16

1.6K 125 7
                                    

STELLA

Mein Schädel brummt.
Stetig piepst etwas in meinen Ohren, raubt mir den Schlaf. Meine Augenlider sind träge, ich schaffe es nicht sie zu öffnen. Mein Bewusstsein schwebt in dieser dunklen Masse, aus der ich nicht herauskomme, obwohl ich spüre und höre was um mich passiert. Irgendwo klappert Metall, Menschen sprechen miteinander, dann fühle ich eine spitze Nadel an meinem Handrücken, kalte Flüssigkeiten in meinen Venen und einen nassen Lappen auf meinem Gesicht. Dann ist da wieder die Stille, die mich verschluckt. Jemand bettet mich in weichen Kissen, bedeckt meinen Körper mit einer warmen Decke. Alles in mir kribbelt. Ich fühle keinen Schmerz. Wie unnatürlich...
Was ... was ist überhaupt geschehen? Ich kann mich nur daran erinnern, dass Kim und ich Essen bestellt haben. Dann ist alles schwarz.

»Ich will jeden Bastard finden, der dafür verantwortlich ist!«, bellt eine dunkle Stimme irgendwann unweit meines Bettes.
»Ja, ich hab alle darauf angesetzt. Dein Vater hat Fragen und-«
»Scheiße, ist mir egal was er für Fragen hat. Er kümmert mich gerade einen Scheiß.«
»Schon gut, beruhig dich einfach mal ein bisschen.«
»Beruhigen?«, höhnt die Stimme, die mir ein paar Mal in den Ohren nachhallt.
»Beruhigen? Ich weiß weder wer hinter diesem Anschlag steckt, noch wie schlimm es ist, klar? Also sag du Pisser mir nicht, dass ich mich beruhigen soll!«, blafft er den anderen an. Die Stimme kommt mir vertraut vor. Ist das ... der Gambino Mann? Nein, oder? Wieso sollte er hier sein? Wegen mir?
Der sterile Geruch von Desinfektion liegt in der Luft. Bin ich etwa im Krankenhaus?
Gott, mein Schädel dröhnt, als hätte ich drei Tage lang getrunken.
»Schon klar, wie gesagt ich hab alle darauf angesetzt und dein Vater hat es priorisiert. Irgendwas läuft hier falsch.«
»Das kannst du laut sagen, fuck. Das ist ne größere Scheiße wie das, was zwischen den Benellis und Vallians passiert ist. Ein verficktes Restaurant in die Luft sprengen? Ich will jeden der daran verwickelt ist, vor mir knien sehen und-«

»Sir?«, unterbricht ein Fremder seine polternde Stimme. Schritte kommen näher, eine Tür schließt sich hörbar und sperrt die Geräusche des Flures aus. Nur noch das Piepen der Maschine, die im gleichen Takt Geräusche von sich gibt, wie mein Herz schlägt.
»Sind die Ergebnisse da?«
»Sind sie. Wollen sie sich setzen?«
»Ich will mich jetzt auf keinen verfickten Stuhl setzen. Spucken Sie's aus, bevor ich die Station zerlege«, warnt er den Fremden, vermutlich Arzt ist. Dieser stößt ein Seufzen aus. »Mister Gambino. Wir alle hier wissen es sehr wertzuschätzen, was ihre Familie für dieses Krankenhaus tut. Deswegen haben wir ihr Bestes getan, um Miss Owen zu behandeln. Durch den Aufprall hat sie sich eine Fraktur des linken Unterarms zugezogen und ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades erlitten. Sie ist glücklich gefallen und das meiste an Schutt über sie hinweg geflogen. Es hätte viel Schlimmer ausgehen können. Sie hatte wohl einen Schutzengel.«
»Was ist mit...« Er lässt seinen Satz unbeendet.
»Dem Baby geht es gut, falls sie das meinen. Die beiden werden jetzt engmaschig von uns beobachtet. Draußen warten zwei Herrschaften des NYPDs auf sie.«
»Sagen sie ihnen, jetzt nicht.«
»In Ordnung Sir. Klingeln sie bitte, wenn sie aufwacht. Ich werde die Deputies derweil anweisen, dass sie später wiederkommen sollen.« Erneut erklingt die Tür. Ich vermute, dass der Arzt wieder weg ist.
»Fuck wir blasen dem Krankenhaus so viel Geld in den Arsch da sollte man meinen da könnten sie auch die Ratten draußenhalten«, knurrt der Italiener ungehalten.
»Dein Vater ruft mich an. Ich werde mal gehen und sehen, was ich für ihn tuen kann. Schreib mir eine Nachricht, wenn sie aufwacht, okay?«
»Danke Dante. Sag ihm, ich spreche später mit ihm.«
»Das richte ich dem Boss aus.«
Auch hinter ihm fällt die Tür zu. Sobald wir allein sind, atmet der Gambino Sohn tief aus. Ich bin mir nun sicher, dass sein Vater wohl der Kopf der Familie sein muss. Eine andere Erklärung, fällt mir schlichtweg nicht ein. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, holt mich die Dunkelheit erneut ein und verschluckt mich.

~

Träge kippt mein Kopf irgendwann zur Seite, als der Nebel in meinem Hirn sich lichtet. Warmweißes Licht blendet mich, obwohl es nur diffus in den Raum abstrahlt und das Zimmer wie ein Hotelzimmer wirken lässt. Zwei Decken, mehrere Kissen, ein großer Fernseher und bequeme Sessel. Nur die piepende Maschine und der Beutel, der neben dem Bett hängt, passen nicht da hinein. Müde wandern meine Augen zu meinem bandagierten Arm, dem Handrücken, der Nadel darin über die Decke weiter hinab. Vor den breiten Fenstern steht der dunkelhaarige und blickt grimmig auf die Stadt hinab. Am Nachthimmel bahnt sich ein Helikopter an und die Bürogebäude reflektieren die ersten Sonnenstrahlen.

»Wie fühlst du dich?«, fragt er ruhig, neigt sein Gesicht über die Schulter, bevor er sich endgültig zu mir dreht und mit großen Schritten auf das Bett zuhält. Er sinkt auf die Kante der Matratze, die unter seinem Gewicht nachgibt und sich absenkt. Dabei behalten seine Augen mich stets im Blick.
»Wie verkatert«, hauche ich mich kratziger Stimme. Meine Mundwinkel zucken, doch die seine sind weiter auf den Boden gerichtet. »Was ist?«, frage ich ihn. Meine Finger zucken, berühren den Stoff seiner Jeans. »Du hattest Glück, Stella. Pures Glück. An was kannst du dich erinnern?«, möchte er wissen. Seine Pupillen fahren akribisch genau über meinen Körper, bevor sie sich erneut auf die meine legen.
Ausatmend sinke ich tiefer in die weichen Kissen und schließe meine Augen für einen Moment, um meine Kräfte zu sammeln. »Ich weiß nicht«, gestehe ich. »Kim und ich waren Essen und dann ...« Unsere Blicke kreuzen sich. Der Italiener nickt, streckt seine Hand nach etwas neben meinem Bett aus, bevor er sie wieder zurückzieht und mich betrachtet. »Dein Unterarm ist gebrochen und du hast eine üble Beule, die geblutet hat. Sonst bist du okay.«
»Und Kim? Kannst du ... kannst du bitte herausfinden, was mit ihr ist?«, flehe ich kraftlos. Tränen verschleiern meine Sicht. Trotzdem sehe ich ihn nicken, gerade als die Tür sich öffnet. »Ich werde sehen, was ich machen kann, während die Ärzte sich um dich kümmern«, versichert er mir. Er zieht sich vom Bett zurück und verlässt das Zimmer mit einem Telefon am Ohr. Mehrere Ärzte stehen um mich herum, die beginnen an mir herumzufummeln und auf mich einzureden. Das Rauschen in meinen Ohren übertönt sie alle. Gott, was ist nur passiert?

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt