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STELLA

Samstagabend stehe ich vor dem Ganzkörperspiegel in meinem neuen Schlafzimmer und betrachte mich. Nachdem ich heute Morgen vom Frühstück zurück auf mein Zimmer gekehrt war, fand ich eine Schachtel mit einer teuren Bluse darin wieder und einem Zettel auf dem stand das ich diese heute Abend zum Essen tragen soll. Ich hatte kurzzeitig völlig vergessen, dass Santino und Lillian uns eingeladen hatten. Ich bin schrecklich nervös und hoffe, dass es ein guter Abend wird. Ich kenne die beiden nicht. Über Santino nur das, was man über seine Familie in den Medien erzählt. Ich versuche mir von diesen Infos kein Urteil über ihn zu bilden, auch wenn mir das schwerer fällt als zuerst vermutet. Fast ein ganzes Jahr ging diese blutige Fehde, die die Stadt lahmlegte. Und dass nur wegen ... wegen was eigentlich?
»Bist du fertig?«, hakt eine raue Stimme nach. Ich hebe meine Augen, fixiere durch den Spiegel seine Umrisse an, die ich im Türrahmen lehnend ausmache. Er trägt ein graues Hemd, eine passende Hose und diese Lackschuhe, die ich schon öfters an ihm gesehen habe. Gott sieht er gut aus.

Unsicher verlagere ich mein Gewicht vom einen aufs andere Bein und betrachte meine Jeans und die schwarze Seidenbluse ein letztes Mal. »Ja, du auch?« Ich drehe mich auf der Stelle stehend zu ihm herum. Er macht keinen Hehl daraus, mit welch verstohlenem Blick er mich studiert. »Mhm, komm. Sie warten sicher schon.« Er stößt sich vom Türrahmen mit der Schulter ab und tritt aus meinem Sichtfeld. Ich eile ihm hinterher, schiebe im Laufen den Ärmel über meinen bandagierten Unterarm. Es schmerzt noch etwas, doch sollte bald verheilt sein. »Wo warst du gestern eigentlich?«, erkundige ich mich neugierig. Er ist erst heute Mittag wiedergekommen, war seit gestern Abend verschwunden. Darios Augen huschen über die meine, er schüttelt bloß den Kopf. »Kann dir egal sein.«
»Verstehe. Bist du deshalb so gereizt?«
Ich stehe dicht neben ihm an der Garderobe und sehe, wie sich seine Arme bei meinen Worten anspannen. Er schnappt sich einen Schlüsselbund aus einer Jackentasche, schielt auf mich hinab und schnaubt. »Kann dir egal sein«, wiederholt er sich. Ich verdrehe heimlich meine Augen. »Ist es aber nicht.«
»Und wieso?«
Schulterzuckend bücke ich mich, um meine Schuhe anzuziehen. Dabei fühle ich, wie sich seine Blicke in meinen Körper brennen wie Feuer. Er hat mich so intensiv im Auge, dass ich glaube, gleich in Flammen aufzugehen. Wieso reagiert er so darauf? Es ist doch nur eine Frage. Eine einfache Frage.

»Glaub mir, es ist besser, wenn du davon nichts weißt. Das ist gefährlich«, versuchet er mir klarzumachen. Ich richte mich wieder auf, diesmal macht er einen Schritt auf mich zu und umfasst meine Schultern. Er drückt meinen Körper zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spiele. Er ist mir so nah, dass mein Brustkorb beim Atmen gegen seinen drückt. Da er größer ist als ich, muss ich aufschaue. Unsere Iriden kreuzen sich, sein Aftershave zieht mir wie ein leichter Windhauch in die Nase. Warme Schauer, die mich an einen Sommerregen erinnern, rinnen mir den Rücken hinunter. Er ist mir so unglaublich nah.
»Das verstehst du doch, oder?«
Ich nicke kaum merklich, ohne die Augen von seinen Nehmen zu können. Sie vereinnahmen mich, fesseln meine Seele an seine. Mein Herz hämmert schwer gegen meinen Brustkorb, droht fast zu platzen. Er macht mich so unglaublich nervös. Seine weichen Lippen streifen die meine für den Bruchteil einer Sekunde. Seine dunkelbraunen Iriden, wirken im Schein der Lichter wie flüssiges Karamell. So pur und doch unglaublich düster. Die Dunkelheit seiner Seele scheint immer wieder hervor, er ist ein fantastischer Schauspieler aber schafft es nicht, sie zu verbergen. Mir macht das weniger aus, als es sollte. Ich fühle mich seit unserer ersten Nacht so hingezogen zu ihm wie zu noch keinem zuvor.

Meine Finger fahren sein Kinn und die Wange entlang, bis zu seiner Schläfe und der Haarsträhne, die ihm in der Strähne hängt. Ich streiche sie ihm vorsichtig zurück, er beobachtet mich dabei ganz genau. Seine Pupillen rutschen hinab auf meine vollen Lippen. Ich ziehe sie zwischen meine Zähne, nur damit er seine Finger um mein Kinn schließt und sie mit seinem Daumen aus meinem Mund befreit. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab, der Druck seines Körpers gegen meinen wird stärker.
»Sagtest du nicht, dass sie bestimmt schon auf uns warten?« erinnere ich ihn. Die Worte sind so brüchig, dass sie mir fast im Hals steckenbleiben.
»Halt die Klappe«, raunt er. Keine Sekunde später hat er seine Lippen gierig auf die meine gedrückt. Küsst mich, wie ein ausgehungertes Tier auf Beutezug. Gierig, verlangend, heiß. Hitze dominiert mein Körper. Er kribbelt überall da, wo er mich berührt. Im Gesicht, an den Seiten, meinem Rücken, meiner Taille, an der er mich packt und den letzten Abstand zwischen uns schließt und mich an sich drückt, als würde die Welt untergehen. Seine Hände sind überall, das Klopfen unserer Herzen so nah wie selten zuvor. Meine Gedanken katapultieren mich automatisch an den ersten Abend zurück, den ich mit ihm verbrachte. Uns in diesem Zimmer, nackt, Haut an Haut. Er roch damals genauso wie jetzt. So unglaublich gut. Eine ganz besondere Mischung aus Zedern, Menthol und Moschus.

King of New York | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt