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DARIO

Mir den Kopf an meinem Schreibtisch zerbrechend, starre ich auf die dicke Mappe, die zwischen meinen Ellenbogen auf dem Tisch liegt. Müde ruhe ich mein Kinn auf meinen Händen, während ich den Inhalt der Papiere versuche zu verstehen. In den letzten Wochen ist einiges passiert. Zuerst einmal haben wir nach Übernahme des Nachtclubs eine beachtliche Summe an Einnahmen erhalten. Zwar gehört er uns nur zu fünfzig Prozent doch diese werfen eine stolze Summe ab. Bobby hat uns also nicht nur über Ohr hauen wollen, sondern auch unterschlagen wie viel er mit dem Schuppen verdient. Wenigstens ist er, seit wir Teilinhaber sind, nicht mehr vorlaut gewesen und hat sich stets an alle Richtlinien gehalten, die wir oben gegeben haben.
Zudem steht endlich ein Termin für die Kommission fest. Nächste Woche ist es so weit und ich werde zusammen mit meinem Vater dem Rat beiwohnen. Die obersten Bosse der fünf Familien treffen sich und sollten die Vallians bis dahin keinen Vertreter für Julian gefunden haben, wird ihr Gebiet zwischen den verbleibenden vier Familien aufteilt. Zumindest steht es so in diesem Papier niedergeschrieben, dass vor mir liegt. Unterzeichnet von den Familien, vor einer langen, langen Zeit. Bis jetzt musste dieses Gesetz noch nie in Kraft treten. Es wäre eine Premiere, würde es wirklich passieren. Santino und ich haben darüber schon ausgiebig bei einem Glas Schnaps gesprochen. Unser Verhältnis ist besser, denn je und so auch das zu seiner Familie. Mir hat er, in der Zeit, in der er gezwungenermaßen nicht in der Stadt war, gefehlt. Früher haben wir oft Zeit miteinander verbracht.

Das ist allerdings nicht das Einzige, was geschehen ist. In den Nachrichten spricht man jetzt wieder über uns, da einige der Iren Unruhe in Julians Gebieten stifteten und es zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen, den Valettis und Gallianos kam, als diese versuchten sich zu verteidigen. Seit einiger Zeit gibt es wieder brennende Autos und kleine Schießereien. Nichts, über das man sich ernsthafte Sorgen machen müsste. So war es ja schon immer. Die Iren und wir werden vermutlich nie mehr Freunde. Unsere Vergangenheit ist zu gravierend und der Spalt zwischen unseren Kulturen zu groß. Den kleinen Reibereien auf den Straßen schenke ich also wenig Aufmerksamkeit. Es wird sich ausbügeln. Das hat es schon immer. Aber seit der Blutfehde, die Monate andauerte, ist einiges anders in der Stadt. Die Menschen sind angespannt und ängstlich, weil sie keine Ahnung von all dem haben. Kann ich ihnen das übel nehmen? Nein.
Ich habe mein ganzes Leben in diesen Kreisen verbracht. Weiß was es bedeutet, Ich zu sein. Habe gelernt damit umzugehen. Fremde allerdings, die wissen das nicht.
Genau so wenig wie Stella.

Ich habe in letzter Zeit oft über sie nachgedacht. Seit ich sie in der Wohnung aufsuchte, ist mehr als ein Monat vergangen, in dem wir uns nicht gesehen haben. Es ist besser, wenn ich mich von ihr fernhalte, besonders jetzt, da noch nicht sicher ist was mit Vallians Gebiet passiert. Das heißt aber nicht, dass ich sie nicht im Auge habe. Ich habe mir Santinos Worte zu Herzen genommen und Dante ein paar Jungs abstellen lassen die vertrauenswürdig sind und sie ab und zu beschatten. Sie warten in der Dunkelheit, wenn sie das Haus auf dem Weg zur Arbeit verlässt und auf dem Weg zurück zu ihrem Apartment. Immer wenn sie rausgeht und irgendwas erledigt. Täglich erstatten sie Dante Bericht, der alles an mich weiterleitet. Sie wissen nicht wieso sie sie im Auge haben und das ist auch gut so. Niemand darf davon erfahren. Daran halte ich immer noch fest.

Gestern habe ich Nachrichten von der Gynäkologin bekommen, zu der sie geht. Sie hat sich also daran gehalten, was ich gesagt habe, und besucht sie weiter. Da Lillian auch dorthin geht, weiß ich das sie vertrauenswürdig ist und wie Santino gesagt hat, wird sie mit einem Batzen Geld abgespeist. Mir soll es recht sein, solange sie dichthält. Außerdem profitiert sie davon gleichermaßen wie wir auch.
Sie hat mir ein Update zu Stella gegeben, da diese wohl davor in ihrer Praxis gewesen sein muss. Nicht, dass ich die Ärztin darum gebeten hätte, das zu tun. Trotzdem finde ich es ... nett, dass sie mich auf dem Laufenden hält. Noch dazu hat sie ein Foto geschickt, dass ich nicht ignorieren konnte, egal wie sehr ich es wollte. Das schwarz-weiße Ultraschallbild hat mich für einige Zeit aus dem Leben gerissen. Fuck, dieses etwas sah darauf schon wie ein kleiner Mensch aus.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt