22 | Erster Abend

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Man hörte nur das Ticken der Uhr, die neben unserem Türbogen hing. Meine Brüder warteten oben auf mich. Sie kümmerten sich um Antonio, der nichts hiervon mitbekommen sollte.

Ich saß am Tischende. Gegenüber von mir meine Mutter, die nervös in ihrem Tee herumrührte. Enzo saß links zwischen uns und starrte hinaus in den dunklen Garten, vorbei an Serafino, der stetig ein freches Grinsen auf den Lippen liegen hatte.

"Also, zu dem Vertrag", begann meine Mutter die Ruhe zu unterbrechen. Sie drehte ihr Gesicht zu Serafino und sah ihn eindringlich an. Es schien für einen Moment, als würde sie etwas in seinen Augen erkennen. Etwas, dass sie in Panik versetzte. Mein Blick fiel herab zu ihrer Hand. Diese zitterte, wurde allerdings von Enzo umfasst, der ihr einen aufmunternde Ausdruck zukommen ließ. Sie atmete tief durch und sammelte sich. "Dieser Vertrag muss aufgelöst werden. Wir akzeptieren keine dieser Bedingungen. Außerdem haben wir keine persönlichen Zeugen dabei gehabt."

"Hatte mein Vater Zeugen, als du ihn kaltblütig umgebracht hast?" Serafino lehnte sich nach vorne, woraufhin meiner Mutter jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Sie starrte erschrocken zu mir, um anschließend wieder Serafino ins Visier zu nehmen.

"Du bist-"

"Ja, der bin ich. Und gerade hast du wohl zugegeben, dass es stimmt, was ich sage."

Meine Mutter schluckte fest und entriss Enzo ihre Hand, um hektisch aufzustehen. Als ich merkte, dass sie sich an ihre Brust fasste und Probleme mit ihrer Atmung bekam, erhob auch ich mich und lief eilig auf sie zu.

"Mama", beruhigte ich sie und wollte lediglich meine Hand auf ihre Schulter legen. Sie zuckte jedoch heftig zusammen und blickte mich mit geweiteten Augen an.

"Hol sofort Cecilio", wies Enzo mich an. Ich weigerte mich für einen Moment, meine Mutter alleine mit Serafino in einem Raum zu lassen, doch mein Opa packte meinen Unterarm. "Geh schon! Ich passe auf!"

Ich nickte und rannte zur Terassentür, um durch die Dunkelheit hindurch auf das Poolhaus zuzulaufen. Seit meiner Rückkehr vor einer halben Stunde hatte Cecilio sich noch nicht blicken lassen. Wer könnte es ihm aber verübeln. Er war eben kein allzu emotionaler Mensch und wartete sicher auf einen ruhigen Moment mich willkommen zu heißen.

Ohne anzuklopfen, öffnete ich die Tür und trat ein. Cecilio stand direkt vor mir. Sein Gesicht zu mir gewandt. Eine Hantel lag in seinen Händen. Schweiß lief über seinen nackten, tätowierten Oberkörper. Er atmete tief und gleichmäßig, bis seine Augen auf meine trafen.

"Du musst sofort mitkommen", erklärte ich, doch er schüttelte den Kopf, wodurch seine durchnässten schwarzen Haare leicht über seine Stirn fielen.

"Geh wieder rein." Er hob die breite Hantel an und hielt ihr Gewicht an seinem Brustkorb, um sie anschließend wieder langsam sinken zu lassen.

"Cei!", wurde ich lauter und stellte mich dabei genau vor ihn, um fassungslos zu ihm aufzusehen. "Ich komme zurück und du trainierst, als wäre das nichts? Okay! Aber Mama geht es echt beschissen. Sie braucht dich!"

"Nives", sprach er monoton und beugte sich vor, um die Hantel zu Boden zu legen. Er nahm ein Handtuch von dem Tresen neben sich und führte es über sein Gesicht, um es anschließend über seine Schulter zu legen.

"Wenn ich da jetzt reingehe, dann reiße ich diesem Bianchi den Oberkörper auf, um ihn mit bloßen Händen auszuweiden. Das würde wohl den Vertrag brechen und wir würden alle sterben. Ich bleibe also lieber hier und gebe mich meinen Fantasien hin."

"Wow. Du bist ja gut drauf", erwiderte ich ihm mit hochgezogener Augenbraue, während er sich eine Flasche Wasser nahm.

"Oh, ich bin super gut drauf. Am liebsten würde ich in seinem Blut baden und dazu Italienische Oper hören."

Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt