58 | Schrank

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Mit angehobener Waffe lief ich Schritt für Schritt langsam den dunklen Flur entlang. Alle Türen waren geschlossen. Hinter jeder könnte sich Serafino verstecken. Dieser Gedanke brachte meine Hand zum Zittern. Angst davor, in eine Falle zu laufen, schnürte mir die Kehle zu. Am liebsten wäre ich abgehauen, doch ich spürte Ayaz Präsenz hinter mir. Ich wollte nicht schwach wirken und hob mein Kinn an.

"Ich durchsuche die Zimmer. Du bleibst hier und passt auf", befahl ich, da drehte er mich an meiner Schulter zu sich herum. Es war so dunkel, dass ich sein Gesicht kaum erkannte, als ich zu ihm aufsah. Trotzdem spürte ich, wie eindringlich er mich fixierte.

"Du zitterst", erklärte er und strich mit seiner Hand meinen Arm entlang nach unten. Ich unterdrückte es, seine Berührungen zu genießen. Überfordert zog ich mich zurück und schüttelte den Kopf.

"Mir geht's bestens. Ich-"

"Nives... Du musst mir nichts beweisen. Ich kenne dich. Es ist in Ordnung Angst zu haben. Lass mich die Zimmer durchsuchen."

"Darum geht es nicht!", wurde ich in meiner Verzweiflung lauter. Reinstes Chaos nahm mich ein. Ich stand in diesem finsteren Flur vor dem Mann, für den ich immer noch so viel empfand. Gleichzeitig durchflutete mich die Angst, dass Serafino mich erneut meinem Leben entreißen würde. Damit nicht genug. Mein Bruder verschwand, ohne dass ich ihn hätte schützen können. "Wenn Toni etwas passiert, ist es ganz allein meine Schuld, Ayaz." Meine Stimme begann zu zittern. "Elio liegt wegen mir im Krankenhaus! Malino ist wegen mir in einer Klinik. Stella hat wegen mir ihr Kind verloren. Jetzt ist Toni weg und -"

"Es ist nicht deine Schuld!"

"Doch!", wehrte ich mich, obwohl ich ihm so gerne glauben wollte. "Und wenn dir auch noch etwas passiert, dann ertrage ich mein Leben nicht mehr!  Dann kann ich mir gleich hier selbst in den Kopf schießen." Ich hob die Waffe an und sah weiterhin zu Ayaz auf. "Also lass mich nachsehen. Lass mich vorgehen. Wenn ich wenigstens deinen Tod damit verhindern kann, dann habe ich einmal in meinem Leben etwas richtig gemacht."

"Wieso?", fragte er und kam einen Schritt auf mich zu. "Ich dachte, ich bin dir egal. Du bist in Griechenland abgehauen und hast mich zurückgelassen. Ich dachte, das wäre für dich ein Schlussstrich."

"Ach, Ayaz! Hör auf jetzt mit mir zu diskutieren! Natürlich bist du mir egal! Trotzdem will ich nicht, dass du stirbst."

"Du lügst." Trotz der Dunkelheit erkannte ich ein Lächeln auf seinen Lippen. "Du empfindest noch was für mich."

Ich wandte mich von ihm ab, da in dem Moment ein lauter Knall ertönte. Sofort schreckte ich zurück und erkannte, dass dieser aus dem Obergeschoss kam. Dort oben gab es nur Enzos Bereich.

Aufgeregt stand ich an Ayaz Brust und spürte seine Hand, die sich fest um meine Taille legte. Sprachlos blickte ich zum Ende des Ganges, an dem sich die Treppe nach oben befand.

Ayaz nahm mir vorsichtig die Waffe aus der zitternden Hand und drängte sich an mir vorbei. Ich ließ es gut sein zu protestieren. Klammerte meine Finger um seine Lederjacke und folgte ihm. Er hielt beide Pistolen vor sich und Schritt behutsam Stufe für Stufe nach oben. Bei der Hälfte der Treppe umfasste ich seine Jacke fester, was ihn zum Innehalten brachte.

"Na, gut! Du bist mir nicht egal und ich würde es bevorzugen, dass du bitte aufpasst, dich nicht erschießen zu lassen!"

Er drehte sich zu mir und ich bereute meine Worte, als ich dieses dämliche Grinsen auf seinen Lippen erkannte. Meine Augen rollten sich. Er grinste noch breiter.

"Ich wusste es."

"Soll ich es dir vielleicht auf einen Zettel schreiben oder gehst du jetzt endlich weiter?!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: 2 days ago ⏰

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Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt