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STELLA
Drei Wochen später...

Seit dem Tag, den ich mit Kim verbrachte, liege ich flach. Ich habe mir vermutlich an diesem regnerischen Samstag eine Grippe eingefangen, die mich ans Bett fesselt. Von der Arbeit bin ich seit dem Tag krankgeschrieben, was Mister Greenwich alles andere als erfreut hat. Aber was soll ich machen? Wenn das Fieber sich eingependelt hat, ist da die Übelkeit und der schreckliche Schmerz in meinen Knochen, welcher es ,mir nicht möglich macht, zu arbeiten. Da kann er so viel schimpfen, wie er will.
Jetzt ist Montag und die Krämpfe haben etwas nachgelassen, das Fieber ist gesunken, aber das unwohle Gefühl in meinem Magen stets präsent. Es will partout nicht verschwinden und treibt mich fast in den Wahnsinn.
»Stel, so kann es nicht weitergehen!«, schimpft Kim, als sie das Wohnzimmer betritt. Mich auf dem Sofa unter der Decke verkriechend, stoße ich einen stöhnenden Ton aus. »Lass mich.«
»Der Arzt hat doch gesagt, dass es dir schon wieder besser geht. Die Grippe ist fast vorüber.«
»Ich fühle mich aber nicht so!«, stelle ich klar. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist wie, als ob man mir die Eingeweide langsam umdreht und danach rausreißt. Es wird einfach nicht besser. »Ich bilde mir das ja nicht ein...«
»Behauptet ja auch niemand, Schätzchen«, versichert Kim mir und streicht mir über meine Haare. Die kalte Dusche, die ich heute Morgen genommen habe, hat etwas geholfen, doch das Gefühl ist längst verflogen. Erschöpft lege ich meinen Kopf auf dem Kissen ab und schließe meine Augen. »Wieso bist du überhaupt hier?«, möchte ich wissen. Ich merke, wie das abgesenkte Sofa sich wieder anhebt. »Um dir etwas zu kochen. Ich habe Gemüse aufgesetzt, um dir eine Suppe zu machen. Vielleicht verträgst du die ja«, erklärt die Blonde ihr erscheinen. Mühsam öffne ich ein Auge, sehe noch wie sie in die Küche läuft, bevor ich friedlich einschlafe.

Irgendwann weckt Kim mich mit einer dampfenden Schüssel in der Hand. Nur widerwillig raufe ich mich auf, lehne mich angestrengt gegen die Lehne und ziehe meine Knie an, auf der ich die heiße Schüssel abstelle, die sie mir reicht. Seufzend fällt Kim neben mir aufs Sofa und knipst sich durch die Sender, bis sie auf einer Soap hängenbleibt und diese uns besudelt, während wir zusammen Suppe in meinem Wohnzimmer essen. »Schmeckt sehr gut, danke«, wispere ich mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen. Sie winkt ab. »Freut mich, iss schön auf.« Ich verdrehe gespielt meine Augen. »Ja, Mama.«
Dafür kassiere ich einen Schlag gegen den Arm. »Au«, nuschle ich, kann mir aber kein schmunzeln verkneifen. Kim zuckt mit den Schultern. »Karma.«
»Sag mal«, fängt sie, nach dem Essen in der Küche stehend an. Ich höre den Wasserhahn, zeitgleich klappert sie mit dem Porzellan. »Habt ihr eigentlich gevögelt?«
»Hm?«, hake ich verwundert nach. Kim erscheint im Türrahmen, trocknet sich die Finger ab und betrachtet mich neugierig. »Du und der Fremde. Oder war das nur ein Blowjob?«, hilft sie mir auf die Sprünge. Mit meiner letzten Kraft schmeiße ich sie mit einem Kissen ab. »Das geht dich gar nichts an.«
»Ich meine ja nur. Habt ihr dann wenigstens n Gummi benutzt?«
Woher kommt ihre plötzliche Neugier?
Mir muss die Verwirrung ins Gesicht geschrieben sein, denn Kim verdreht ihre Augen, lässt das Geschirrtuch sinken und macht ein paar Schritte auf mich zu. »Stella? Habt ihr eins benutzt?«, hakt sie eindringlich nach. Ertappt zucke ich mit den Schultern. »Keine Ahnung, okay? Ich war schrecklich betrunken.« beschämt vergrabe ich mein blasses Gesicht in meinen Handflächen. Das ist die Wahrheit. Ich kann mich kaum an die zwei Nächte erinnern, nur daran, wie unglaublich es war. Aber ob wie Verhütet haben, kann ich ihr nicht beantworten. Scheiße, dass sollte ich wissen.
Der entsetzte Blick meiner besten Freundin ist nicht misszuverstehen. »Stella!« Ihre vorwurfsvollen Blicke treffen mich knallhart. »Ich werde jetzt was besorgen und du bleibst genau hier sitzen, klar? Ich nehm deinen Schlüssel. Bin gleich wieder da«, macht sie mir klar.

In der Zeit, in der sie verschwunden ist, rühre ich mich nicht vom Fleck. Viel zu viele Gedanken schießen mir in diesen zehn Minuten, die sie braucht, um zurückzukehren, durch den Kopf. Denn das, was sie glaubt, würde den verlauf meines restlichen Lebens komplett verändern. Alles verändern. Scheiße. Ich versuche nicht durchzudrehen, aber es macht es auch nicht besser, die Packung in den Händen zu halten, und den Test auszupacken. »Mach schon, ich stelle einen Timer«, fordert Kim mich nervös auf. Schleppend laufe ich ins Bad, tue was ich tun muss, und stecke ihn zurück in die Packung. Ich pfeffere sie neben Kim, falle aufs Sofa zurück und kuschle mich zurück unter meine Decke. Hibbelig wippt sie mit ihren Füßen, verfolgt gespannt den Timer auf ihrem Telefon. Ich hingegen, erleide fast einen Herzstillstand in diesen fünf Minuten, die wir warten müssen. »Ist das nicht noch ein bisschen früh, ich meine-«
»Nein. Wann hättest du deine Periode gehabt?«, fährt sie mir sofort über den Mund, ohne die Augen von ihrem Handy zu nehmen. Schulterzuckend sinke ich tiefer in die Polster. »Keine Ahnung, weiß nicht.«
»Hm«, sagt Kim und hält mir die Packung unter die Nase. »Fünf Minuten sind um. Mach auf, ich will wissen, ob ich Tante werde«, fordert sie mich knallhart auf. Sie weldet mit der Schachtel unter meiner Nase rum, bis ich sie ihr aus den Händen schnappe, mich wieder aufrichte und hineingreife. Meine Finger zittern wie nie zuvor. Mir ist speiübel, diesmal nicht vom Essen, sondern vor lauter Angst. Ich greife nach dem Plastik ding, ziehe es ans Tageslicht und schlage die Hände über dem Gesicht zusammen. Nein.

»Oh mein Gott«, nuschelt auch Kim überfordert. Schluchzend ziehe ich mir die Decke über den Kopf und falle nach rechts in die Kissen. Das darf nicht wahr sein! Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hätte vorsichtiger sein sollen. Vor allem, nachdem ich mich kaum daran erinnern konnte. Scheiße, das war ein Fehler. Ich hätte mir die Pille danach besorgen müssen oder irgendwas tun, verdammt. Ich kann jetzt nicht Mutter werden. Vor allem nicht allein! So ein Baby das braucht doch ... Eltern. Nicht nur ein Teil, sondern beide.

»Oh Stel, das bekommen wir schon hin«, versichert meine beste Freundin mir. Sie reibt mir mitfühlend über den Rücken, zupft mir die Decke vorsichtig vom Gesicht und umarmt mich. Sie ist einfach für mich da, ohne große Worte oder mir Schuldgefühle zu machen. Von denen mache ich mir ohnehin bereits viel zu viele. »Ich kenne ja nicht mal seinen Namen«, weine ich erschüttert. »Wie soll ich ihn da finden und ihm das Erklären?«
»Er war doch im Club, oder nicht? Immer freitags, wenn wir auch da waren. Lass uns Freitag hingegen, wenn's dir besser geht, und ihn suchen. Ich bin sicher, dass klärt sich alles. Und wenn nicht, dann zieht ihr einfach bei Tante Kim ein.« Ich weiß, dass sie versucht mich aufzuheitern, aber gerade wäre mir nach schreien zu mute. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt