53 | Glück

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Nachdem Cecilio uns Zeit geben wollte, verschwand ich kurz ins Bad. Leider hatte mein Onkel nicht daran gedacht, mir eigene Klamotten mitzubringen. Er wollte welche kaufen gehen, solange zog ich seine an. Eine viel zu große schwarze Jeans, die ich mit einem Gürtel fest zog. Dazu ein weißes Tanktop. Da dieses wie ein Kleid an mir wirkte, machte ich einen Knoten rein.

Als ich zurück ins Zimmer eintrat, stand Ayaz sofort auf. Er musterte mich schweigend, genau wie ich ihn. Ein schwarzes Langarmshirt und eine graue Jogginghose trug er. Er hatte sich überhaupt nicht verändert, obwohl ich mir vorkam, als hätte ich ihn Jahre nicht gesehen. Meine Augen suchten seine. In dem Moment fiel mir doch etwas auf. Er wirkte blass. Schlaflos und müde.

"Wie geht es dir?"

Die Frage von ihm sollte mir dumm und plump vorkommen. Sie berührte mich jedoch, da ich mich nicht erinnern konnte, wann mich das letzte Mal jemand danach fragte.

Langsam lief ich auf das Doppelbett zu, um mich auf dessen Kante niederzulassen. Auch Ayaz nahm erneut auf dem Sessel gegenüber Platz.

"Den Umständen entsprechend ziemlich gut. Immerhin lebe ich, obwohl ich vor Stunden noch dachte, ich würde auf der Mitte des Ozeans verrecken."

Er hob seine Brauen und hörte mir zu.

"Und dir?", stellte ich ihm die gleiche Frage, da eine kurze Stille eintrat.

"Jetzt besser", gab er mir zurück. Seine Blicke bohrten sich in meine Haut. Er inspizierte meinen Körper, als würde er ihn nach Verletzungen absuchen.

"Ayaz, ich-"

"Warte", unterbrach er mich. Irritiert starrte ich ihn an. Er nahm einen tiefen Atemzug und lehnte sich nach vorne. Nervös faltete er seine Hände. "Ich habe alles falsch gemacht, was ich hätte falsch machen können. Und glaube mir, dass ich meine Entschuldigungen schon selbst nicht mehr hören kann", erklärte er mit einem traurigen Lächeln. "Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst - oder dass du vergisst, wie weh ich dir getan habe. Ich will dich nur in Sicherheit wissen. Das ist das wichtigste für mich. Du sollst dein Glück finden ..."

Ich dachte über seine Worte nach. War ich je glücklich? Diese Frage stellte ich mir viel zu oft. Mittlerweile nahm ich es hin, dass Glück nichts beständiges war. Glück kam und ging. Blieb nie lange an einem Ort. In einem Moment war es greifbar, als würde man es in jeder Faser spüren, doch es konnte im nächsten Augenblick für immer verschwinden.

"Also würdest du mich zurücknehmen, wenn ich es wollen würde?", hakte ich nach. Mir entging sein dämliches Grinsen nicht. Sein Ausdruck wurde allerdings schnell wieder ernst.

"Nein", entkam es ihm mir unerwartet. Da ich mit dieser Antwort nicht rechnete, entglitten mit meine Gesichtszüge. Als ich seinen Augen begegnete, riss ich mich aber zusammen. Er sprach weiter. "Du solltest all das, was dir wiederfahren ist, erstmal verarbeiten. Ich bin da, falls du jemanden zum Reden brauchst. Bin da, falls du dich einsam fühlst. Aber wir haben von Anfang an alles überstürzt. Uns nie Zeit gegeben, zu wachsen. Ich würde es mit dir nicht noch einmal überstürzen. Nicht noch einmal riskieren, dir in irgendeiner Weise weh zu tun. Durch meine Erfahrungen dachte ich, ich dürfte uns nicht zu viel Raum geben. Ich wollte erst meine Vergangenheit loswerden."

"Danke." Mehr sagte ich nicht, woraufhin Stille zwischen uns einkehrte. Immer wieder trafen sich unsere Blicke, doch wir wichen uns aus. Erst, als es dann klopfte und Cei eintrat, atmete ich wieder ruhiger.

"Morgen früh fliegen wir nach Palermo. Ich muss noch einiges klären." Er stellte eine Tasche vor mir ab. Nur kurz spähte ich hinein. Sie war gefüllt mit schwarzen Klamotten.

Cecilio musterte mein Outfit.

"Steht dir. Siehst gleich gefährlicher aus." Sein Blick schweifte zu Ayaz. "Wir sollten ihr Ruhe lassen, meinst du nicht auch?"

Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt