Die Reise nach Gangalon erwies sich dank der Anwesenheit des Kenmererpärchens als sehr kurzweilig. Inola genoss es, sich nach den anstrengenden Tätigkeiten auf Kenmara zurücklehnen zu können, und schaute gerne zu, wie Chumani Tokalah bezirzte. Das Weibchen> ließ keine Gelegenheit aus, sich an das Männchen zu kuscheln. Hatte er anfangs noch versucht, sie davon abzuhalten, zeigte er jetzt offen, wie sehr er ihre Nähe genoss. Es kam nur selten vor, dass man sie nicht beieinander sah.
So wie jetzt. Chumani kümmerte sich mit Inola um die letzte Mahlzeit, die sie an Bord einnehmen würden. Ohitika war mit Tokalah bei Bidziil im Cockpit verschwunden. Beide versuchten seit einigen Tagen herauszufinden, welche Tätigkeiten dem jungen Kenmerer am meisten lagen. Damit er sich auf Gangalon nicht langweilte und eine Pause von seinem anhänglichen Weibchen bekam. Für das sie ebenfalls eine Beschäftigung benötigten.
„Chumani, womit kennst du dich aus? Was hast du bisher gelernt?" Inola stellte die letzte Schüssel auf den Tisch und wandte sich der Kenmererin zu.
„Ich weiß, wie man Essen zubereitet und sich um Welpen kümmert." Sie zog eine Grimasse. „Aber mit Welpen möchte Tokalah noch warten."
„Und du nicht." Inola knabberte auf ihrer Unterlippe. Würde ihre Mutter zu Chumani durchdringen und ihr verdeutlichen können, wie viel das Muttersein einem jungen Weibchen abverlangte?
„Ich stelle es mir einfach schön vor." Sie seufzte. „Mit dem Typen, den mein Vater ausgesucht hatte, würde ich keine Welpen haben wollen. Vor allem keine Mädchen." Sie verzog angewidert das Gesicht. „Ich glaube nicht, dass er überhaupt Welpen haben sollte."
„Gehört wohl zu den Anhängern der Philosophie, dass Weibchen sich nur dazu eignen, Welpen zu gebären." Inola knurrte leise. Von der Sorte saßen mittlerweile einige gefangen, andere waren bei Kämpfen getötet worden.
„Ja, deswegen bin ich von zu Hause abgehauen und habe mich Tokalah an den Hals geworfen. Einerseits, weil ich ihn schon lange mag. Andererseits, weil er nie von sich aus versucht hätte, meinen Vater zu überzeugen. Um sich mir nicht aufzudrängen", fügte sie verträumt hinzu.
Inola hielt mit der Arbeit inne. Was die Kenmererin ihr da berichtete, klang nach einer idealen Beziehung. So wie sie beim normalen Volk vorkamen. Alphas, egal ob Weibchen oder Männchen, tickten da anders. War sie anfangs noch mit Ohitika aneinander gerasselt, ordnete er sich ihr jetzt unter. Er nahm bewusst seine Alphaaura zurück, um ihre Raubkatze nicht zu verärgern. Bei Chumani und Tokalah war es anders. Sie ergänzten einander.
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Eventuell sollten sie dem Pärchen einfach ein paar Wochen in Ruhe gönnen und ihnen dann die pädagogischen Kniffe eines Lehrers erklären. Wenn sie irgendwann nach Kenmara zurückkehrten, könnten sie den Jüngeren etwas über gesunde Beziehungen beibringen. Die Idee gefiel ihr. Sie brauchte nur mit Oo-Wa-Tie zu sprechen und ihn davon zu überzeugen, die Ausbildung der zwei zu übernehmen. Dann hatte sie selbst vorläufig Ruhe vor dem Politikunterricht.
„Du grinst so zufrieden." Ohitika und Tokalah waren eingetroffen. Ersterer betrachtete sie lächelnd. „Liegt das an mir oder dem Essen?"
„Daran, dass meine Enkelin es kaum erwarten kann, sich die Kleidung vom Leib zu reißen und ihrer Raubkatze freie Bahn zu geben." Bidziil setzte sich schmunzelnd an den Tisch. „Ich kenne diesen Blick von Inola. Den hatte sie schon als Welpe, wenn sie wusste, dass sie bald herumtollen durfte. Freiheit, ein paar Stunden ohne Regeln. Und vor allem ohne lästigen Unterricht." Er zuckte mit den Achseln. „Mit anderen Worten, sie heckt etwas aus."
„Opa!" Inola knurrte empört. Warum verriet er das? Vorwurfsvoll schaute sie ihn an.
„Der Blick funktioniert bei mir nicht, Kleines. Den hat deine Mutter auch gern benutzt, bevor sie Luna wurde." Er sah zu dem Kenmererweibchen. „Und Chumani nutzt gern einen ängstlichen Blick, damit sie ihren Willen bei Tokalah durchsetzen kann. Sie weckt absichtlich seinen Beschützerinstinkt."

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Der Kenmerer
FantasyErwartungen, Erwartungen, Erwartungen. Diese kennt Inola zur Genüge. Ihre Eltern, ihr Lehrer und alle Bewohner ihres Planeten erwarten von ihr, dass sie als erstes Alphaweibchen seit Generationen in die Fußstapfen ihres Vaters tritt. Doch fragt jema...