Miami bekommen habe und Köpfe sie. »Willst du auch einen?«, frage ich meinen besten Freund. Dante erhebt sich mit der glühenden Kippe im Mund und kommt nickend auf mich zu. Er sinkt ächzend auf einen der Barhocker. »Klar, immer her damit.«
Ich schiebe ihm sein gewünschtes Glas über den Tresen zu, bevor ich mich selbst bediene und die Flasche zur Seite stelle. »Was hast du herausgefunden?«
»Kommst du immer gleich so zur Sache?«, will er nuschelnd wissen. Ich lache knapp. »Inzwischen sollten wir uns lang genug kennen, mein Lieber.«
»Stimmt, mein Lieber
»Sag schon, Dante.« Ungeduldig platziere ich mein Telefon aufrecht auf der Bar, um einen Blick auf die Kameras zu haben, die sich im Raum befinden, in dem Stella ist. Zu hundert Prozent traue ich nur den Sicherheitsvorkehrungen in meinem eigenen zuhause. Ich werde nicht nochmal zulassen, dass so ein Vorfall wie vor der Praxis passiert. Nie mehr.
»Am Watervilet Arsenal ist nicht viel rausgekommen. Wir stehen in Kontakt mit einer der Soldaten, wie ich dir erzählt habe. Der hat uns die Stelle verraten, an dem der Konvoi überfallen wurde. Homeland Security und das FBI hatten Reifenspuren gefunden, die sie Toyotas zuordnen konnten. Allerdings konnte sie die Autos nie finden. Weder zugelassene noch gestohlen oder gebrauchte.«
»Dann waren das welche, die unterm Radar fuhren.«
Dante nickt. »Richtig. Sag mir, was du denkst.«
»Illegale Toyotas, Raubüberfälle auf militärische Transporter? Das klingt für mich wie das Sinaloa Kartell, aber wir sind quasi am anderen Ende der Landmasse. Die würden uns nicht mal mit ihrem Arsch anschauen. Wieso sollten die einen Konvoi mitten in New York überfallen, nur für ein bisschen C4? Die haben doch andere Quellen und beziehen das Zeug alles aus dem Mittleren Osten.«
»So sehe ich das auch. Wer also noch? Und wer würde sowas verkaufen?«
»Du denkst der, der das Restaurant in die Luft sprengte, war nicht derjenige der den LKW überfiel?«

Dantes Worte ergeben sinn und doch verwirren sie mich. Erst recht, als er auf meine Frage hin den Kopf schüttelt. »Das können nicht die gleichen gewesen sein.«
Stirnrunzelnd stütze ich mich auf meinen Unterarmen ab und grüble über seine Worte nach. »Einer von den fünf?«
»Denkst du an Vallian?«, will mein bester Freund wissen. Schulterzuckend trommle ich mit meinen Fingern auf de Holzplatte herum. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Es scheint wie eine aussichtslose Suche. Wie ein Irrgarten, der keinen Ausgang hat. »Luciano war untergetaucht aber der Angriff auf den Transporter war viel früher. Sein Vater hat sich für solche Sachen nicht interessiert.«
»Ja, dem ging es um Menschenhandel.«
Einer der Gründe, wieso die Vallians unter den Familien die unbeliebteste ist. Julian ist damit schon lange zu weit gegangen und hat sein Karma verdient. Sein Sohn scheint damit nichts zutun gehabt haben wollen. Genau deshalb hat er wohl seinen tot vorgetäuscht und uns alle hinters Licht geführt.
»Was ist mit den Iren?«, fällt mir plötzlich ein. Die Iren sind bekannt für Glücksspiel, Schwarzbrand und einige anderen illegalen Tätigkeiten. Man sagt ihnen nach, dass sie sogar mit Waffen handeln. Wieso also nicht auch mit C4?
»Die Koboldscheißer machen doch alles für Geld.«
»Weißt du Dario, dein Gedanke ist gar nicht so abwegig«, murmelt Dante nachdenklich und drückt den Stummel seiner Kippe im Aschenbecher aus. Und je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird auch mir, dass an der Sache vielleicht was dran ist.
»Überleg doch mal. Die wollten uns ablenken und uns weißmachen, dass sie das nicht können. Die Sache mit Bobby, der blockierte Getränkewagen. Wenn wir herausfinden, für wen sie das C4 beschafft haben, finden wir auch den, der dafür verantwortlich ist.«
»Du meinst, das waren sie nicht selbst?«
Kopfschüttelnd richte ich mich wieder auf und schenke mir nach. »Die Iren wissen, dass sie gegen die Familien nicht ankommen. Sieh nur, wie es für sie das letzte Mal nach der Prohibition ausgegangen ist. Nein, dafür haben sie keine Eier. Jemand anderes muss es gewesen sein.« Ich werde herausfinden, wer es war. Und wenn es das letzte ist, dass ich tun werde!

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt