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DARIO

Die Kommission musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden, wegen einer anderen wichtigen Sache, die bei den Gallianos abgeht. Niemand weiß was davon, man hört nur Gerüchte. Mir solls recht sein. Das Geschwätz interessiert mich ohnehin nicht wirklich. Zugegeben hatte ich eh bedenken, was mein Auftreten dort angeht. Mein Vater scheint sich darüber einige Gedanken gemacht zu haben und hoch immer daran fest. Mein Onkel Giovanni hat versucht es ihm auszureden, aber ist auf taube Ohren gestoßen. Es bringt nichts, zu versuchen, die Meinung Carlo Gambinos ändern zu wollen. Nie.

Jetzt sitze ich hier an seinem runden Versammlungstisch, ein Zimmer weiter kommt er gerade durch eine Tür aus seinem Arbeitszimmer und sinkt ans Kopfende auf den Chefsessel. Es ist zehn Uhr an einem Freitagabend und ich bin mir nicht sicher, wieso Dante und ich hier sitzen, anstatt unterwegs zu sein.
Das mürrische Gesicht meines Vaters entgeht mir nicht. Auch mein Onkel, der neben ihm stehenbleibt und auf uns hinabschaut, sieht nicht erfreut aus. »Was ist passiert?«, will ich sofort wissen. Mein Vater deutet mir mit seiner Hand, stillzuschweigen. »Immer mit der ruhe, Sohn«, rügt er mich. »Es gibt Probleme mit eurem kleinen Kumpel.«
Ich werfe ante einen knappen Blick zu. »Was soll das bedeuten?«, hinterfrage ich die Worte meines Vaters. Mein Onkel atmet genervt aus. »Das der kleine Lurch nicht zahlen will. Hat uns vorhin nen Brief geschickt, in dem das stand. Er ist der Ansicht, er hätte die geliehene Summe jetzt beglichen.«

Schnaubend lehne ich mich im Sessel zurück und schüttle meinen Kopf. »Dieser kleine Hurensohn«, schimpfe ich. Was bildet der sich ein? Wir haben ihm aus der scheiße geholfen und er respektiert uns plötzlich nicht mehr? Jetzt wo sein Club läuft, will er uns loswerden. Nein, so funktioniert das nicht und das weiß er. Kleiner Pisser.
»Wir wären ohnehin gleich zu ihm gefahren. Wir klären das«, versichert Dante meinem Vater. Carlo wendet sein Gesicht mir zu. »Ich will, dass er zahlt.«
»Das wird er heute. Plus Zinsen«, meine ich trocken. Meine Gesichtszüge sind eingefroren, vor lauter Zorn, der in mir tobt wie ein Waldbrand. Solche Dinge nehme ich sehr ernst. Vor allem, weil ich sowas hätte, nicht passieren lassen dürfen. Niemals. Das fällt auf Dante und mich zurück, und ich weiß, dass mein Vater uns das übel nimmt, wenn wir es nicht richten. Er will mich testen und dieser Mistkerl ist ein verfickter Test.
»Soll er sich Urlaub nehmen?«, hake ich nach. Carlo denkt etwas lang darüber nach, trommelt mit seinen Fingern auf dem Tisch. Der goldene Ring mit dem Wappen unserer Familie prangt an seinem kleinen Finger. »Nein.« Carlos Stimme ist rauchig tief, wie die eines echten Gangsters. Seine Aura und Blicke könnten töten. Er muss nur mit der Wimper zucken, um mir den Befehl zu geben, jemanden umzulegen. Würde ich den kleinen Pisser aus dem Club erledigen? Ohne es zu hinterfragen oder zu zögern, würde ich es tun. Der wahre Kampf, wenn man ein Leben nimmt, beginnt später im Kopf. Mit der Schuld muss man ein Leben lang auskommen. Dem muss man sich bewusst sein, bevor man das tut. Jeder von uns, der den Eid geleistet hat, hat dies still mit sich ausgemacht und in Kauf genommen.
»Nein, für Urlaub ist jetzt kein passender Zeitpunkt«, brummt er. »Verstanden.« Ich erhebe mich, rutsche den Stuhl an den Tisch und richte mein Hemd. Mit einem Kopfnicken deute ich Dante, das Zimmer zu verlassen. »Ich bringe dir das Geld später, oder soll ich es Giovanni geben?«
Mein Onkel tritt auf mich zu. »Bring es mir, Junge. Dein Vater muss noch arbeiten. Du findest mich hier wieder«, antwortet er stellvertretend und klopft mir auf die Schulter. Onkel Giovanni ist gerade so groß wie ich, in seinen späten Fünfzigern und bekommt langsam einen Bierbauch. Manchmal sind wir nicht derselben Meinung, aber ich respektiere ihn so, wie ich meinen Vater respektiere. Die beiden sind zweieiige Zwillinge, die sich nicht sonderlich ähneln. Nur ihr Temperament,  in dem nehmen sie sich nichts.

Ich verabschiede mich von den beiden, wünsche ihnen noch einen schönen Abend und verschwinde aus dem Haus. Dante und Giaco warten, wie jeden Freitag, bereits im Auto. »Blöde verfickte Scheiße«, raune ich frustriert. »Drück aufs Pedal, Giaco, wir müssen dem Typen ne Abreibung verpassen.«
»Sollen wir ihn in den Urlaub schicken?«, erkundigt der Fahrer sich. Er mustert mich durch den Rückspiegel, sieht wie ich den Kopf schüttle. »Nur ne kleine Abreibung. Keine Krankenhausaufenthalte«, mache ich den beiden nochmal klar. Mein Vater will nicht, dass er per Krankenwagen abgeholt werden muss. »Schade, verdient hätte er es«, merkt Dante bissig an. Ich stimme ihm zu, dass hätte er wirklich. Der kleine Pisser wird sich gleich wundern, wenn wir im Club auftauchen. Letzte Woche war ich bei dem Besuch der Jungs nicht dabei, da ich mit meinem Vater an was anderem gearbeitet habe. Dass ich zurückkehre, wenn der Idiot sich dazu entscheidet, eine Pussy zu sein, hätte ich nicht gedacht. Er war immer kooperativ und hat pünktlich gezahlt. Was also hat sich geändert in seinem kranken Kopf?

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt