20 | Büro

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Mein Brustkorb schmerzte

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Mein Brustkorb schmerzte. Meine Kleidung zerrissen. Die Sonne erhitzte meinen Körper und brachte meinen Kopf zum dröhnen. Immer schneller werdend lief ich den verlassenen Weg zurück zu meinem Motorrad.

Einen großen Briefumschlag, mehr hatte dieser Bastard mir nicht in die Hand gedrückt, als er mich zur Tür rauswarf. Ich hasste mich dafür, Nives zurückzulassen, doch sie hatte Recht. Ihr würde nichts passieren. Sie würde klar kommen. Ich musste also darauf vertrauen, dass sie sich zu wehren wüsste und Hilfe in der Villa suchen.

Elio wurde ebenso wie ich freigelassen. Sie hatten erzählt, er wäre bereits wieder Zuhause. Natürlich hatten sie gelogen. Alles war gelogen. Serafino wusste genau, was er tat. Welche Schritte er einleiten musste, um sich selbst in die beste Position zu begeben.

"Da ist es." Ich zeigte zu meinem Motorrad. Es lag genauso noch hinter einem Busch am Straßenrand, wie wir es verlassen hatten. Diese Tatsache bewies, dass niemand hier lang kam. Sie hatten sich einen Ort aufgesucht, der nicht nur abgelegen lag, sondern auch von Wanderern nicht besucht wurde.

"Wir sollten zurück", hörte ich Elio hinter mir. Seine Stimme - schwach, zitternd und dünn. Er wurde nicht geschlagen, wie sie es bei mir taten. Jedoch machte ihm der Wasser- und Schlafmangel zu schaffen.

"Glaube mir. Ich würde nichts lieber tun, als zurückzugehen, um einen nach dem andern ausschalten", entgegente ich ihm und zog dabei mein Motorrad hoch. "Aber wir haben keine Waffen und sie beobachten und sicher. Uns bleibt also keine Wahl, als das zu tun, was er verlangt hat."

Mein Blick fiel flüchtig zu Elio. Tiefe Ringe traten unter seinen Augen hervor. Er starrte ins Nichts und schien nervlich am Ende zu sein. Ich richtete meine Konzentration auf die Maschine und stieg auf, um sie auch sofort zu starten. Elio setzte sich hinter mich und in hohem Tempo fuhren wir durch die Sonne Richtung Palermo.

Der Weg zur Villa kam mir unwirklich vor. Ich nahm nichts mehr um mich herum wahr. Nur die Straße, die vor mir lag. Schneller als ich es realisieren konnte, kamen wir vor denn breiten Tor an, welches der Pförtner uns öffnete.

Ich parkte mein Motorrad und stellte es ab. Zurück blieb dadurch nur Stille, die ab und zu von Vogelgezwitscher unterbrochen wurde. Es hätte beinahe friedlich gewirkt, würden wir nicht gerade von dem Haus kommen, in dem wir Nives zurücklassen musste.

"Elio!" Die Haustür ging auf. Ludovica rannte in ihrem schwarzen Hosenanzug auf uns zu und riss Elio fest in ihre Arme. Sie schloss ihre Augen. Krallte sich an ihm fest, während ich den Tränen auf ihren Wangen zusah, wie sie unaufhaltsam herabliefen. "Gott sei Dank bist du wieder da."

Sie schluchzte in sein Hemd. Laute entkamen ihrer Kehle, die mir einen Schauer über den Rücken jagten. Ich sah ihr an, dass sie ihn am liebsten nie wieder losgelassen hätte. Auch Malino und Antonio kamen raus aus der Villa und freuten sich, ihren Bruder in die Arme schließen zu können. Trotzdem blieb Trauer in ihrem Augen zurück. Denn ein ganz besonderer Mensch fehlte ihnen...

"Ayaz", flüsterte Ludovica, nachdem sie ihren Sohn freigegeben hatte. Mit einem besorgten Ausdruck lief sie auf mich zu, um ihre Hand vorsichtig an meine Wange zu legen. Selbst ihre kaum merkliche Berührung schmerzte. Blessuren zierten meine Haut. "Wo ist Nives? Sag mir bitte, dass ihr sie gefunden habt."

Ich wollte ihr die Wahrheit sagen. Ihr sagen, dass alles gut werden würde. Doch ich konnte nicht. Dieser Vertrag, den ich unter meinem Pullover bei mir trug, würde ihr Herz zerreißen. Es in tausend Stücke zerfetzen. Genau das wollte Serafino. Ich sah zu ihr herab und sprach nur das aus, was sie beruhigen würde.

"Wir wissen, wo sie ist. Wir holen sie da raus. Ich muss mit Gino reden."

"Er ist nicht da. Ich kann ihn nicht erreichen. Seit gestern Abend schon nicht", erklärte sie unter Tränen. "Er ist mit Nunzio und Adamo auf der Suche nach ihr. Sie sind nicht in der Stadt."

Ich nickte und entdeckte im gleichen Moment Cecilio. Er stand in der Haustür und machte den drei Jungs Platz, die an ihm vorbei ins Innere liefen. Ludovica entfernte ihre Hand von meiner Wange und drehte sich zur Haustür um.

"Ihr könnt ins Büro. Ich werde mich um die Kinder kümmern", erklärte Ludovica und lief mir voraus zu Cecilio. Ich folgte ihr und gemeinsam betraten wir den großen Eingangsbereich. Kühle Luft empfing mich. Ich atmete sie tief ein. Ludovica suchte das Wohnzimmer auf. Ich spähte hinein. Enzo war gerade dabei, Elio zu umarmen.

"Bring uns bitte zwei Kaffee", wies Cecilio eine der Hausmädchen an. Sie lächelte freundlich. Anschließend folgte ich Cecilio in das Büro. Ein Gemälde von den Kindern hing an der Seite. Hinter dem Schreibtisch erkannte ich das Bild eines Messers an der Wand. Es roch nach Zigarren und Whisky. "Setz dich."

Cecilio zeigte auf einen der beiden Stühle vor dem prächtigen Schreibtisch. Er nahm dahinter auf dem breiten Sessel Platz. Ich setzte mich hin und begegnete seinem Blick. Er schien ganz ruhig. Als würde er sich auf etwas vorbereiten.

"Ihr habt sie gefunden. Zumindest gehe ich davon aus, da du aussiehst, als wärst du ganz schön die Mangel genommen worden. Sie haben euch nicht getötet. Entweder haben sie also nur Interesse an Nives und ihr seid den Entführern egal - oder aber ihr sollt uns etwas ausrichten." Er verengte seine Augen und wartete auf meine Antwort. In dem Moment betrat das Hausmädchen das Büro und stellte uns jeweils einen Kaffee hin. Cecilio nickte ihr zu und so schnell, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder.

"Also?" Er rührte mit einem Löffel durch seine Tasse und starrte mich dabei unentwegt an. Ich holte den Briefumschlag unter meinem Pullover hervor. Bevor ich diesen aber ihn reichte, offenbarte ich alles, was mir im Kopf umher geisterte.

"Er heißt Serafino. Ich schätze ihn auf 25-27. Das Haus lag an den Klippen. Bewacht von ungefähr 30 Männern. Es gab keine Chance, da sie die gesamte Straße die dorthin führt überwachen."

Ich reichte ihm den Briefumschlag und nahm anschließend einen Schluck meines Kaffees. Cecilio öffnete den Umschlag und nahm den Vertrag heraus, der mir ein Engegefühl in der Brust auslöste.

"Dio mio", entkam es Cecilio mit großen Augen, der die Papiere sorgfältig vor sich ausbreitete. Er ging konzentriert jede Zeile durch. Ließ sich Zeit, den Vertrag zu studieren. Lautlose Minuten vergingen, in denen er aufstand und mit den Papieren auf und ablief. Bei ihm bereitete mir die Stille Unbehagen.

"Wir kriegen sie da raus, oder?", fragte ich irgendwann und steckte all meine Hoffnung darauf, mit ihm und Gino gemeinsam das Haus zu stürmen. Ich wollte Nives da rausholen. Wollte nicht, dass sie auch nur noch einen Tag dort ausharren müsste.

"Weißt du, was das ist?" Cecilio zeigte mir die letzte Seite des Vertrags, auf dem sich auch die Unterschriften von Nives und Serafino befanden. Weiter oben zeigte er mit seinem Finger auf einige Namen, die mir unbekannt waren. "Das sind die mächtigsten Familien aus ganz Italien! Das sind Zeugen dafür, dass dieser Vertrag gültig und unwiderruflich ist!"

Er riss den Zettel zurück und sah ihn sich nochmal an.

"Bianchi", hörte ich ihn boshaft flüstern. Seine Stimme bebte. Wut und Zorn waren herauszuhören. "Sie sind wie Ratten! Man wird sie selbst über Jahre nicht los!"

"Aber wir können sie da raus holen! Wir müssen sie da rausholen!" Ich stand hektisch auf und beobachtete ihn. Er schien nervös, was mich wiederum nervös machte. "Ruf Gino an! Wir fahren jetzt dahin und-"

"Verstehst du es nicht?!", wurde er lauter und stellte sich genau vor mich. "Nein, du bist mein Mafiosi! Du bist nur ein türkischer Bauer!", wütete er und warf den Zettel auf die Tischplatte. "Dieser Vertrag ist gültig und uns bleibt nichts übrig, als uns dem zu beugen! Tun wir es nicht, wird diese Blutrache uns alle schneller treffen, als wir ahnen können."

Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt