Kapitel 30

104 11 0
                                        


Das Weibchen zeigte deutlich, was sie von ihm hielt. Rein gar nichts. Erneut schlug sie mit einer Pfote nach ihm. Instinktiv sprang er auf und wich zurück, die Luna nicht aus den Augen lassend. Knurrend trieb sie ihn in eine Ecke des leeren Raums. Kein einziges Möbelstück, hinter dem er zumindest kurzfristig in Deckung gehen konnte.

Er stolperte einen weiteren Schritt rückwärts und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Die Raubkatze setzte sich hin, fixierte Ohitika mit ihrem unnachgiebigen Blick. Ein bedrohliches Grollen drang aus ihrer Brust.

Der Kenmerer hob die Arme und atmete tief durch. „Es tut mir leid, Luna. Es ist alles meine Schuld." Er rutschte an der Wand runter, schlug die Hände vor das Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Ich würde mein Leben dafür geben, wenn ich sie noch einmal sehen dürfte. Was Ihr danach mit mir macht, ist Eure Entscheidung. Ich werde mich dem Urteil beugen." Er schaute die Luna flehentlich an. „Aber bitte lasst mich dabei helfen, Inola zu retten."

Das Pantherweibchen legte den Kopf schief und musterte Ohitika eine Weile. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Gewährte sie ihm diesen Wunsch? Oder beendete sie sein Leben, weil sie ihn für seine Tat verabscheute? Seine Augen weiteten sich. Was geschah mit seinem Gamma, wenn man ihn tötete? Traf ihn das gleiche Schicksal? Das durfte nicht passieren! Er räusperte sich. „Ein Anliegen habe ich noch, Luna. Verschont meinen Freund. Teetonka hat mit der Sache nichts zu tun. Bitte lasst ihn zu seiner Familie zurückkehren."

Das Weibchen stand auf und richtete den Blick zum verschlossenen Ausgang. Ohitika wagte es nicht, sich zu rühren. Er beobachtete sie nur still. Wieso verhielt sie sich so seltsam? Inola hatte ähnliches Verhalten gezeigt. Stumm auf einen unsichtbaren Punkt gestarrt, dabei abwesend gewirkt. Was hatte dies zu bedeuten? War es eine Eigenart der Basterianer?

Jemand öffnete die Tür. Es war der Hybrid von zuvor. „Bist du dir sicher?", fragte dieser die Luna. „In Ordnung."

Ohitika runzelte die Stirn. Womit hatte sie ihm ihr Einverständnis gegeben? Nicht das leichteste Nicken hatte er gesehen. Verwirrt musterte er die Basterianerin. Ein Schnurren lenkte ihn ab. Sein Atem stockte. Er kannte nur ein Weibchen, das auf diese Weise schnurrte. Er schaute zur Tür. Ungläubig starrte er auf den Panther, der eintrat. Ein Zittern lief durch Ohitikas Körper. Er benetzte mehrmals seine Lippen und setzte zum Sprechen an. Jedes Mal klappte er den Mund wieder zu. Seine Augen spielten ihm einen Streich. Es konnte nicht wahr sein. Er bildete sich ihre Anwesenheit nur ein.

Regungslos saß er an die Wand gepresst da und wartete, dass die Basterianerin sich im näherte. Erst als sie direkt vor ihm stand und ihn mit ihrer schwarzen Panthernase anstupste, wagte er es, sich zu rühren. Tränen rannen ihm über das Gesicht, als er das weiche Fell mit beiden Händen streichelte. „Inola." Mehr als ein Flüstern bekam er nicht heraus. Sie war in Sicherheit und akzeptierte seine Berührungen. Er schlang die Arme um ihren Hals und kuschelte sich an. Das tiefe Schnurren, das aus ihrer Brust drang, beruhigte sein schnell schlagendes Herz. Er seufzte leise. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht."

„Den beiden sollten wir wohl ein wenig Zeit alleine gönnen." Der graue Basterianer ließ die Luna aus dem Raum und verschloss die Tür.

Ohitika rappelte sich auf. Seine Kleidung landete auf dem Boden. Gleich darauf umrundete er das Alphaweibchen als Leopard. Nun war er es, der für sie schnurrte. Liebevoll rieb er seine Wange an ihrer und schloss entspannt die Augen, als sie ihm über das Gesicht leckte. Zumindest ihre Raubkatze wollte ihn nicht für sein Versagen töten.

Er wandelte sich zurück. „Es tut mir unendlich leid, dass du meinetwegen in der Gewalt der Chonsaner gelandet bist, Inola." Täuschte er sich oder blitzte da etwas in ihren Augen amüsiert auf? „Ich hoffe, sie haben dir nichts angetan."

Der KenmererWo Geschichten leben. Entdecke jetzt