Epilog

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STELLA

Neun Monate vergehen erstaunlich schnell, auch wenn es einem manchmal so vorkommt es würde die Zeit stehenbleiben. Am Ende verfliegt sie nur so und bevor man sich versieht, kann man seine Füße nicht mehr sehen, sich die Schuhe nicht selbst zubinden und nicht mehr in die Hocke gehen. Dann wälzt man sich im Bett herum, weil meine keine erträgliche Position zum Schlafen findet und sobald man ein bisschen bequem liegt, meldet sich die volle Blase wieder und man muss aufstehen. Aber das größte, dass was mich am meisten aufregt, ist wohl der Fakt, dass ich für alles um Hilfe bitten muss.
Jetzt liege ich wieder wach, während die Betthälfte hinter mir leer ist. Dario ist in den letzten Nächten oft weg um Dinge für seinen Vater zu erledigen, obwohl er mir versprach da zu sein. Ich weiß, dass er sich auf seinen Posten als Boss vorbereiten muss, aber das liegt noch in weiter Ferne. Zumindest hat er mir das so gesagt. Er wollte sich auf uns konzentrieren. Auf mich und unseren Sohn. Doch jetzt liege ich mal weder allein hier und mache mir Sorgen, um das kleine Wesen in meinem Bauch. Es ist still geworden, was normalerweise um diese Uhrzeit nicht der Fall wäre. Normalerweise dreht es sich und tritt mich und hält mich wach. Jetzt ist es still. Schläft es etwa?

Nachdenklich fahren mein Finger unter die Bettdecke und mein Shirt. Mein Bauch fühlt sich ungewöhnlich hart an. Abwägend, ob ich Dario schreiben sollte oder einfach versuchen wieder zu schlafen, spüre ich plötzlich, wie nass es zwischen meinen Schenkeln wird. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Baby auf meine Blase drückt, oder ob es meine Fruchtblase ist, die gerade platzte. »Mist.« Mit Rückenschmerzen quäle ich mich hoch und schiebe mir die Decke von den Füßen. Das nasse Fleck auf den Laken, welches stetig größer wird, gibt mir zu denken. Ich kann mir unmöglich eingepinkelt haben, oder?
Langsam rutsche ich aus dem hohen Bett mit den Füßen auf den Teppich. Genau in diesem Moment durchfährt mich ein ziehender Schmerz und zwingt mich innezuhalten. Das war ganz sicher meine Fruchtblase. Scheiße.
In der Dämmerung, die das Zimmer kaum erhellt, angle ich mir mein Telefon vom Nachttisch und entsperre es. Ein weiterer Schmerz durchfährt mich und das Gefühl in meinem Unterleib verstärkt sich. Ich wähle Darios Nummer doch wie vermutet, geht er nicht ans Telefon. Also muss ich ihm notgedrungen eine Nachricht hinterlassen und darauf hoffen, dass er sie so bald wie möglich sieht. Bevor es zu spät ist und ich allein dieses Kind hier bekomme. Scheiße verdammt!

Nicht mal seine Eltern sind im Haus. Sie sind übers Wochenende zu Freunden in die Hamptons gefahren und kehren erst in zwei Tagen zurück in die Stadtvilla. Ich könnte die Security verständigen aber was können die schon ausrichten? Sie könnten auch nur versuchen, Dario übers Telefon zu erreichen. Die Situation ist aussichtslos. Ich schleppe mich ins Badezimmer, steige unter die Dusche und kleide mich anschließend neu ein. Frisch umgezogen, zerre ich eine Tasche aus dem Schrank und werfe sie auf Darios leere Seite. Bei jedem Schritt den ich mache, zieht es in meinem Unterleib und Rücken ein bisschen stärker. Ich werfe das erste was ich greifen kann hinein, muss dabei immer wieder Pausen machen, weil mich die Schmerzen überrennen. Keuchend stütze ich mich auf dem Bett ab und lasse den Kopf hängen. Ausatmend warte ich, bis die Wehe vorüber ist und meine Knie sich nicht mehr wie Wackelpudding anfühlen, bevor ich ins Kinderzimmer gehe und den kleinen Stapel greife, den ich für solche Fälle bereits gepackt hatte. Ich schaffe es allerdings nicht mehr, die schwere Tasche die Treppe runter zu tragen, also lasse ich sie fallen und lasse sie am Fuße der Treppe einfach liegen. Auf meinem Weg ins Wohnzimmer tippe ich immer wieder Nachrichten an Dario, der sie natürlich nicht liest. Fuck!
Ich weiß langsam nicht mehr, was ich tun soll. Das einzige was mir noch einfällt ist das Tablet in der Wand. Ich grabe meine Finger in den Türrahmen, tippe hektisch darauf herum und drücke den Knopf, der für Notfälle da ist. Dann kann ich nur warten. In der Dunkelheit des Wohnzimmers stütze ich mich mit den Unterarmen stöhnend auf der Lehne des Sofas ab und schließe die Augen. Es fühlt sich an, als würde gleich alles wie ein Wasserfall aus meinem Unterleib brechen. Ich bin froh, dass ich kurz darauf das entriegeln der Tür höre und zwei Männer neben mir im Penthouse stehen.
»Signora?«, fragt der eine besorgt nach und nähert sich mir. »Krankenwagen«, keuche ich atemlos. Sie reagieren sofort.
»Setzen sie sich.«
»Nein«, stöhne ich während sein Kollege den Krankenwagen ruft. »Ich will mich nicht setzen.«
»Weiß Signor Gambino bereits Bescheid?«
»Der Idiot geht nicht an sein Telefon! Was denken sie denn?«
»Okay, bleiben sie ruhig.«
Bissig pfeffere ich ein Kissen nach dem, der es sagte. »Ich will mich nicht beruhigen verfickt nochmal! Ich habe schmerzen und der Vater meines Kindes hält es nicht für nötig ans Telefon zu gehen!«
Meine Worte werden von Schluchzern verschluckt. Tränen rinnen über meine Wangen und Tropfen auf die Sofabezüge. Ich will das Dario bei mir ist. Ich schaffe das nicht alleine.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt