Kapitel 2

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Die Sonne wärmte ihr das Fell. Die Raubkatze schnurrte wohlig. Sie blickte hinauf zum Himmel und seufzte. Bald würde sie aufbrechen müssen, um rechtzeitig wieder unten im Haus anzukommen, wenn sie zuvor einen Abstecher zu den Gräbern machen wollte. Sie sprang von der Felsplatte und sammelte ihre Kleidung ein. Auf vier Pfoten kam sie zügiger voran und erreicht daher schnell den kleinen Familienfriedhof mitten im Urwald. Ihre Großmutter und die Geschwister ihres Vaters lagen hier begraben. Unzählige Male hatte sie sich auf den Monitoren der Grabsteine die Geschichten angehört. Wie sie gelebt hatten und woran sie gestorben waren. Alle Frauen, auch die erste Gefährtin ihres Vaters, waren dem Virus zum Opfer gefallen, den die heimtückischen Chonsaner in ihren Laboren produziert hatten.

Inola wandelte sich seufzend zurück, zog sich missmutig an und setzte sich vor den Stein ihrer Großmutter, die sie nie kennengelernt hatte. „Ich weiß, dass Mama und Papa das Beste für mich wollen. Aber was ist, wenn ich ihre Erwartungen nicht erfülle? Papa glaubt, dass ich eine geborene Anführerin bin. Aber bin ich das wirklich? Die Regierungsgeschäfte kommen mir so öde und langweilig vor. Stundenlanges Sitzen und Zuhören. Das schaffe ich einfach nicht." Sie ließ den Kopf in die Hände sinken. „Ich werde bestimmt eine ganz fürchterliche Anführerin. Shiye ist viel besonnener als ich. Warum kann er nicht die Rolle des Alphas übernehmen, wenn Papa sich zurückziehen möchte?" Sie sprang auf, wanderte zwischen den Grabsteinen umher. „Ich weiß, dass ich noch ein paar Jahre Zeit habe, um ruhiger zu werden. Doch was ist, wenn ich das nie schaffe? Ich möchte einfach nur Inola sein, ein Freiheit liebendes und auskostendes Basterianerweibchen. Ich habe es mir doch nicht ausgesucht, als Alpha geboren zu werden." Sie kickte einen Stein weg. „Wenn sie mir wenigstens erlauben würden, einen Teil der Galaxie zu erkunden. Einige Jahre reisen statt den Worten Oo-Wa-Ties zu lauschen. Verstehe mich bitte nicht falsch, der alte Pavian hat was drauf. So viel wie er weiß niemand auf Gangalon. Und er kann es ja auch toll rüberbringen, ohne dass ich dabei einschlafe. Aber es gibt noch so viel zu entdecken." Sie ließ sich zurück ins Gras sinken. „Ich möchte doch nur ein wenig von der Galaxie sehen, auf unbewohnten Planeten auf Entdeckungsreise gehen. Papa wird mir das nie erlauben."

Dafür war der Alpha viel zu sehr um ihr Wohlergehen besorgt. Fast noch mehr als um ihre Mutter. Sein kleines Mädchen, wie er sie gern nannte, sollte sich nicht zu weit vom elterlichen Anwesen entfernen. Deswegen hatte sie mit dem Thorianer auch einen Privatlehrer erhalten, der zu ihnen kam und sie und Shiye im Wohnzimmer unterrichteten.

Auf dem Pfad zum Friedhof knackte es. Inola spitzte die Ohren. War ihr jemand gefolgt? Sie flehmte, sog die Luft tief ein. Ein vertrauter Geruch stieg ihr in die Nase. Entspannt ließ sie sich zurück ins Gras fallen.

„Ach hier steckst du. Hab mich schon gewundert, als ich dich nicht beim Lernen vorgefunden habe." Shiye setzte sich neben sie. „Mama und Papa kommen vermutlich bald heim. Dann solltest du brav über deinen Politikbüchern hocken."

„Bei Bastet! Am liebsten würde ich die Bücher verbrennen oder in eine tiefe Schlucht werfen. Hört sich bestimmt herrlich an, wie das knistert und rauscht." Sie richtete sich auf und klopfte sich Gras und Erde von der Kleidung. „Dann lass uns mal gehen. Ich habe keine Lust, mir erneut anhören zu müssen, wie wichtig Bildung ist." Sie stapfte an ihrem schmunzelnden Bruder vorbei zum nahen Pfad. „Wie war eigentlich dein Training bei Onkel Niyol."

„Viel Theorie, wie du dir denken kannst." Er seufzte. „Opa wollte mich quer über einen Hindernisparcours scheuchen, um zu sehen, ob ich wenigstens etwas von Mama geerbt habe. Abgesehen von der Fellfarbe." Er zog eine Grimasse.

Inola grinste. Sie wusste, dass von Bidziil die Rede war, nicht von Wa-Ya-Ga-Da. Obwohl die Erwachsenen ihnen von klein an eintrichterten, wer wessen Vater war, hatten die Kinder als Geschwister einstimmig beschlossen, dass der Alpha und die Luna ihre Eltern waren und der Chonsaner somit auf gleicher Stufe stand wie ihr basterianischer Großvater. „Opa ist noch ganz schön schnell und gelenkig für sein Alter. Sei froh, dass wir nicht mehr gegen die Echsen kämpfen brauchen. Das sollen früher furchteinflößende Gegner gewesen sein."

Der KenmererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt