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STELLA

Die letzten Nachzügler meiner Grippe sind endlich abgeklungen und nun ist es nur noch die Übelkeit, die mich plagt und kaum zur Ruhe kommen lässt. Noch dazu dreht mein Kreislauf verrückt, immer wenn ich irgendwo aufstehe. Zum Glück hat Kim mich übers Wochenende zu sich eingeladen. Wir haben Schokoladenkuchen von der französischen Bäckerei ein paar Blocks weiter, und köstlichen Orangensaft, den sie mit ihrer neuen Küchenmaschine gepresst hat. Tüten Chips, ein Board mit Käse, Trauben und Schinken kullert zwischen uns herum. Wir haben es uns mit Decken und einem Haufen Kissen auf der großen Couch bequem gemacht. Neben uns plätschert der Regen gegen die Scheiben, gedeckt von den lauten des Fernsehers, der den offenen Wohn-Kochbereich füllt. Es ist das perfekte Wetter, um das ganze Wochenende auf der Couch rumzukullern und nichts zu tun. Das tut auch mal gut, nach der ganzen Arbeit und dem Stress der Woche. Gerade läuft eine Komödie, der ich lausche und mich mit Käse und Crackern vollstopfe. Kim hängt über einer Tasse Latte Macchiato , und ich wünschte ich könnte mir auch eine nehmen.

Während der Film vor sich hin plappert, schenke ich ihm nur geteilte Aufmerksamkeit. Ich muss die ganze Zeit an das Treffen mit dem Gambino Mann denken. Seit dem Abend in meiner Wohnung, habe ich ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen. So wie er es angekündigt hatte. Das ist jetzt zwei Tage her. Trotzdem kreisen meine Gedanken pausenlos um ihn. Ich frage mich, wann und ob er sich melden wird. Außerdem ist da dieses mulmige Gefühl in meinem Magen, immer wenn ich an ihn denke. Kommt das von der Übelkeit? Oder vielmehr dem Wissen, wer er ist? Dass ich mich wirklich in ernsthafte Gefahr begeben könnte, nur weil er zu diesen Menschen angehört?
Zugern würde ich mit Kim darüber sprechen, aber das kann ich unmöglich. Ich habe es versprochen und das werde ich nicht brechen. Erst recht nicht, da ich weiß wie abweisend sie auf dieses Thema reagiert. Sie kaut es jeden Tag auf Arbeit durch und hat davon die Schnauze voll. Wenn ich ihr jetzt auch noch erzähle, dass der Vater meines Kindes einer von diesen Gangstern ist, dreht sie womöglich völlig durch. Nein, ich kann ihr das jetzt noch erzählen. Das letzte Jahr in der Stadt war anstrengend genug. Seitdem die Blutfehde beendet ist, ist es wieder sicherer geworden. Trotzdem liegt eine gewisse Anspannung in der Luft, die jeder von uns spürt, egal wohin wir gehen. Sollte dieser Konflikt wieder aufflammen, könnte ich, so abwegig der Gedanke auch ist, zwischen die Fronten geraten.

Ich habe keine Ahnung von diesen Familien oder der Gefahr, der sie sich Tag für Tag aussetzen. Also kann ich mir nicht vorstellen, dass an der Sache wirklich was dran wäre. Vielleicht hat er es auch nur als Ausrede benutzt, um sich der Verantwortung zu entziehen? Gott, ich zerbreche mir noch den Kopf darüber...

»Hast du Lust auf Pizza?«, meldet Kim sich nach einiger Zeit fragend und wirft mir einen Seitenblick zu. Schulterzuckend raffe ich mich in den Kissen auf. Ihre Tasse ist längst leer und auch meine Chipstüte hat sich dem Ende zugeneigt. »Klar, wieso nicht«, stimme ich also zu. Kim springt quietschend auf und springt mit einem Flyer zurück neben mich. »Super, von dem Laden in Little Italy soll es gut schmecken. Such dir was aus, dass heute geht auf mich. Immerhin hast du letztens schon unser Abendessen gezahlt.«

Eine dreiviertel Stunde später sitzen wir mit zwei Pizzakartons nebeneinander unter den dicken Decken und schauen Twilight. Der perfekte Film für dieses Regenwetter. »Scheiße, die ist echt gut«, nuschelt Kim mit vollgestopftem Mund und wischt sich ihre fettigen Finger an einem Tuch ab, um nach ihrer Dose Cola zu greifen. »Ist sie. Wie hast du den Laden entdeckt? Ich war vielleicht einmal in Little Italy.«
»Lag auf der Arbeit rum«, erklärt sie und schiebt sich das nächste Stück in den Mund. Kichernd tue ich es ihr gleich und sinke tiefer in den Berg voller Kissen. Das Wochenende so mit ihr zu verbringen, tut mir gut. Wir sind wie Schwestern und bei ihr kann ich immer sofort abschalten. Die Pizza befriedigt meinen Magen und das Gesudel des Fernsehers, lässt mich zur Ruhe kommen. Doch ganz verschont von meinen plagenden Gedanken, bleibe ich nicht. Sie tragen mich fort, immer wenn Edward oder Jacob über den Fernseher flackern, muss ich an den Italiener denken. Daran, dass er in meiner Wohnung war und an das, was er gesagt hat. An seine Berührungen, die so sanft und forsch zugleich waren. An seinen Duft und die Art wie er mich angeschaut hat. Gott, ich habe keinen blassen Schimmer, wieso ich mich so fühle. Er verwirrt mich. Ein klein wenig verstehe ich Bella, als sie dort auf ihrem Stuhl sitzt und aus dem Fenster starrt. Sie konnte Edward so wenig verstehen, wie ich den Italiener verstehe, dessen Namen ich noch immer nicht kenne. So wie sie, weiß ich nicht, wann ich ihn das nächste Mal wiedersehe.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt