Ich sah ihr nach. Mehr konnte ich nicht tun. Sie ähnelte ihrem Vater zu sehr, als dass man mit ihr hätte reden können. Mich wunderte trotzdem, dass sie nicht wütend aussah. Sie hatte keinen Streit mit Ayaz. Ihre Augen offenbarten mir etwas anderes als Zorn. Dieser Ausdruck von Schmerz. Tiefsitzend, quälender Schmerz, der einem den Verstand raubte. Doch was sollte vorgefallen sein? Es musste mit Ayaz zu tun haben, da sie bei ihm stand ...
"Wo ist sie hin?" Ludovica kam mir entgegen, als ich zurück zum Hauseingang lief. Der Kies knirschte unter meinen Schuhen. Dunkle Wolken zogen den blauen Himmel entlang. Es würde bald wieder regnen.
"Ich weiß es nicht", erwiderte ich ihr. Sie legte eine besorgte Miene auf und sah an mir vorbei. Sobald eines ihrer Kinder mal Ruhe brachte, klingelten bei dieser Frau die Alarmglocken. Es fiel ihr schwer nicht für Nives da sein zu können. Doch das würde sie nie wirklich können. Dieses Mädchen prägte sich von kleinauf auf den Mann, der ihr kein gutes Vorbild war. Dieses typische mit dem Kopf durch die Wand, war für einen Mann wie Gino schon schwer zu händeln. Kaum vorstellbar was die meiste Zeit in Nives Verstand vorgehen musste.
"Ich rufe sie an." Ludovica nahm ihr Handy zur Hand. Ich musterte ihre grünbraunen Augen, die durchgehend auf dem Tor zur Straße lagen. "Ihr Handy ist aus."
"Lass ihr Zeit", beruhigte ich sie und führte sie an ihrem Arm mit mir zurück in die Villa. Am besten würde ich ihr jetzt ein paar Gläser Wein andrehen. Bevor wir allerdings im Hausflur ankamen, hörte ich ein Auto hinter uns.
"Dario...", hauchte Ludovica und löste sich auch gleich von mir, um auf ihn zuzulaufen. Da ich wenig Interesse daran hatte, mich mit ihm zu unterhalten, suchte ich wieder den Garten auf.
Die Menschen um mich herum machten mich zunehmend nervöser. Diese aufgesetzte Freundlichkeit. Die höflichen Fragen ob es einem gut ginge. Dazu ihr falsches Lächeln, wobei ich jedem ansehen konnte, wie neidisch sie stets darauf waren, welch Villa Gino und Ludo besaßen. Diese Menschen waren nur nett, weil sie dazu gehören wollten. Sie meinten es nicht echt.
Mein Blick schweifte zur anderen Seite des Gartens. Ayaz stand dort. Sein Brustkorb angespannt. Seine Haltung unkontrolliert. Immer wieder nahm er sein Handy zur Hand, um es doch wieder wegzustecken. Er trug eine Uhr, also lag es nicht daran, dass er nach der Zeit sehen wollte. Er wollte etwas anderes auf seinem Handy nachsehen. Vermutlich ob Nives ihm schreiben würde. Oder wollte er ihr schreiben? Wieso zögerte er? Wieso haute sie enttäuscht ab?
Streit? Nein. Ein normaler Streit würde sie nicht verjagen. Sie hätte ihn zur Rede gestellt. Ihn provoziert. Das einzige, was eine Nives und einen Gino stillschweigend in die Flucht trieb, war die pure Enttäuschung. Doch was enttäuschte sie?
"Cei!", wurde ich aus meiner Beobachtung gerissen und wandte meinen Blick zur Seite. Gino trat an meine Seite. Er zündete sich eine Zigarette an und hielt Ausschau. "Hast du Nives gesehen?"
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Lies from my bodyguard | Band 2
RomanceEin wir? Das gab es nie. Wir waren nie wirklich ein wir. Es gab nur dich. Dich und deine Lügen. Und mich, die naiv genug war, sich blenden zu lassen. Blenden zu lassen von deiner Art, mit mir umzugehen. Du nahmst mich so, wie ich war. Wolltest mic...