56 | Zusammenkunft

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"...und dann stand plötzlich Cecilio hinter mir."

Gemeinsam mit meinem Vater, meiner Mutter und Cecilio saß ich am Esstisch. Nachdem wir zu Abend gegessen hatten, legte sich Toni schlafen. Wir nutzten die Chance. Ich erklärte ihnen im Detail, was alles auf der Insel passiert war. Ich wollte keine Geheimnisse mehr. Keine offenen Fragen. Es tat gut, alles mal rauszulassen und Zuspruch zu erhalten. Zuvor dachte ich noch, vollkommen krank und irre zu sein. Meine Familie sprach mir zu, richtig gehandelt zu haben. Zumindest bis auf eine Sache.

"Du hättest ihn nicht nur abschießen sollen", entkam es meinem Vater, der vor sich ein Glas Whiskey stehen hatte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte seine Arme. "Ein Kopfschuss wäre besser gewesen."

"Gino", mahnte meine Mutter, die ihm einen vorwurfsvollen Blick zu warf. Sie hielt ihre Hände eng um die weiße Tasse vor sich, aus der es nach Kamille duftete.

"Ai, was denn? Wenn sie schon die Angestellte ersticht und verbuddelt, hätte sie ihn direkt hinterher werfen können."

"Dann wäre der Vertrag gebrochen", brachte meine Mutter hervor und sah zu Cecilio, der als einziger stand und zur Fensterfront hinaus sah. "Oder?"

"Der ist sowieso gebrochen", erklärte mein Onkel ruhig. "Ihr ist ja nicht mal gestattet, alleine zu reisen."

"Dass ich noch atmen durfte, grenzt an ein Wunder." Ich atmete tief durch und starrte gedankenverloren auf das Glas meines Vaters. Er bemerkte meinen Blick und lehnte sich vor. Mit zwei Fingern schob er mir das Glas Whiskey zu. Ich lächelte dankbar und nahm einen kleinen Schluck. Meine Kehle brannte.

"Aber du hast doch sicher etwas erreicht. Wenn du die Zeugen aufgesucht hast dann-"

"Sie werden mit keinem von uns zusammenarbeiten", unterbrach Cecilio meine Mutter und drehte sich zu uns. Ich wusste bereits, was gleich folgen würde und hielt den Atem an. Vorsichtig schob ich das Glas zurück zu meinem Vater. Er würde jeden Tropfen brauchen.

"Was meinst du damit?" Meine Mutter runzelte ihre Stirn und sah zu Cecilio auf. Auch mein Vater wartete auf eine Antwort. Mein Blick fiel flüchtig auf das Ende des Tisches. Genau dorthin, wo sonst immer mein Opa saß. Er fehlte. Nicht nur wegen dieser ausweglosen Situation, sondern auch einfach nur als mein Großvater, der mich stets mit seinem sanften Lächeln aufmunterte.

"Sie würden sich umstimmen lassen, wenn Dario-"

"No!" Mein Vater stand ruckartig auf und spannte seinen Körper an. "Hast du den Verstand verloren?!"

Cecilio starrte ihn ausdruckslos an. "Kannst du mich bitte einmal im Leben ausreden lassen?"

"Nicht, wenn es um ihn geht! Nicht wenn es darum geht, ihn wieder ins Familiengeschäft zu holen!"

"Mein Gott. Immer so emotional und dramatisch." Mein Onkel schwenkte sein Weinglas und holte tief Luft.

"Ich bin dramatisch?", wiederholte mein Vater ihn und lief um den Tisch auf ihn zu. Dieses Mal war es meine Mutter, die sich das Glas Whiskey zur Hand nahm. Sie tank es in einem Zug aus und beobachtete anschließend genau wie ich die Situation. "Soll ich mich mal mit deiner Frau amüsieren und danach auf heile Familie machen?!"

"Du hast mehrere zur Auswahl. Vergiss nicht eine Schaufel mitnehmen."

Irritiert starrte ich die beiden an, da begann mein Vater plötzlich dämlich zu grinsen. Cecilio tat es ihm gleich.

"Es wird sich nie ändern", sprach meine Mutter. Als ich zu ihr blickte, fasste sie sich an ihre Stirn und schüttelte kaum merklich den Kopf.

"Der war nicht schlecht. Trotzdem ist und bleibt meine Antwort nein. Ich will ihn nicht täglich in diesem Haus. Ich will mich nicht mit ihm absprechen müssen. Ich will nicht abhängig von seinem Handeln sein."

Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt