44 | Trauer

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"Ich verdanke dir so alles. Danke dir für jeden Moment. Jede Stunde, die wir gemeinsam Seite an Seite verbracht haben. Ich danke dir für jeden Augenblick, in dem du mir das Gefühl gegeben hast, zu deiner Familie zu gehören ... Du hast mich zu einer Tochter gemacht. Hast mir in schwierigen Zeiten zugesprochen und nie aufgehört, an mich zu glauben. Jetzt bist du bei ihr. So lange hast du darauf gewartet, sie endlich wiederzusehen. Wieder mit ihr vereint zu sein. Nicht viele Menschen schaffen es, den letzten Weg mit einem Lächeln zu beschreiten. Du schon und wenn ich abends in die Sterne blicke, dann lächle auch ich den Schmerz weg. Ich stelle mir vor, wie glücklich du bist und halte dich in bester Erinnerung."

Gedankenverloren lauschte ich den Worten meiner Mutter. Sie stand an dem Sarg meines Großvaters. Mein Vater, Dario und Nicolo nah an ihrer Seite. Ganz in schwarz gekleidet standen sie meiner Mutter bei, die immer wieder kurze Pausen brauchte, um sich zu sammeln. Dieser Verlust traf sie am stärksten. Fünf Tage war es her. Fünf Nächte, in denen ihr bitterliches Weinen durch die Villa hallte. Mein Vater nahm sich die Zeit, für sie da zu sein. Auch Dario und Nicolo verbrachten die letzten Tage bei uns, während Adamo mit Stella wieder nach Hause gezogen ist. Sie verkraftete den Unfall nicht. Wollte kein Wort mit mir wechseln. An dem schicksalhaften Abend im Krankenhaus suchte ich ihr Zimmer auf. Doch sie wollte mich nicht sehen. Genau wie Malino, der mir ebenso aus dem Weg ging.

"Trink etwas." Serafino riss mich aus meinen Gedanken. Er stand neben mir und reichte mir eine kleine Flasche Wasser. Ich schüttelte meinen Kopf und drehte mich zur anderen Seite. Antonio kuschelte sich an meine Seite und weinte in ein weißes Taschentuch. Sein Körper zitterte und es tat mir unglaublich leid, nicht mehr für ihn machen zu können, als ihn zu umarmen.

"Du gehst diesen Weg nicht alleine. Wir sind da", sprach meine Mutter weiter und wir sahen unter dem hellen Himmel von Palermo dabei zu, wie der Sarg langsam in den Boden gelassen wurde. "Wir sind immer da."

Schluchzend wischte sich meine Mutter ihre Tränen aus dem Gesicht. Dario und Gino traten an ihre Seite. Stützen sie und beobachteten dabei den Sarg, genau wie alle anderen hier.

"Hey." Ich sah leicht hinter mich. Jennifer, Nunzio, Adamo, Zita und der Rest standen nebeneiner. Nur Felice kam mir näher und legte seine Hand auf meinen Rücken. "Wenn du etwas brauchst, sag mir jederzeit Bescheid."

"Danke", lächelte ich gezwungen, da ich nur eines brauchte. Doch niemand konnte Elio zum aufwachen zwingen. Er musste es alleine schaffen und ich musste an ihn glauben. Durfte die Hoffnung nicht verlieren, ganz gleich wie schwer es mir erschien. Ich spürte, wie Felice mir noch einige Male mitfühlend über den Rücken streichelte. Anschließend lief ich mit Antonio zum Grab, da mein Vater und meine Mutter einige Schritte zur Seite machten.

Mir stockte der Atem, als ich hinab zu seinem Sarg blickte. Diese Erkenntnis, nie wieder mit ihm reden zu können. Ihn nie wieder morgens am Tisch sitzen zu sehen. Sein so aufmunterndes Lächeln. Seine Art, alles mit Ruhe zu vermitteln. Der Gedanke, das alles nie wieder sehen zu können, brachte meine Hände zum zittern. Ich spürte eine unglaubliche Kälte, die meinen Körper lähmte. Fühlte mich hilflos und einsam. Ein Luftzug wehte durch meine offenen Haare.

"Du warst mein bester Freund", hörte ich Antonio schluchzen, der meine Hand so fest packte, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. "Ich liebe dich."

Antonio klammerte sich an meine Hüfte. Sein bebender Körper brachte mich beinahe zum Verzweifeln. Immer noch starrte ich sprachlos hinab. Ich wollte so vieles sagen. Mich entschuldigen, dass ich oft so gemein war. Doch er würde es nicht hören. Er würde nichts mehr davon mitbekommen. Ist mit dem Gedanken gestorben, dass ich die gesamte Familie in einen Vertrag gezogen hatte.

"Ich kann das nicht...", hauchte ich und ging einen Schritt rückwärts. Hilfesuchend sah ich zu meinem Vater, der aber nur für meine Mutter da war. Mein Herz stolperte einige Male und ich lief einfach los. Ich hasste mich, Antonio stehen zulassen. Hasste mich dafür, meinem Opa nicht mehr als mein Schweigen geben zu können. Doch es ging nicht anders. Ich lief los. Immer weiter an den Trauernden vorbei über die Wiese. Tränen versperrten mir die Sicht. Die Sonne blendete.

Lies from my bodyguard | Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt