Drei Tage vergingen, in denen ich die meiste Zeit im Krankenhaus verbrachte. Zwei Männer meines Vaters standen vor Elios Zimmer und hielten Wache. Beschützt fühlte ich mich durch sie nicht. Würde Serafino mich holen wollen, könnten auch sie mich nicht verteidigen. Die Pistole, die sich in der Innenseite meiner Jeansjacke befand, allerdings schon.
Ayaz hatte ich nur einmal gesehen, seit ich zurück in Palermo war. Er stand mit Yavuz und meiner Mutter in der Einfahrt. Sie unterhielten sich. Worüber wusste ich nicht, aber sicher über die bevorstehenden Vorsichtsmaßnahmen.
"Soll ich für die Blumen eine Vase holen?"
Eine Schwester kam in den Raum. Mit einem freundlichen Lächeln stellte sie sich an Elios Beistelltisch. Dort stand ein Weihnachtsfoto des letzten Jahres unserer Familie und ein Blumenstrauß, den Zita heute Mittag brachte.
"Nicht nötig. Elio mag keine Blumen. Sie können sie wegschmeißen", gab ich ihr zurück und ließ meinen Bruder dabei nicht aus den Augen. Ich hielt seine Hand und strich mit meinen Fingern über seine Wange.
"Aber-"
Ich hob mein Gesicht und blickte ohne Ausdruck zu der Schwester. Sie schluckte und nahm die Blumen an sich, um mit ihnen in den Gang zu verschwinden. Meine Augen schweiften zum Fenster. Es regnete an diesem Nachmittag.
"Bald wirst du aufwachen", flüsterte ich, während ich den Geräuschen der Monitore um mich lauschte. "Und dann wird uns nie wieder etwas trennen. Keine erpresserische Schlampe und auch kein Serafino. Nichts."
Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ich drückte seine Hand ein letztes Mal und erhob mich, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen.
"Bis morgen."
Ich lief nur langsam aus dem Zimmer und atmete tief durch. Jedes Mal, wenn ich ihn alleine ließ, überkam mich ein schlechtes Gewissen. Doch meine Familie brauchte mich auch Zuhause. Vor allem meine Mutter.
"Signora." Einer der Männer meines Vaters nickte, als ich nach draußen in den breiten Gang trat. Skeptisch sah ich zu ihm auf. Er wirkte nicht wie ein Killer. Mit der Brille ähnelte er eher einem Steuerberater.
"Wenn ihr auch nur 1 Minute Elio unbewacht lasst, dann schlitze-"
"Na, wer wird denn da ausfallend", unterbrach mich mein Onkel Nunzio, der seinen Arm um meine Hüfte legte und mich zu den Aufzügen führte. Mein Vater schickte immer einen meiner Onkel her um mich abzuholen. Er wollte auf Nummer sicher gehen, dass niemand mir zu nahe kommen konnte. "Wenn du sie bedrohst, werden sie auch nicht besser aufpassen."
"Vielleicht schon", wiedersprach ich ihm und drückte den Aufzugknopf. Flüchtig musterte ich Nunzio. Sein grauer Pullover lag eng an. Die schwarze Jeans locker, trotzdem elegant. Irgendwie ironisch, dass ich auf meinen Baby Fotos immer auf seinem Arm zu sehen war, als Erwachsene aber keinen wirklichen Draht zu ihm besaß. Er hielt sich zurück. Verbrachte mehr Zeit mit meinem Vater als mit jedem anderen.
"Hast du Angst?", fragte ich ihn, als die Aufzugstür sich öffnete. Wir traten ein. Mir entging nicht, wie irritiert er mich anstarrte.
"Wovor?"
"Vor Serafino?" Ich wollte es wissen, da er mir am wenigsten so vorkam, als würde er mich beschützen können. Cecilio und mein Vater benahmen sich dominant und selbstbewusst. Dario machte einem alleine mit seiner Kälte Angst. Adamos aufbrausende Art schüchterte andere ein. Doch Nunzio? Er passte nicht ins Bild eines Mafioso.
"Nein", antwortete er grinsend. "Ich habe seine Familie sterben sehen. Er ist nur ein jämmerliches Überbleibsel."
"Hast du jemanden aus seiner Familie getötet?"
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Lies from my bodyguard | Band 2
RomanceEin wir? Das gab es nie. Wir waren nie wirklich ein wir. Es gab nur dich. Dich und deine Lügen. Und mich, die naiv genug war, sich blenden zu lassen. Blenden zu lassen von deiner Art, mit mir umzugehen. Du nahmst mich so, wie ich war. Wolltest mic...