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Nach und nach entspannte ich mich immer mehr und genoss seine ruhige Präsenz neben mir. Ich genoss sie so sehr, dass meine Augen langsam immer schwerer wurden. Irgendwann bemerkte ich nur noch, dass mein Kopf auf etwas Weiches fiel und mir irgendwas leicht auf der Stirn kitzelte. Egal was es war, es störte mich nicht, und ich schlief friedlich ein.

Schließlich wurde ich durch ein Lachen aufgeweckt. Um genauer zu sein, schienen mehrere Leute zu lachen. Seltsam, war der Film schon vorbei oder enthielt er lustige Szenen?

Dann merkte ich, wie es wieder auf meinem Gesicht kitzelte. Langsam öffnete ich die Augen.
Was war das? Taehyung kritzelte mit einem Filzstift auf meinem Gesicht herum! Ich konnte es nicht fassen. Yuna und die Partygäste standen um mich versammelt, und alle lachten. Einige deuteten mit dem Finger auf mich.
Dann lehnte sich Taehyung zurück, betrachtete mich zufrieden und raunte: „Fertig! Jetzt bist du ein richtiges Kunstwerk, Alex!“
Mike tauchte von der Seite auf und hielt mir grinsend einen Handspiegel vors Gesicht.

Ich erschrak. Ein falscher Schnurrbart war über meinem Mund gemalt worden, meine linke Backe war mit einem Stinkefinger verziert, und auf meiner rechten Backe hatte Taehyung sogar einen billig hingekritzelten Penis gemalt!
Aber es war noch schlimmer. Auf meinem Kinn stand das Wort "LOSER" und auf meiner Stirn stand "OPFER"!

„Was soll der Scheiß?“, fragte ich erbost und versuchte mit einem Satz aufzustehen. Da merkte ich es. Ich war gar nicht mehr auf dem Sofa, ich saß auf einem Stuhl - und war gefesselt!
Offenbar befand ich mich auch nicht mehr in dem Wohnzimmer, das hier war vielmehr der Dachboden. Es musste in etwa das vierte Geschoss dieser Villa sein. Der weite Raum war düster und staubig. Hinter den Partygästen standen Umzugskisten, sperrmüllreife Gegenstände, und etwas weiter hinten war ein klappriges, offenes Fenster, durch das ein eisiger Wind wehte.

Auf einmal hörte ich dumpfe Laute neben mir und blickte mich um. Xenia saß neben mir auf einem weiteren Stuhl und war ebenfalls gefesselt, wenn auch nicht am Stuhl, aber dafür sogar mit einem Tuch im Mund! Durch dieses gab sie einen gequälten Hilferuf von sich.

„SCHNAUZE!“, brüllte Yuna und verpasste Xenia eine brutale Ohrfeige. Diese schrie kurz laut auf und wimmerte dann leise.

„Sagt mal, seid ihr alle wahnsinnig??“, rief ich.

„Ach schau mal, der Hai kann beißen“, sagte Taehyung und verschränkte die Arme. „Willkommen zur WAHREN Party.“

Ich war überwältigt von Wut und Trauer und verstand die Welt nicht mehr.
„Tae ...“, gab ich schluchzend hervor, als mich die Trauer übermannte und meine Augen nass wurden, „Wie ... wie kannst du nur ...“

„Wie bitte? Ich höre wohl nicht recht? Wie kannst DU nur?!“, keifte Taehyung zurück.

„Wovon redest du?“, fragte ich verwirrt.

„Na wie du mit meiner besten Freundin umgegangen bist!“, rief Taehyung. „Sie hat mir alles erzählt. Wie du mit ihren Gefühlen gespielt hast, ihr einen Korb gegeben hast, sie hast fallen lassen ...“

Da trat Bianca von hinten hervor. Ihr Gesicht war zuerst von Schatten verdeckt, langsam trat sie ins Licht. Es zeigte ein bitterböses Grinsen, und sie verschränkte triumphierend die Arme.
Ich blickte zu Taehyung.

„Sie ist meine Schwester! Soll ich etwa Inzest begehen?! Außerdem–“ „HALBschwester“, korrigierte mich Bianca erbost.

„Ich bin schwul!“, ergänzte ich wütend.

„Wie auch immer“, sagte Taehyung, „du hast einem von meinen besten Freunden sehr wehgetan. Da bin ich rigoros! Daher haben wir die Party für dich umgeplant... eigentlich wollte ich dir nur ein wenig etwas vorspielen und dich dann bloßstellen, aber deine Freundin Xenia hat alles auf ein ganz neues Level gebracht! Darauf gibt es auch die entsprechende Reaktion.“

Mein Herz tat ohnehin bereits weh, denn Taehyung war offebar nicht der Mensch, den ich bis zu diesem Ereignis in ihm sah. Aber was er eben gesagt hatte, machte alles noch viel schlimmer.

„V-Vorspielen ...?“, stammelte ich.

Taehyung lachte. „Natürlich! Oder glaubst du, ich will was von dir? Ich bin straighter als ein Laternenpfahl! Mira, Showtime!“

Mira trat von hinten hervor, schlang ihre Arme um Taehyung und ehe ich mich versah, gaben sich die beiden einen innigen, langen Zungenkuss!
Das war zu viel für mich, ich brach in Tränen aus.
Taehyung löste seine Lippen von Mira und schaute gespielt mitleidig.

„Och, hab ich dich verletzt, du Pussy?", sagte er höhnisch und dann lachten er und Mira auf. Die anderen stimmten mit ein.
Dann fuhr er fort: „Selbst wenn ich schwul wäre, mit so einem Opfer wie dir was anfangen? Nein danke! Wer will schon so eine Lachnummer als Freund? ... Haste mir das echt abgekauft? Bist ja noch dümmer als wir dachten!“
Da brachen alle erneut in ein fieses Gelächter aus.

Plötzlich fuhr Xenia hoch und versuchte, auf Taehyung loszugehen. Ein fataler Fehler, waren ihre Füße doch gefesselt. Sie kam nicht weit und schnell hatte Mike sie im Würgegriff, während sie von Yuna zusätzlich am Arm gepackt wurde.

„Zeit für den Höhepunkt der Party“, grinste Taehyung und schnellte auf einmal hervor, sein Gesicht erschien direkt vor meinem.
„Du hast Biancas Herz gebrochen. Dafür werde ich dir deine Rippen brechen! Und mehr ...“, raunte er bedrohlich.

Meine Augen weiteten sich, ich war gelähmt vor Angst. Schweiß begann mir von der Stirn zu laufen.

„Aber zuerst ...“, sagte Taehyung und bewegte sich langsam wieder von mir weg und wandte sich dafür Xenia zu, „kümmern wir uns um dich, Schätzchen!“

Dann schlug er mit aller Gewalt zu.

Ein Schrei. Xenias Gesicht war gegen den Boden gerichtet, Blut tropfte aus ihrer Nase nach unten. Sie wimmerte kläglich.
Da schnappte sich Taehyung ihr Gesicht mit seinem rechten Arm, die Hand am Kinn. Er zwang sie, ihn anzusehen.

„Du hast Bianca traumatisiert. So einen Untermensch braucht diese Welt nicht!“, sagte er und eine seltsame Angst durchfuhr mich. Die anderen jubelten. Schließlich hob Taehyung seine freie Hand und der Jubel verstummte wieder.

„Du bist Sondermüll. Und was macht man mit Sondermüll?“, fragte er.
Xenia schaute schockiert.
Taehyung fuhr fort: „Richtig. Man entsorgt ihn.“
Wieder Jubel.

Dann nickte Taehyung Mike und Yuna zu.
Diese begannen, Xenia mit Gewalt Richtung Fenster zu ziehen.
Blankes Entsetzen machte sich in mir breit. Ich schrie nach Leibeskräften, aber plötzlich verstummte mein Schrei, da mir jemand von hinten ein Tuch um den Mund spannte und an meinem Hinterkopf fest zuband.

Es war Bianca. Ihr Gesicht tauchte langsam neben meinem auf und sie flüsterte mir ins Ohr: „Gaaanz ruhig. Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben — Bruderherz.“ Dann kicherte sie teuflisch.

Das hatte mich abgelenkt. Als ich wieder Richtung Fenster blickte, sah ich, dass Yuna und Mike dort bereits mit Xenia angekommen waren.
Unter meinen von der Schlinge gedämpften Wahnsinnsschreien schmissen sie Xenia hinaus!

Kurz darauf ertönte ein grausames Geräusch aus dem Fenster von weit unten. Knochen waren gebrochen und Blut war gespritzt.
Dann war Stille.

Es schien mir wie eine Ewigkeit, auch wenn es sicher nur ein paar Sekunden waren. Ich war in einer Schockstarre gefangen.
Da trat Taehyung hervor.
„Zeit, dem Loser ein neues Aussehen zu verpassen!“, raunte er.
Ich spürte Biancas Arm langsam um meinen Hals fahren, um mich weiter zu festigen und zu würgen.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Yuna einen Baseballschläger aufnahm, Mira einen Hammer hervorzog und Mike sogar ein Klappmesser ausfahren ließ!
Langsam kamen sie auf mich zu.

„Gute Nacht, Loser!“, sagte Taehyung und lachte teuflisch auf. Die anderen stimmten mit ein, es war ein wahrer Höllenchor.
Da schnellte Taehyungs Faust vor, genau in Richtung meines Gesichtes.

Ein lauter Knall. Ein heftiger Schmerz. Dann war alles Schwarz.

Dunkelheit - nichts als Dunkelheit nahm ich wahr. Ich versuchte, mich zu bewegen, aber es ging nicht. Irgendetwas hielt mich fest umschlungen. Erschrocken riss ich meine Augen auf und schrie - so laut wie noch nie in meinem Leben - und sah mich desorientiert um. Wo war ich?

Cinderella?! Really?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt