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STELLA

Ich zittere.
Nicht, weil es draußen eisig kalt ist, sondern weil das Adrenalin langsam meinen Körper verlässt und ich die Gefühle, die auf mich einbrechen nicht länger verdrängen kann. Sie brechen über mich hinein wie die Sturzflut eines Tsunamis.
Schweigend folge ich Lillian in das Haus, in dem sie lebt. Wir nehmen den Fahrstuhl und durchqueren ein langes Labyrinth aus Fluren, bis wir vor einer Tür innehalten und sie mir eine gute Nacht wünscht. Ich bin froh, dass sie im Restaurant an meiner Seite war, auch wenn ich mir nichts sehnlicheres als Kim gewünscht hätte. Ich muss Dario fragen, ob ich sie morgen sehne kann. Ich brauche meine beste Freundin jetzt.

Ebenso still wie auf dem Weg hierher, betrete ich das dunkle Zimmer, welches nur von einigen Lampen erleuchtet wird. Dario tritt sofort in mein Sichtfeld. Er breitet seine Arme aus und ich schließe meine um seinen Oberkörper. Der weiche Stoff seines Hoodies reibt an meiner roten Wange. Ich versinke in dem Stück Kleidung wie in einer Wolke. Sein Herz pocht in gleichmäßigen Abständen. Trotzdem entging mir das Zucken nicht, dass seinen Körper durchschoss, als ich meine Arme um ihn schlang. Er muss verletzt sein.
Wir stehen eine Weile so da, ohne etwas zu sagen. Weder er noch ich, wagt es die Stimme zu erheben. Wir genießen nur die Gesellschaft des anderen. Das fühlt sich an wie ein Pflaster, dass jemand auf meine Wunden klebt. Sein Herzschlag übertönt meinen und mein Kopf schaltet endlich ab. Wenn auch nur kurz.
Ich will ihn nicht loslassen, aber die Müdigkeit nagt an mir. Langsam hebe ich meinen Kopf, dabei kreuzen sich unsere Blicke. Darios Hand wandert zögerlich über meine feuchte Wange, hinab zu meinem Hals. In meiner Kehle hängt ein dicker Kloß fest, den ich nicht loswerde. Seinen Blicken nach zu urteilen, hat der feste Griff seines Onkels spuren auf meiner Haut hinterlassen. Scheiße.

Ich schiebe seine Finger vorsichtig von meinem Hals. »Lass das«, wispere ich.
»Was?«, will er wissen. Die furchen auf seiner Stirn stetig tiefer werdend. Seine Finger wandern tiefer, meine Seite entlang. »Sieh mich nicht so an«, bitte ich krächzend. Mein Hals ist verdammt trocken. Gott, ich wünschte ich könnte einen Schnaps trinken...
»Ist es jetzt vorbei?«
»Fast Baby, fast.«
Ungläubig suche ich seine Iriden mit meinen. Ich fixiere sie, versuche etwas in seinen bernsteinfarbenen Augen lesen zu können. Wie immer ist er ein verschlossenes Buch für mich. Seufzend lehne ich mich mehr gegen ihn. »Was meinst du damit?«
»Mach dir keine Gedanken mehr über meinen Onkel. Ich muss morgen noch ein paar Sachen klären, dann können wir das Thema abschließen.« Seine Worte klingen, wie ein Versprechen und doch kann ich mich noch nicht richtig darauf einlassen. Mein Kopf denkt immer noch, dass es das nicht war. Wenigstens für heute Nacht allerdings verbanne ich diese Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes und schaue zwischen uns hinab. Seine Fingerkuppen streifen den Stoff meines Oberteils verdächtig. Augenblicklich muss ich an vorhin denken.
»Oben allein im Penthouse, als du nicht da warst«, beginne ich und schließe, bei dieser süßen Erinnerung meine Augen, um sie noch einmal zu durchleben. Mein Körper kribbelt von oben bis unten.

»Da ... habe ich es gespürt. Es war nur ein Flattern, aber es war da. Genau hier«, murmle ich und schiebe seine Finger genau auf die Stelle. Sie wandern wie von selbst unter meine Kleidung. Seine Hand strahlt solch eine Wärme aus, dass all die last der letzten Wochen von meinen Schultern abfällt und meine Augen sich mit tränen füllen. Die Erleichterung, die mich durchflutet, ist unfassbar.
»Genau, wenn ich nicht da bin, hm?«, brummt er und löst ein kleines Lachen aus meiner Kehle. Ich schaue ihm wieder in die Augen, entdecke dieses tiefe Gefühl des Glücks in ihnen. Einen Moment bin ich mir nicht sicher ob es wirklich das ist, was ich sehe, doch als er seine Lippen, auf die meine drückt, bin ich mir ganz sicher.
»Ich bin froh, dass es euch gutgeht, micina. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er-«
»Neulich sagtest du etwas«, fahre ich ihm schnell über den Mund. Ich lege meine Hand an seine Wange. An seinem Kinn fühle ich die stoppeln seines drei Tage Barts. Sie kitzeln meine Handfläche. »Damals habe ich mich nicht getraut es zu sagen aber ... ich liebe dich auch, Dario.«
Er glaubt nicht, wie viel Überwindung es mich gekostet hat, es zu sagen doch jetzt da es raus ist, fühle ich das prickelnde Gefühl in jedem Millimeter meines Körpers.
Ich liebe ihn.
Darios Lächeln schmückt ein schiefes Schmunzeln. Er umfasst meine Taille stärker, drängt sich enger an mich, bis kein Blatt mehr zwischen uns passt. »Tust du das, micina?«
Nickend schlinge ich meine Arme um seinen Hals und lehne meine Stirn gegen seine. Unser Atem vermischt sich, seine Händen halten mich. Ich weiß, dass er mich ansieht, auch wenn ich es nicht sehe. »Dann lass mich dich offiziell zu einem Teil meiner Familie machen. Sei mein, Stella Gambino

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt