Kapitel 32

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Seine Pfoten trommelten auf dem weichen Boden der Wiese. Er hörte die Gräser hinter ihm rascheln. Jemand folgte ihm, doch er schaute sich nicht um. Sein Blick war stur nach vorne gerichtet, auf den rettenden Dschungel. Weg von den prüfenden und mitleidigen Augenpaaren. Erneut hatte man ihm einen Beweis geliefert, was für ein grausames Wesen sein Vater war. Ein Monster, das kein Mitgefühl kannte. Dem seine Mutter schutzlos ausgeliefert war, weil er Kenmara nicht mehr betreten durfte. Wie sollte er sie dort wegholen?

Er stürmte weiter, den schmalen Pfad entlang, der ihn unter dem Blätterdach eine leichte Steigung hinaufführte. Der Urwald lichtete sich. Ohitika erblickte eine große Steinplatte, die einladend in der Sonne lag. Ein ansprechender Ort zum Nachdenken und die Wärme würde ihm guttun. Er sprang hinauf, legte sich auf das aufgeheizte Gestein. Ein Seufzer entwich ihm, als er sich umschaute. Von hier hatte man eine schöne Aussicht auf niedriger gelegene Teile des Dschungels. Wenn er dieses Panorama doch nur genießen könnte!

Eine schwarze Pantherdame kletterte zu ihm auf den Stein und kuschelte sich an ihn. Sein kleiner Hoffnungsschimmer. Inola zeigte ihm seit seiner Ankunft auf Gangalon, dass sie ihn nicht verabscheute. Auch jetzt stupste sie ihn sanft an und verdeutlichte ihm, dass er nicht allein war. Einen Moment überlegte er, um sich zurück zu wandeln. Störrisch entschied er sich dagegen. Er wollte nicht vor ihr weinen und wie ein Welpe stottern. Sie verdiente einen stärkeren Gefährten. Keinen, der aus solch einer kaputten Familie kam wie er.

Erneut stieß sie ihn an, drängender als zuvor. Er wandte ihr den Kopf zu und musterte sie nachdrücklich. Ihr Blick schien sich in seinen zu bohren. Was versuchte sie ihm zu verdeutlichen? Wenn sie eine normale Unterhaltung führen wollte, würde sie sich wandeln und sich nicht so seltsam verhalten.

Du bist echt störrisch.

Ruckartig setzte er sich auf. Woher kam die Stimme in seinem Kopf?

Guck nicht so blöd. Ich rede mit dir.

Eindeutig Inola, doch wie schaffte sie es? Eine Form der Gedankenübertragung? Er hatte Geschichten darüber vernommen, sie aber dem Reich der Phantasie zugehörig bei seinem Wissen über Völker der Galaxie einsortiert. Entsprach das Gehörte doch der Wahrheit? Er schloss kurz die Lider und atmete tief durch. Die Wärme an seiner einen Seite verschwand. Als er seine Augen wieder öffnete, stand Inola direkt vor ihm. Sie schien ihn regelrecht hypnotisieren zu wollen. Funktionierte die Verbindung auch in entgegengesetzte Richtung? Er formte in Gedanken einen Satz, schickte ihn auf die Reise. Wie machst du das?

So wie du gerade. Indem ich mich auf dich konzentriere. Sie kletterte zurück auf den warmen Stein und kuschelte sich abermals an Ohitika.

Dieser blieb einen Augenblick still, bevor er es erneut versuchte. Funktioniert es nur, wenn man einander so nahe ist?

Sie schüttelte sachte den Kopf. Nein. Wenn man es schon öfter über Gedankenübertragung kommuniziert hat, kann man sich auch in unterschiedlichen Räumen aufhalten. Man darf nur nicht zu weit voneinander entfernt sein.

Die Gedanken kreisten in seinem Kopf. Schwindlig setzte er sich auf und wandelte sich zu seiner humanoiden Form. „Hast du diese Art der Kommunikation auch mit deinem Bruder genutzt, als wir euch gefangen gehalten haben?"

Das Pantherweibchen streckte sich. Knochen knackten, fügten sich neu zusammen. „Ja, haben wir." Sie musterte ihn kurz, öffnete den Mund, um etwas hinzuzufügen, aber schloss ihn unverrichteter Dinge. „Es steht mir nicht zu, es dir zu sagen", murmelte sie.

Er runzelte die Stirn. Was meinte sie damit. Das zuweilen seltsame Verhalten seiner Freunde fiel ihm ein. Er stöhnte auf. „Osteka und Teetonka können es ebenfalls, oder?" Er wandte sich ab, starrte in die Ferne. „Warum hat es mir nie jemand gesagt?"

Der KenmererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt