Inola räkelte sich auf einem der Stühle im Besprechungsraum des Regierungsgebäudes. Beine und Po kribbelten von der ungewohnten Belastung am Vorabend. Es fiel ihr nicht leicht, stillzusitzen. Sie schnaubte leise. Wandeln? Kein Problem. Ein wenig Aufmerksamkeit von einem gewissen Kenmerer? Murrende Muskeln.
Ihr Vater musterte das junge Weibchen schmunzelnd. „Anstrengende Nacht hinter dir?", fragte er amüsiert.
„Papa!" Entrüstet schaute sie den Alpha an. „Das ist nun wirklich nicht ein Thema, über das ich mit dir reden möchte." Das war nicht einmal etwas, was sie mit ihrer Mutter besprechen wollte. Die Ereignisse der vergangenen Nacht gehörten nur ihr und Ohitika.
„Dann reden wir über etwas anderes. Du meintest vorhin ja, dass du etwas ohne die Anwesenheit der Familie und unserer Berater mit mir besprechen möchtest." Er beugte sich vor und legte die gefalteten Hände auf den Tisch. „Gehe ich recht in der Annahme, dass es um die Sache von gestern geht?"
Sie nickte heftig. „Wir müssen Magaskawee unbedingt dort wegholen. Ich möchte nicht wissen, zu welchen Mitteln Ohitikas Vater noch greift, um das Weibchen zu demütigen. Ohne ihren Sohn ist sie den Schikanen schutzlos ausgeliefert." Sie seufzte. „Vor dem Ausflug zu dem Schmugglermarkt habe ich täglich mit ihr das Wandeln geübt. Wenn es jemandem auffällt, wie viel besser es ihr dadurch geht, wird man sie bestrafen." Inola sackte auf dem Stuhl in sich zusammen. „Es ist meine Schuld."
„Nein, das ist es nicht, Kleines. Du hast ihr neue Hoffnung gegeben. Der Rest liegt nicht in deiner Hand." Chu-Lah lehnte sich zurück und versank in Schweigen. Seine Miene verriet nicht, worüber er nachdachte.
Nach einer Weile rutschte Inola auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hielt die Stille nicht länger aus. „Hast du eine Idee, was wir machen könnten, Papa?"
Er brummte geistesabwesend, richtete dann seine Aufmerksamkeit auf sie. „Weißt du, ob diese Magaskawee sich auch in eine Art Katze verwandeln kann? Auf die Weise könnte man sie leichter aus dem Palast hinausschmuggeln." Er tippte sich ans Kinn. „Kennst du jemanden, der dort mühelos ein und aus gehen könnte?"
„Von den Kenmerern, die bereit wären, uns zu helfen?" Sie knabberte auf ihrer Unterlippe. „Höchstens Teetonkas Vater. Allerdings weiß ich nicht, ob Magaskawee sich in eine Katze verwandeln könnte. Ich dachte, dass wäre eine Eigenart unseres Volkes."
„Davon bin ich nicht überzeugt." Ihr Vater starrte aus dem Fenster. „Meist ist es nicht praktisch in unserer Welt, klein zu sein. Als Panther können wir uns besser verteidigen und haben weniger Feinde. Als Katze kann man sich allerdings aus Situationen befreien, für die man als Panther zu groß ist. Das hast du bei deiner Flucht auf dem Schmugglermarkt ebenfalls bemerkt."
„Stimmt, als Katze kam ich weitaus besser voran und bin weniger aufgefallen. Ohitika hat mich dennoch nicht aus dem Blick verloren." Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Der Kenmerer hatte sie schon da nicht aufgeben wollen. Hartnäckig war er ihr gefolgt und hatte sich nur ihr zuliebe von den Chonsanern gefangen nehmen lassen. Um ihre Sicherheit nicht zu gefährden.
„Eben, so arrogant wie der Alpha klingt, wird er nicht davon ausgehen, dass sein Weibchen ohne ihn zu etwas fähig ist. Selbstüberschätzung, die ihn zu Fall bringen wird."
„Wir könnten Teetonka bitten, seinen Vater zu kontaktieren." Inola sprang auf. „Macht der sich nicht eh Sorgen, weil er seinen Sohn und Ohitika nicht auf dem Planeten gefunden hat?"
„Adahy hat Teetonka erlaubt, seinem Vater Bescheid zu geben, dass sie mit den Anuben nach Gangalon fliegen. Der ist also im Bilde. Ich glaube, der Gamma hat ihn gestern zusammen mit Osteka informiert, dass ihnen hier bei uns keine Gefahr droht." Chu-Lah warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Wenn nur meine Kinder so pflichtbewusst wären und mir immer Bescheid gäben."
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Der Kenmerer
FantasyErwartungen, Erwartungen, Erwartungen. Diese kennt Inola zur Genüge. Ihre Eltern, ihr Lehrer und alle Bewohner ihres Planeten erwarten von ihr, dass sie als erstes Alphaweibchen seit Generationen in die Fußstapfen ihres Vaters tritt. Doch fragt jema...