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DARIO

Das kleine Kätzchen schaut aus, als würde sie mich gleich vor Schreck ankotzen. Ihre Hautfarbe fahl, die grünen Augen weit aufgerissen, wird sie von mir an die Wand gepinnt, ohne dass ich ihr einen Ausweg lasse. Sie windet sich unter meinen Griffen, aber meine Finger habe ich wie Schraubstöcke um ihre Handgelenke geschlungen. »Wieso wehrst du dich, micina?«
»Lass mich, du Straftäter!«
Ich lasse sie in dem Glauben, dass sie fähig wäre mich von sich zu stoßen und gehe lachend einen Schritt zurück. Sie reibt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Handgelenke und flucht vor sich hin. Amüsiert schaue ich ihr dabei zu und lehne mich gegen die Kommode, die sich hier im Flur befindet. »Straftäter? Das sind Vorurteile, Kätzchen.«
»Fick dich! Sag mir nicht, du hättest nicht mindestens eine Straftat begangen und das nicht, weil du es musstest, sondern weil du es wolltest!«, wirft sie mir an den Kopf und starrt mich bissig an. Dafür, dass sie einen guten Kopf kleiner, und viel zierlicher als ich ist, scheut sie sich nicht davor, mir zu widersprechen. Erstaunlich. Dabei weiß sie nun, wer ich bin.
»Ich bin kein Kleinkrimineller, Stella. Nur weil ich einer Familie angehöre, da-«
»Da soll ich denken, du wärst nur ein klitzekleines Glied in der Kette? Nein, Gambino. Wenn du ihren Nachnamen trägst, dann bist du kein einfacher Soldat«, spuckt sie mir entgegen. Meinen Nachnamen schleudert sie mir entgegen wie ein Schimpfwort. Verächtlich und abstoßend wie Ratten in den Straßen der Stadt. Mein Lachen erstirbt. Ich überwinde den Meter zwischen uns und schiele von oben auf sie hinab. So dicht vor mir stehend, ist sie plötzlich nicht mehr so vorlaut und der Blick in ihren Augen gleicht mehr dem eines verschreckten Rehs. Süß.
»Weißt du, was ich mit jedem anderen anstellen würde, der meinen Namen durch den Dreck zieht?«, hake ich bedrohlich leise nach. Wenn ich schreie, sollte sie sich keine Gedanken machen, aber wenn ich leise werde, dann sollte sie kuschen wie eine Maus.

Quälend langsam hebe ich meine Hand an ihren Arm, streife mit meinen Fingern über ihren warmen Hals, unter dessen dünner Haut ich ihre Schlagader kräftig pochen spüre. »Ich würde dir die Zunge rausschneiden, micina. Langsam und...« Meine Finger tänzeln weiter bis zu ihrem Kiefer, dem Kinn, dass ich umschließe und mit meinem Daumen sanft über ihre Unterlippe fahre. »...dass mit einem ganz stumpfen Messer. Also sprich ihn nie wieder aus, als wäre es eine Beleidigung. Das ist er nicht. Man sollte stolz sein, ein Gambino zu sein.«
»Das bin ich aber nicht«, wispert sie gegen meinen Finger. Ein erneutes zucken dominiert meine Mundwinkel. »Aber du verstehst, was es bedeutet, dass dieses Kind ein Gambino ist, nicht?«
Ihre Augen zucken suchend zu den meinen. »Du glaubst mir also?«
»Ja.« Das mit dem Test, spreche ich nicht an. Das Wildkätzchen hat sich gerade etwas beruhigt und in dem Glauben will ich sie lassen. Denn sollte am Ende herauskommen, dass es meins ist, werde ich mir keine Schuldgefühle machen, dass ich in den letzten Monaten nicht auf es aufgepasst habe. Stella hat ja keine Ahnung, was es heißt, meinen Nachnamen zu tragen. Nicht in einer Stadt wie dieser. Das projiziert automatisch eine Zielscheibe auf ihre Stirn. Genau dass, versuche ich zu verhindern.

»Niemand wird es erfahren«, verspricht sie hauchend. »Davon bin ich überzeugt. Außerdem verstehst du sicher, dass wir uns nicht ... sehen können. Es wäre das Beste, wenn ich mich von dir fernhalte fürs Erste. Die Spannungen der letzten Ereignisse sind noch immer nicht abgeklungen und ich will nicht, dass sie dich gegen uns verwenden«, erkläre ich ihr. Sie runzelt ihre sonst aalglatte Stirn. »A-aber du bist-«
»Hier. Ich weiß. Ich musste es dir sagen. Wenn ich mit dir Kontakt aufnehmen will, werde ich es tun.«
»Also gehst du jetzt einfach und lässt mich allein damit?«, hakt sie mit wackliger Stimme nach. Ihre Augen glitzern verdächtig im schummrigen Licht, dass aus dem Wohnzimmer in den dunklen Flur fällt. Kopfschüttelnd hebe ich ihr Kinn an und streiche ihr eine dicke Haarsträhne über die Schulter. Ich erinnere mich noch genau an die Nacht, in der ich ihre lange Mähne um meine Faust geschlungen habe. An ihr liebliches Stöhnen, dass wie Musik in meinen Ohren klang und die enge ihrer Pussy, die mich in den Wahnsinn trieb. »Nein, ich komme bald wieder, micina. Du wirst es nicht ahnen oder dich darauf vorbereiten können. Leb dein Leben weiter als wäre nichts. Sprich nicht mit deiner besten Freundin und mit sonst niemandem über mich. Auf dem Tisch liegt die Visitenkarte der Ärztin, bei der wir waren. Geh zu keiner anderen, okay? Du bist dort als Patientin gelistet. Man kann ihr vertrauen«, versichere ich ihr. Überfordert nickt sie kaum merklich in meinem Griff, bevor sie sich versteift und ich nun weiß, dass ich gehen sollte. Auf dem Weg zur Tür, schaue ich ein letztes Mal zurück. Fröstelnd hat sie ihren Körper mit den Armen umschlungen und sieht mir nach. »Danke für das Essen.« Ich nicke anerkennend, bevor ich aus ihrer Wohnung verschwinde und die Treppen hinabeile. Auf den Fahrstuhl warte ich nicht noch.

Die Kälte schlägt mir beim Verlassen des Mietshauses entgegen wie eine Wand. Es nieselt mir ins Gesicht, die Lichter der Stadt spiegeln sich auf den nassen Straßen. Mit gesenktem Kopf mache ich mich auf den Weg zum schwarzen SUV, in dem Dante auf mich wartet. »Endlich«, brummt er gelangweilt, »können wir?«
Nickend knalle ich die Tür zu und deute, dass er losfahren soll. Während er abbiegt, zünde ich mir eine Zigarette an und lehne meinen Kopf gegen die kalt feuchte Scheibe, die einen Schlitz geöffnet ist, damit der Rauch entweichen kann.
»Wie wars?«, erkundigt Dante sich nach einer Weile der Stille. Das Radio läuft leise im Hintergrund und erfüllt das innere des Geländewagens mit ihren sanften Klängen. Scheibenwischer vertreiben den Regen von der Frontscheibe. Das Klicken des Blinkers hallt mir in den Ohren nach. In mir sieht es so aus, wie draußen. Donner grollt durch den Himmel, Blitze erhellen die Nacht. »Hab ihr klargemacht, was kommen wird«, antworte ich nachdenklich und starre auf die nassen Straßen des Big Apples.
»Wie hat sie's aufgenommen?«
»Besser als erwartet«, gebe ich zu. Ehrlicherweise hätte ich gedacht, sie bewirft mich mit etwas. Aber das hat sie nicht getan, was mich wahrlich verwundert.
»Gut, dann können wir uns jetzt wieder dem Thema mit den Vallians widmen, oder? Gibt es immer noch keinen neuen Termin für die Kommission? Der Rat wird es doch nicht ewig aufschieben, oder?« Er durchlöchert mich mit fragen, von denen mein Schädel brummt. »Nein, es gibt noch keinen neuen Termin, soweit ich weiß. Wie siehts aus mit den Iren?«
»Bis jetzt halten sie die Füße still. Es ist jetzt fast ein Jahr her, seit Julian gestorben ist. Glaubst du nicht, dass die was planen, um sich die Geschäfte unter den Nagel zu reißen?«
»Die scheiß Iren sind nicht einschätzbar, man. Ich glaube das sie uns durchaus zum Problem werden könnten, aber keine Ahnung. Lass uns erstmal ein Auge auf Bobby haben. Immerhin müssen wir Morgen wieder hin«, erinnere ich meinen besten Freund. Mal sehen, ob der verkokste Clubbesitzer endlich zur Vernunft gekommen ist, oder ob ihm letzte Woche, keine Lehre war. Eins ist aber gewiss, schon bald wird uns die Hälfte des Clubs gehören. Egal wie er sich entschieden hat.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt