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Der nächste Morgen brach an. Ich streckte mich ausgiebig und hatte meine Augen noch geschlossen. Vorsichtig tastete ich nach Tae, den ich jetzt stolz meinen Freund nennen konnte. Verwirrt öffnete ich meine Augen. Neben mir lag niemand. Wo war er?

Ich stand aus dem Bett auf und entdeckte auf einem Stuhl ordentlich zusammengefaltete Klamotten. Ob sie für mich waren? Ich tapste zu den Klamotten, schnappte sie mir und ging in das Bad. Mit einer Katzenwäsche machte ich mich schnell frisch und zog mich an. Die Kleidung war mir, wie letztes Mal, als ich mir etwas von ihm ausgeliehen hatte, zu groß. Aber zum Glück rutschte die Hose dennoch nicht von meinen Hüften.

Angezogen verließ ich das Bad und machte mich auf die Suche nach Taehyung. Schlussendlich fand ich ihn in der Küche am Herd stehen. Von hinten umarmte ich ihn und murmelte ein: „Guten Morgen.“ Er erwiderte den Gruß und drehte sich in der Umarmung zu mir um und küsste mich auf meinen Scheitel.

„Setz dich schon mal an den Tisch. Das Frühstück habe ich gleich fertig“, sagte er liebevoll. Ich nickte ihm zu und wandte mich dem Esstisch zu. Erst jetzt bemerkte ich Yuna, die schon am gedeckten Tisch saß. Breit grinste sie mir entgegen und ließ mich kaum aus den Augen. Sobald ich saß, quietschte sie: „Glückwunsch! Ihr seid so süß zusammen.“

Ich brachte auf die Aussage hin nur ein verlegenes „Danke“ heraus.

„Ich hoffe, du hast Hunger und du magst die koreanische Variante des Frühstücks? Soweit ich weiß, esst ihr meist Brot zum Frühstück...“, sagte Taehyung, der nun auf dem Esstisch verschiedene Schalen abstellte. Für jeden gab es eine Schale Reis, eine kleine Schale Suppe, und in der Mitte auf einem Teller war etwas Eiartiges. Es sah aus wie Omelett, nur als Rolle zusammengerollt.

„Die Suppe, das ist Kimchisuppe. Ich hoffe, das ist dir nicht zu scharf. Notfalls mache ich dir Brot.“ Fragend sah Taehyung mich an. „Kannst du scharfes Essen essen?“

„Ja, kann ich.“ „Okay, das ist gut. Und das in der Mitte ist Gyeran-mari (Info: 계란말이). Das ist Ei mit Gemüse, so ähnlich wie Omelett, nur zusammengerollt“, erklärte er.

„Probier mal.“ Mit zwei Stäbchen hielt er mir ein Stück von dem Eigericht vor die Nase. Vorsichtig schnappte ich mir das Stück mit dem Mund und aß es. „Lecker!“, stieß ich aus, nachdem ich es heruntergeschluckt hatte.

Yuna kicherte im Hintergrund und bekam sich fast gar nicht mehr ein. „Mach ein Foto, dann hast du länger was davon“, sagte Tae zu ihr. „Gute Idee! Vielleicht mache ich das auch. Es ist einfach zu knuffig, euch dabei zuzusehen.“

Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Deshalb griff ich nach den Stäbchen und wollte anfangen zu essen. Doch es war komplizierter, mit Stäbchen zu essen, als ich dachte. Immer wieder rutschte mir das Essen weg. Langsam störte es mich! Tae und Yuna lachten sich kaputt. Toll. Schmollend legte ich die Stäbchen weg. Doch als ich in Taes wundervoll lachendes Gesicht sah, konnte ich nicht anders, als mitzulachen. Tae rollte mit den Augen, doch er musste grinsen.

„Werdet ihr dann auch gemeinsam auf den Schulball gehen?“, fragte Yuna. Ich hielt inne. Was würde Tae ihr antworten? An den Schulball hatte ich gar nicht gedacht. Ich wartete immer noch auf Taes Antwort. Als ich dann zu ihm schaute, bemerkte ich, dass er mich genauso fragend musterte.

„Ich... würde sehr gerne mit dir gehen. Aber du musst sagen, ob die anderen es schon wissen sollen. Mir... wäre es... egal. Naja... wenn du mit mir gehen würdest, wäre es mir egal.“ Ein wundervolles Lächeln ließ Taes Gesicht strahlen.

„Dann steht meine Begleitung für den Ball fest“, sagte Taehyung fröhlich.

Ich stellte mir vor, wie es wohl werden würde. Würden wir akzeptiert werden? Was ist mit Bianca oder mit Clara? Ich machte mir mehr Sorgen um Bianca, da sie Gefühle für mich hatte, soweit ich es wusste. Aber Clara war auch nicht ohne. Sie würde bestimmt jede Gelegenheit nutzen, mir alles kaputtzumachen. Da muss ich demnächst echt aufpassen.

„Alles gut?“ Besorgt sah mich Taehyung an. „Ich meine, du sahst auf einmal so besorgt und in Gedanken verloren aus“, fügte er hinzu und hantierte dabei mit seinen Händen. „Nee, alles gut. Ich habe mich nur an den Brand gestern erinnert“, redete ich mich schwach heraus. Zugleich versprach ich mir, Clara und sogar meiner Mutter keine Gelegenheit zu geben, meine Beziehung mit Taehyung zu zerstören! Wir frühstückten noch zu Ende und unterhielten uns über verschiedene Themen, beispielsweise über die Kultur aus Korea und darüber, dass ihre Eltern viel beschäftigte Unternehmer waren. Sie hatten selten Zeit für ihre Kinder. Taehyung und Yuna versicherten mir aber, dass sie das ihren Eltern gar nicht mal übel nahmen. Aber mir fiel es schwer zu glauben. Sie kannten es einfach nicht anders. Dafür, dass sie ihre Eltern kaum sahen, riefen sie jeden Tag per Telefon oder per Videocall bei Skype oder Facebook an.

Nach dem Frühstück verschwand Yuna aus dem Haus, nachdem sie ihr Geschirr weggeräumt und ihre Handtasche geholt hatte. „Bin mit einer Freundin verabredet. Viel Spaß euch zwei und treibt es nicht zu wild“, verabschiedete sie sich lachend. Verdutzt sah ich ihr hinterher. Der Spruch hätte auch eins zu eins von Xenia stammen können. Apropos Xenia... ob sie noch sauer auf mich war? „Das würde ich morgen klären...“, nahm ich mir vor. „Soooo... und was machen wir jetzt in der Zeit bis zum Kino?“, fragte Tae. Ich zuckte mit den Schultern. „Gut, wenn dir nichts einfällt, gehen wir spazieren.“ Er zerrte mich hinter sich her zur Tür, und wir zogen uns die Schuhe an. Planlos liefen wir einfach los. Mir war völlig egal, was wir taten, Hauptsache, wir taten es gemeinsam. Einmal kniff ich mir sogar heimlich in den Arm, um zu sehen, ob ich nicht träumte. Doch Tae bemerkte es und lachte schallend. „Tja, ich weiß, ich bin halt einfach ein Traumtyp!“, sagte er gespielt selbstverliebt. „Naja, eigentlich sollte ich das über dich sagen.“ Sobald er das gesagt hatte, nahm er meine Hand und küsste mich.

Der Kuss war zärtlicher als gestern, doch nicht weniger schön. Hand in Hand liefen wir weiter, und für diesen Moment kam es mir vor, als ob wir in einem Buch mit den Endworten „Friede, Freude, Eierkuchen“ wären. Da stieß ich aus Versehen mit einem Mädchen zusammen, das auf ihr Handy gestarrt hatte. Als sie den Kopf hob, blieb mir meine Entschuldigung im Halse stecken. Das Mädchen vor uns war Lisa. Sie ging mit mir in die Klasse und war bekannt dafür, alles zu wissen und vor allem weiterzuerzählen. Kurz gesagt: Sie war die Queen von Klatsch und Tratsch. „Oh, hi Alex, so – hä?“ Sie unterbrach ihren Satz, als sie auf meine Hand schaute. Die Hand, die immer noch in Taes Hand lag. „Äh, Lisa, es –“ „Nee, echt? Das hätte ich jetzt nicht erwartet! Krass... okay, ähm... viel Spaß euch, bis... morgen.“ Sie ließ mich nicht zu Wort kommen und rannte fast los. „Scheiße!“ „Was ist los?“, fragte Tae. „Naja, Lisa kann kein Geheimnis für sich behalten...“ Tae überlegte. Dann sagte er: „Aber, ist es denn ein Geheimnis? Ich meine, am Ball wären wir ja auch zusammen hingegangen...“ „Ja schon, aber sie löst mit ihren Erzählungen meistens nur Gerüchte aus.“ „Hmm... weißt du was, das ist jetzt gerade egal.“ Er zog mich um eine Ecke, drückte mich sanft gegen die Wand und küsste mich. Auf die Wange, den Mund, den Hals... und das so intensiv! Ich wusste nicht genau, wie lange wir uns küssten, doch dann klingelte dieses verdammte Handy uns schon wieder dazwischen. Ich überlegte ernsthaft, es einfach in den Müll zu werfen! Ich achtete nicht darauf, wer anrief, und stellte mein Handy einfach auf lautlos. Doch ich bemerkte mit einem Blick aufs Handy, dass wir uns beeilen mussten, wenn wir rechtzeitig zum Film kommen wollten.

Schnell liefen wir los. Mitten auf dem Weg hielt Tae plötzlich inne. „Was ist?“, fragte ich, als er mich einfach nur anstarrte. „Mist, du hast da 'nen Knutschfleck...“ Meine Hand schoss an den Hals. Mist. „Äh... was jetzt?“ „Um das kümmern wir uns nach dem Film“, beschloss er kurzerhand. Wir gingen ins Kino, kauften Popcorn und gingen in Saal 4. Der Film war unglaublich spannend. Doch was mich fast mehr interessierte, war die Lovestory. Ich lehnte den Kopf an Taes Schulter. Ich konnte es immer noch kaum glauben, dass der Typ neben mir mein Freund war! Ich träumte wohl ein wenig vor mich hin, denn ich bemerkte erst, dass der Film zu Ende war, als Tae mich an der Schulter rüttelte. „Hey, bist du wach?“ „He? Was? Achso, äh... klar“, stotterte ich verwirrt. Tae zog mich lachend und kopfschüttelnd aus dem Kino. Auf dem Weg nach Hause unterhielten wir uns über den Film. Da klingelte mein Handy schon wieder. Diesmal nahm ich ab. „Hi Xenia–“ „Wieso nimmst du nie ab, wenn ich dir anrufe?“ „Ich–“ „Lass mich raten? Du bist mit deinem Prinzen zu fest beschäftigt?“ „Also–“ „Ist ja auch egal! Viel Spaß mit deinem Lover.“ Dann legte sie auf. Ugh... das war übel. Ich schaute verunsichert zu Tae. Der lächelte: „Ich glaube, es wäre besser, du gehst zu ihr.“ Ich nickte. Ich gab ihm einen kurzen Kuss und wollte gehen, doch er hielt mich zurück. „Nimm doch schnell den Schal mit. Sie würde ausrasten, wenn sie den Knutschfleck sieht.“ Ich nahm ihn dankend an. „Also, bye.“ verabschiedete ich mich.

Cinderella?! Really?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt