Bei Kenmet! Fassungslos starrte Ohitika auf den Kleiderhaufen. Hatte Inola jetzt völlig den Verstand verloren? Einen Moment war sie noch da. Im Nächsten war sie verschwunden. Aus dem Augenwinkel sah er, wie eine kleine schwarze Katze hinter einem Stand verschwand. Knurrend setzte er ihr nach. Wenn er sich jetzt wandelte, würde das für Ärger sorgen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr in seiner humanoiden Form zu folgen. Beim Laufen entdeckte er einige Chonsaner, die sich – wie es ihm schien – strategisch auf dem Platz aufgestellt hatten.
Verdammt, hatte Inola die Erzfeinde ihres Volkes bemerkt und instinktiv die Flucht ergriffen? Weil sie davon ausging, dass er sie nicht vor ihnen beschützen konnte? Ohne seine Wachen würde das schwierig werden.
Ohitika biss die Zähne aufeinander, um nicht laut zu fluchen. Er musste die Basterianerin finden, bevor die Echsen sie erwischten. Wenn diese nicht wussten – so wie er bis vor wenigen Augenblicken – dass sie sich in eine Katze verwandeln konnte, bestand Hoffnung. Er würde sein Weibchen nicht im Stich lassen. Vielleicht erkannte sie dann, dass sie kein Mittel zum Zweck war.
Die Katze rannte weiter über den Markt. Nur durch Zufall sah er ihre schwarze Schwanzspitze hinter einem Stand verschwinden. Immer wieder entzog sie sich seinem suchenden Blick, wenn sie die umherlaufenden Bewohner der Galaxie als Sichtschutz verwendete. Er nahm es ihr nicht übel. Sie versuchte nur, sich vor den hinterlistigen Reptilien in Sicherheit zu bringen. Leichtfüßig folgte er ihr, weg vom Markt in einen ruhigeren Teil der Stadt. Hier waren weitaus weniger Wesen unterwegs als in den Straßen rund um den Markt und schaffte er es, weiter aufzuholen.
Die Katze bog erneut ab, hetzte durch ein Wirrwarr an schmalen Straßen. Zu Ohitikas Beruhigung sah er hier keine Chonsaner. „Bleib stehen, Inola. Es ist alles in Ordnung", keuchte er. Sie ignorierte seine Worte. Hatte die Furcht vor den Echsen das Weibchen so im Griff? Vielleicht sollte er sich jetzt doch wandeln, um sie einzufangen? Um zu vermeiden, dass sie sich in ihrer Angst verletzte. Bevor er sich entschieden hatte, sah er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Nur ein ungefährlicher Stadtbewohner? Kälte griff nach seinem Herz. Er musste die Basterianerin endlich erwischen, damit ihr nichts zustieß. Wieso war er nur so dumm gewesen, den Markt ohne einen Wachtrupp zu besuchen?
Inola verschwand hinter einer Hausecke. Er stürmte hinterher, bog ebenfalls ins Halbdunkel ein. Aufgespannte Tücher und hohe Wände verhinderten, dass Sonnenstrahlen alles erhellten. Doch er sah genug, um zu erkennen, dass es keinen Ausweg gab. Jetzt würde er seine aufgescheuchte Gefährtin beruhigen können. Es würde ihnen beiden guttun, wenn er ihr über das Fell streichelte und sie unterm Kinn kraulte.
Jemand rammte ihn im Dämmerlicht der Gasse. Er stürzte zu Boden und blieb einen Moment benommen liegen. Sein Körper ächzte. Vom schnellen Lauf und von dem Aufprall. Der Angreifer kniete sich auf seinen Rücken. Kräftige Hände packten seine Arme. Kaltes Metall schloss sich um seine Handgelenke. Ohitika stieß ein lautes Knurren aus.
„Wie du willst, Katerchen." Jemand griff in seine Haare, zwang seinen Kopf hoch. Ein zweiter Mann schnallte ihm etwas um den Hals. Einen dicken Metallring, der eine Wandlung verhindern würde. Ein Problem für später. Doch wo steckte Inola? Er versuchte, sich umzuschauen, doch wurde das durch den Kerl, der ihn noch immer in den Staub drückte, behindert. Ein entrüstetes Fauchen wies ihm den Weg.
Ein Chonsaner stopfte die schwarze Katze in einen kleinen Käfig aus dicken Metallstäben und verschloss die Luke sorgfältig. „Sei brav, oder du bekommst ein Beruhigungsmittel", drohte er ihr. Widerwillig legte sie sich auf den kahlen Metallboden, den Katzenkopf auf den Pfoten abgestützt und richtete den Blick ihrer grünen Augen auf Ohitika.
Der Kenmerer schluckte schwer. Er hatte es nicht geschafft, seine Gefährtin zu beschützen. Wenn er doch nur Osteka und ihren Bruder mit auf den Planeten genommen hätte, ständen ihre Chancen auf Flucht besser. Doch nicht so, in den Klauen der Reptilien, die einst versucht hatten, Inolas Volk mit einem Virus aus dem Labor auszurotten. Mit dem Alphaweibchen hatten sie nun eine Möglichkeit, das Streben ihrer verstorbenen Anführerin fortzusetzen und sich für deren Tod zu rächen. Und alles war seine Schuld. Er ballte die hinter seinem Rücken gefesselten Fäuste.
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Der Kenmerer
FantasyErwartungen, Erwartungen, Erwartungen. Diese kennt Inola zur Genüge. Ihre Eltern, ihr Lehrer und alle Bewohner ihres Planeten erwarten von ihr, dass sie als erstes Alphaweibchen seit Generationen in die Fußstapfen ihres Vaters tritt. Doch fragt jema...