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DARIO

Das blöde Mistwetter will einfach nicht aufhören. Tagelang hängen die mausgrauen Wolken bereits über der Stadt und bescheren nichts als regen. Mehr als diese nasskälte, ist nicht drin. Nicht zu wundern, dass ich bereits den ganzen Tag diese verschissenen Kopfschmerzen habe, die meine Zündschnur auf ein Minimum hat schrumpfen lassen. Fuck, noch dazu muss ich Dinge für meinen Vater erledigen, bei denen das sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein kann. Ich weiß nicht, was ich im Moment besser gebrauchen könnte und was nicht. Bobby, der Nachtclubbesitzer macht leider immer noch nicht das, was wir gern hätten, weil ihn die Iren einfach nicht in Ruhe lassen. So wie mir zu Ohren gekommen ist, blockieren sie gerade eine Lieferung Spirituosen für den Club. Da wir jetzt Miteigentümer sind, muss ich mich der Sache annehmen und das ein für alle Mal klären, um mich danach wieder auf wichtigere Sachen zu konzentrieren. Zum Beispiel, wer für den Anschlag auf Stella verantwortlich ist. Ob sie da auch ihre Finger im Spiel hatten?
Genervt schiebe ich ein volles Magazin in meine Pistole und entsichere sie. Giaco steuert den Wagen zielstrebig durch die vollen Straßen des Big Apples. Dante hat mir vor einer halben Stunde geschrieben, dass er sich selbst auf den Weg machen wird. Er war zuvor noch an einer anderen Sache dran, die kurzfristig erledigt werden musste. Soweit ich meinem Onkel heute Morgen folgen konnte, meinte dieser das er meinen besten Freund dazu abbestellt hatte, sich um die Lieferung am Fischmarkt zu kümmern. Mehrmals die Woche kommen dort Waren in den Containern an, die umgelagert und weiter distribuiert werden müssen. Das ist ihn dafür entbehren musste, gefällt mir nicht. Es bedeutet nur, dass er einen längeren Anreiseweg als wir hat. Mierda.
»Bieg hier ab«, bitte ich Giaco an der nächsten Kreuzung. Von dort sind wir schneller am Club. Giaco lenkt den Wagen gekonnt in eine der Seitenstraßen, biegt ein paar Blocks weiter in eine unscheinbare Gasse ab. Nur spärlich wird der Asphalt zwischen den hohen Wohnhäusern ausgestrahlt. An Mülltonnen und Hinterhöfen vorbei, gelangen wir zum Lastwagen, der Getränke für den Club liefern soll. Beim Aussteigen entdecke ich eine Gruppe Männer, dessen Größe ich erst voll ausmachen kann, als ich mit Giaco an der Ladefläche ankomme.
»Was wird das hier?«, durchschneidet meine Stimme lautstark die Diskussionen. Die Iren, die ein Fass Bier in der Mangel haben, verstummen sofort.
»Die blockieren meine Lieferung!«, brüllt Bobby sofort von der Seite. Das kleine Arschloch, steht mit ausgestrecktem Arm abseits und zeigt auf den Rotkopf, der der Anführer der Truppe zu sein scheint. Scheiße, der erfüllt ja voll das Klischee.
»Halts Maul, Bobby«, feixe ich und wende mich an die, die die Arbeit des Lieferanten stören.
»Was wollt ihr hier? Der Club ist Territorium der Gambinos.«
Amüsiert lehnt der rothaarige sich gegen das Fass. »Wir haben schon Ansprüche auf den Schuppen gehabt, da wart ihr nicht mal übergesetzt aus eurem Nudelland.«
Er mustert mich abschätzig, billigt, dass ich mit verzogener Miene einen Schritt auf ihn zu mache. »Verpisst euch ihr kleinen Kobolde. Bobby hat euch letztens schon klar gemacht, dass ihr keine Ansprüche an seinem Laden stellen könnt«, wiederhole ich die Worte des Besitzers noch einmal. Der kleine Rotschopf geht mir gehörig auf die Nüsse. Was fällt denen ein? Sie haben bereits Hells Kitchen und das ist mehr als einen Katzensprung entfernt. Dieser Viertel, in dem Bobby seinen Club hat, gehört seit Jahrzehnten zu unserem Gebiet.

»Aber du schon, Gambino?«, hakt der Ire nach. Seine Worte ignorierend wende ich mich an Giaco. »Sorg dafür, dass der Lieferant weiter seinen Job macht.« Er nickt eilig und wendet sich an die Männer, die wir mitgebracht haben. Im Augenwinkel sehe ich noch, dass ein dritter Jeep in der Gasse parkt und Dante herausspringt. Endlich. Nun sind wir den Regenbogenscheißern überlegen.

Mit einem abschätzigen Ausdruck in den Augen, wende ich mich also wieder an Rotschopf. »Habt ihr nicht genug zu tun, um euch Vallians Gebiet unter den Nagel zu reißen? Oder will dein Boss jetzt anderweitig expandieren?«, hake ich nach. Rotschopf fuchtelt mit seiner Hand in der Luft herum. »Was reizt euch denn so an dem Schuppen?«
»Beantworte meine Frage!«
»Beantworte sie dir doch selbst, Nudelfresser.«
Ich mache einen Satz nach vorn, im gleichen Moment hält mich eine Hand vor der Brust zurück und Dante tritt neben mich. Er platziert sie auf meiner Schulter, gräbt seine Finger in den Stoff meines Hemds und räuspert sich. »Glaubt ihr, euer Boss wäre erfreut, wenn ihr euch jetzt mit uns anlegt? Wir sind euch überlegen und im Recht, uns und unser Gebiet zu verteidigen, Kobold. Geht und lasst die Lieferanten hier ihre Arbeit machen, bevor es unschön wird«, bellt er. Der Ire stößt sich endlich vom Fass ab. »Gut, wenigstens einer scheint vernünftig zu sein. Aber glaub nicht, dass wir so einfach aufgeben werden«, versichert der Ire mir. Er pfeift seine Männer zurück, verharrt noch einen Moment, um mir erneut mit seinen Augen klarzumachen, was er von mir hält. »Hey«, halte ich ihn auf und mache noch einen Schritt nach vorn. »Wart ihr das mit dem Restaurant?«
Scheinheilig lächelt Rotschopf mich an, schüttelt jedoch mit dem Kopf. »Muss wohl jemand anderes gewesen sein. Wir sind immerhin nicht die einzigen, auf dessen Liste ihr steht, Gambino.«
Noch bevor ich ihn fragen kann, was er damit meint, ist er verschwunden. Seine Worte jedoch, hallen mir noch einige Male in de Ohren nach.

»Glaubst du, er lügt?«, raunt Dante skeptisch. Ich wende mich ihm zu und mache auf dem Absatz kehrt. »Sicher. Die haben doch immer Dreck am Stecken. Hast du mit dem Informanten beim FBI gesprochen?«
Mein bester Freund nickt und zückt sein Telefon. Er zeigt mir ein Foto von einem Dokument, auf dessen oberer Ecke das Logo des Federal Bureau of Investigation abgebildet ist. »Das hab ich gestern Abend bei deinem Onkel abgegeben. Er hat es dir nicht gegeben?«
Dantes furchen auf der Stirn werden sekündlich tiefer, ebenso wie die meine. Ich schüttle meinen Kopf. »Nein, ich habe ihn heute noch nicht zu Gesicht bekommen. Vielleicht wollte er es später noch machen.«
»Mhm, vielleicht. Wie auch immer. Das Dokument belegt, dass die Angreifer eine Bombe aus C4 verwendet haben, um das Restaurant in die Luft zu sprengen. Erinnerst du dich an den Vorfall, bei dem ein Truck vom Watervliet Arsenal auf dem Weg nach Fort Drum gekidnappt wurde?«

Vor ein paar Jahren ereignete sich dieser Zwischenfall. Er war überall in den Nachrichten. Das FBI, Homeland Security, alle haben danach gesucht, doch niemand hat es gefunden. Es wurde ein millionenschweres Kopfgeld auf die Täter ausgesetzt, auf Hinweise, die den Behörden weiterhelfen würden. Nun soll ein Teil davon ausgerechnet wieder aufgetaucht sein und das ausgerechnet bei dem Anschlag aufs Restaurant?
»Ja... ich erinnere mich. Das C4, das ist vom Militär«, stelle ich fest. Nun bin ich noch verwirrter als zuvor. Denn mittlerweile ist klar, dass es keine Amateure waren, die versuchten, Stella umzubringen. Jemand, der fähig ist, militärisches Eigentum zu stehlen, steckt dahinter. Und das könnte in unseren Kreisen leider jeder sein. Fuck.
»Denkst du, die Iren wären zu sowas fähig?«
»Vielleicht. Die Handeln schon seit Urzeiten mit Waffen, wieso also nicht auch mit sowas?«
»Oder jemand sponsort sie.«
Der Gedanke, den Dante da gerade laut ausgesprochen hat, den hatte ich auch schon. Nur finde ich im Moment keinen Anhaltspunkt, um zu belegen, wer das gewesen sein soll. Die Liste mit Personen, die uns nicht mögen ist lang. Das bestätigt auch die Aussage des Iren gerade eben. Fragt sich nur, wer zu solchen Mitteln greifen würde, um sicherzugehen, dass mein Nachfolger stirbt. Mag sein, dass die Iren nur das ausführende Organ und nicht der Kopf der Sache sind. »Scheiße Dante, ich könnte dich gerade küssen«, lasse ich ihn wissen. Mein bester Freund schnappt sich sein Handy zurück aus der Hand und boxt mir gegen den Oberarm. »Hör auf mit dem scheiß.«

Ich lache, auch wenn mir danach nicht zumute ist. Wenigstens die Sache mit Bobbys Lieferant konnten wir klären, ohne dass es ausgeartet ist. Der sich nähernde Clubbesitzer will gerade etwas zu mir sagen, als mein Telefon vibriert. Verwundert ziehe ich es aus dem Futter meiner Hosentasche. Mein Herz bleibt kurz stehen, als ich den Namen auf dem Display lese. Es ist einer der Männer, die Stella sicher zu ihrem Termin fahren sollten. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen nehme ich den Anruf an und sehe zu Dante. Der versteht schnell und entfernt sich mit Bobby, damit ich allein bin. Ungeduldig laufe ich zum Jeep, mit dem wir hergekommen sind. »Was ist?«, frage ich in den Hörer. In der Leitung sind mehrere Stimmen zu hören. Laute Schritte, dann ein Knistern. Kurz darauf wird es still und die Stimme des Bodyguards klarer. »Sir, wir sind in der Praxis, kommen Sie bitte her.«

Alarmierend schnippt mein Kopf nach oben und meine freie Hand zieht sich langsam zu einer Faust zusammen. »Was ist geschehen?«, verlange ich zu wissen. Allein zu wissen, dass etwas passiert sein muss, gefriert mir das Blut in den Adern. Ich winke Giaco heran, der sich sofort von den anderen abkapselt und auf mich zukommt. Er scheint zu sehen, dass etwas nicht stimmt.
»Sir, sie-«
»Sprich verdammt!«, keife ich ins Telefon. Wieso sagt er verflucht nochmal nichts?
»Miss Owens wurde attackiert. Ihr geht es so weit gut, aber-«
»Bin unterwegs. Gnade euch Gott, wenn ihr euch noch einen Millimeter von ihr wegbewegt!«, fahre ich ihm über den Mund und reiße die Tür des Geländewagens auf. Der Sturm, der in mir wütet, ist nicht annähernd so verehrend, wie das was ich tun werde, wenn ich herausfinde, wer es wagt, meine Frau anzugreifen.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt