Der nächste Tag brach an, und geweckt wurde ich durch meinen Wecker, der auf meinem Nachttisch stand - direkt neben dem Foto, auf dem ich glücklich lachend mit meiner Mutter zu sehen war. Verschlafen blinzelte ich auf die Anzeige. Es war 10 Uhr. Ich drehte mich wieder um und schloss die Augen.
Kurz darauf riss ich sie wieder auf. Moment mal?! 10 Uhr? Shit! Ich bin zu spät! Panisch geworden, warf ich die Bettdecke von mir und sprang auf die Beine. Schnell zog ich mir frische Kleidung an und raste aus dem Zimmer, lief mit schnellen Schritten stolpernd die Treppen herunter und stürzte fast, doch ich konnte mich noch rechtzeitig am Treppengeländer festhalten. Fluchend griff ich nach meiner Schultasche, die im Flur lag. Ich verließ das Haus und rannte zur Schule.
Dort angekommen war auf dem Pausenhof kein Mensch weit und breit zu sehen. 'Sind bestimmt alle in ihren Klassenräumen.', dachte ich. Hastig betrat ich die Schule und lief zu meinem Klassenzimmer, riss die Tür auf und rief: ,,Tut mir Leid für die Verspätung, ich habe verschla– ..fen?"
Verwundert sah ich mich um. Hä? Keiner war da? Wo waren denn alle? War heute etwa schulfrei? Es war doch Freitag... oder nicht?
Schnell zückte ich mein Smartphone aus der Tasche. Tatsächlich, es war heute Freitag. Aber warum… Oh. Jetzt war alles klar! Es war gar nicht nach 10 Uhr… wir hatten gerade mal 7:30 Uhr. Aber warum hatte mein Wecker dann 10 Uhr angezeigt? Wer von diesen verdammten Stiefmonstern hatte meine Uhr umgestellt?! Die Schule fängt erst um 8:30 Uhr an. Ich hätte noch schlafen können!
Langsam verließ ich das Schulgebäude und setzte mich draußen im Schulhof auf eine Bank.
Ich versuchte, das Beste aus meiner Situation zu machen. Gemütlich schloss ich meine Augen, genoss die warme Sommerluft, die mir ins Gesicht wehte, und hörte den Vögeln bei ihrem Gezwitscher zu.Vor meinem geistigen Auge erschienen mir immer wieder seine faszinierenden schwarzen Augen, die einen schnell in ihren Bann ziehen konnten, und seine Haut, die so weich aussah. Am liebsten wollte ich sie einmal berühren, um zu sehen, ob sie wirklich so soft war, wie sie mir erschien.
Ich vertiefte mich immer mehr in meine schwärmenden Gedanken an ihn und nahm dabei meine Umgebung nicht mehr wirklich wahr. Ich vergaß alles um mich herum. Meine Welt drehte sich nur noch um Taehyung. Ob es ihm auch so ging, wie mir?
Plötzlich tippte jemand mich von der Seite an der Schulter an. Vor Schreck sprang ich sitzend leicht in die Höhe und fiel rückwärts von der Bank, die keine Rückenlehne hatte. Mit dem Rücken auf dem Boden lag ich da wie eine umgefallene Schildkröte. Eine weibliche Stimme lachte lautstark und zog damit die Aufmerksamkeit einiger Schüler auf sich.
,,Hör auf zu lachen und hilf mir lieber auf", brummte ich erst, doch musste dann selbst lachen. ,,Man, Xenia, erschreck mich doch nicht so!", sagte ich nachdem wir uns beruhigt hatten. Dann stand ich auf und setzte mich wieder auf die Bank.
,,Das war keine Absicht! Ich schwöre!", beteuerte Xenia, "Aber du warst ganz schön in deine Gedanken vertieft. Möchtest du mir erzählen, warum? Und seit wann bist du so überpünktlich?"
Ich erklärte ihr, wie es dazu kam, dass ich ausnahmsweise mal überpünktlich war, und schließlich fügte ich noch hinzu: "Aber ein Gutes hat das Ganze ja. Meine Stiefmutter konnte mir keine Aufgabe mehr aufzwingen, da ich schon weg war, als sie aufgestanden ist." "Glück gehabt. Übrigens, bleibt es heute Mittag dabei, dass wir zusammen in die Stadt gehen, um unsere Kostüme für den Ball im nächsten Monat zu kaufen?" "Klar, bleibt es dabei!" "Sehr gut! Uhm... weißt du schon, als was du gehen möchtest?" Neugierig sah sie mich an. Verneinend schüttelte ich den Kopf. "Als was gehst du denn?", fragte ich sie. "Als Fuchs! Ich liebe Füchse! Die sind einfach so süß und knuffig!" Xenia schaute verträumt in den Himmel, dann schaute sie mich wieder an.
"Hmm, das geht aber gar nicht, dass du nicht weißt, als was du gehen möchtest! Hast du nicht mal eine Idee?" Verneinend schüttelte ich wieder den Kopf. Xenias Miene wurde nachdenklich. Kurz darauf rief sie begeistert: "Cinderella!"
,,Cinderella?", wiederholte ich verwirrt. ,,Ja, du gehst als Cinderella! Das passt!" Aufgeregt hüpfte sie von einem Bein auf das andere. Verdutzt sah ich sie an und sagte dann mit ironischer Stimme: ,,Cinderella?! Really?! Ich werde aber kein Kleid anziehen!" Ernst schaute Xenia mich an: ,,Doch natürlich! Und du bekommst eine Krone aufgesetzt und einen Zauberstab in die Hand gedrückt. Und das alles in Pink!" Entsetzt sah ich sie an und dachte: Das kann sie doch nicht ernst meinen! Xenia verzog ihr Gesicht zu einer einmaligen Grimasse, ehe sie lachte und mir liebevoll in die Seite knuffte. ,,Natürlich trägst du kein Kleid. Aber wir können aus dir einen wunderschönen Cinderella-Boy machen. Vertrau mir," bat sie mich. ,,Okay, einverstanden. Aber sag, wie kommst du auf Cinderella?" Fragend sah ich sie an.
,,Naja, das passt halt. Überleg mal, du wohnst bei deiner Stiefmutter mit ihren zwei Töchtern. Du schmeißt größtenteils den Haushalt und sie meckern immer wegen jeder Kleinigkeit oder geben dir für vieles die Schuld. Aber du lässt dich nicht unterkriegen. Bist stark."
,,Wow, danke, dass du es mir unter die Nase reibst, dass ich mich mit ihnen nicht verstehe." Ich knuffte ihr leicht in die Seite. Sie zuckte zusammen, da sie dort kitzelig war.
,,So war das nicht gemeint. Ich meine ... du als Cinderella Boy wirst einfach am schönsten von allen aussehen. Dafür werde ich sorgen!"
,,Das macht es nicht besser. Aber ich lass es mal so stehen", sagte ich.
,,Du hör mal. Gestern habe ich Taehyung nochmal getroffen. Er fragte mich, ob wir heute Abend zu ihm kommen. Seine Schwester, er und ein paar Freunde schmeißen eine kleine Party. Gehen wir zusammen hin?" Fragend sah ich sie mit großen Augen an.
Sie seufzte. ,,Ich weiß nicht. Ist das nicht ein bisschen komisch? Wir kennen sie doch kaum", gab sie zu bedenken. Schmollend sah ich sie an.
Plötzlich entdeckte ich weiter hinter ihr, auf der anderen Seite des Schulhofes, Taehyung mit einem Freund stehen.
Er sah ebenfalls zu mir rüber und grüßte mich, indem er eine Hand hob. Ich tat das Selbe.,,Aha, daher weht der Wind!", lächelte Xenia sanft. Aber ich hatte ihr nicht richtig zugehört.
Hmm? ,,Wie bitte, was hast du gesagt?"
,,Okay! Heute Abend gehen wir zu deinem Tw... To... Tey... wie heißt der Typ nochmal?" Unsicher sah sie mich an.
,,Taehyung", informierte ich sie. ,,Und das ist nicht meiner!"
,,Ach, wie süß! Du wirst rot!", quietschte sie laut, ,,Bist du etwa ver... mhhh mhh mh...!" Ich unterbrach ihr Gequitsche, indem ich ihr schnell den Mund mit meiner Hand zuhielt.
,,Psst- Nicht so laut! Sonst hört er uns noch", zischte ich leise.
Plötzlich war meine Hand nass. Ernsthaft! Jetzt hatte sie meine Hand abgeleckt.
,,Bahhh! Spinnst du!", angeekelt wischte ich meine Hand an der Hose ab.
Xenia zuckte nur mit den Schultern.
,,Naja, du musstest mir ja nicht gleich den Mund zuhalten." Nach diesen Worten streckte sie mir frech die Zunge heraus.
,,Boah, und sowas schimpft sich beste Freundin."
Verschmitzt sah sie mich an und antwortete darauf: ,,Ich weiß doch, dass du mich liebst."Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, klingelte die Schulglocke und gemeinsam betraten wir das Schulgebäude.
Im Klassenzimmer angekommen, sah ich auf meinem Pult einen Blumenstrauß liegen.
Überrascht nahm ich ihn in die Hand.
Von wem war er?
,,Wow, du hast einen Verehrer oder eine Verehrerin. Zeig mal her." Xenia riss mir den Strauß aus der Hand und roch daran. Dabei fiel aus dem Blumenstrauß ein kleiner Zettel auf den Boden.
Schnell hob ich ihn auf und las ihn:
An den Jungen mit den wunderschönsten Augen. Dein Prinz.
Von wem war er? Jedenfalls nicht von der Person, die mir den Liebesbrief geschrieben hatte. Das war definitiv eine andere Schrift. Und Prinz? Vielleicht war mein Prinz Taehyung. Hoffnungsvoll hielt ich den Zettel an die Brust.,,Alle setzen sich auf ihre Plätze. Der Unterricht beginnt jetzt!", ertönte die strenge Stimme der Lehrerin. Schnell packte ich den Zettel weg. Xenia überreichte mir wieder den Strauß und setzte sich ebenfalls schnell auf ihren Platz.
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Cinderella?! Really?!
Teen FictionEine moderne Cinderella Story, nur andersrum und etwas anders: Textausschnitt: ,,Cinderella?! Really?! Ich werde aber kein Kleid anziehen!" Ernst schaute Xenia mich an:,,Doch natürlich! Und du bekommst eine Krone aufgesetzt und ein Zauberstab in di...