Kapitel 10

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Am Dienstag schreiben wir Physik. Ich habe nicht gelernt und so läuft auch die Klausur.

„Wie lief es?", fragt Brianna in der Pause.

Ich schüttle den Kopf.

Charlie legt einen Arm um mich. „Kopf hoch. Bei mir lief es auch nicht gut. Wollen wir heute mittag ein Eis essen gehen?"

„Ich kann nicht.", sage ich. „Ich gehe heute das erste mal babysitten."

„Oh, stimmt.", sagt Bri. „Nur ein Kind oder?"

„Ja. Er hat noch einen Bruder. Aber der hat Training. Vielleicht ist der schon älter."

Charlie wackelt mit den Augenbrauen. „Und vielleicht sieht er gut aus."

Darauf mache ich ein Würgegeräusch. „Charles! Wir wissen doch überhaupt nicht wie alt er ist. Gross!"

„Sorryyy.", singt sie.

Um fünf klingle ich bei Darya und Chris. Aber keiner der beiden macht mir auf, sondern...

„Will?"

Er schaut mich verwirrt an. „Was machst du hier? Woher weißt du, wo ich wohne?"

Oh, nein. Shit, shit, shit.

„Weiß ich nicht. Ich bin hier, um auf Chris aufzupassen."

Will starrt mich mit offenem Mund an. Dann rennt Chris an ihm vorbei und springt in meine Arme.

Will ist Chris großer Bruder, obwohl sie sich überhaupt nicht ähnlich sehen. Aber das ist die einzig logische Erklärung.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst.", seufzt Will.

„Ich hatte mir das auch nicht so vorgestellt.", gebe ich zu.

„Wir suchen uns jemand anderen. Ich..." Er schaut auf die Uhr im Flur. „Scheiße, ich muss zum Training. Kannst du...nur heute? So schnell finde ich niemand anderen."

Ich lasse Chris runter und er rennt die Treppe nach oben. Sauer verschränke ich meine Arme vor der Brust. „Also willst du nicht nur, dass ich meinen Job im Diner kündige, du willst mich auch noch bei diesem Job feuern! Du bist so ein-"

Will unterbricht mich. „Ich muss jetzt wirklich los." Er schnappt sich seine Sporttasche. Dann geht er an mir vorbei und wuschelt mir durch die Haare. „Ciao, Cinderella."

Die Tür fällt ins Schloss und ich starre sie an. What the...

Ich mache mich auf die Suche nach Chris. Der erste Stock ist genauso rustikal eingerichtet wie der Rest des Hauses. Ich öffne eine Tür und stehe in einem Zimmer, wo alles in grün und braun Tönen gehalten ist. Mit alten Holzmöbeln.

Ich mustere die Bilder, die auf dem Regal stehen.

Chris und Will. Chris, Will, Darya und ein Mann mit blonden Haaren und den gleichen strahlend blauen Augen wie Chris. Wills Augen sehen aber irgendwie ganz anders aus, mal davon abgesehen, dass in ihnen jedes Leben fehlt. Insgesamt sieht er seinen Eltern nicht ähnlich. Komisch.

Daneben steht ein Bild, auf dem Henry, Nader und Will zu sehen sind. Ich bin in Wills Zimmer.

Natürlich kommt mir der Gedanke, dass ich jetzt in seinen Sachen rumschnüffeln könnte. Aber ich verwerfe ihn gleich wieder. Das wäre nicht okay.

Noch einmal schaue ich mich um. Es liegen zwar ein paar Hoodies herum und das Bett ist nicht gemacht, aber es ist viel ordentlicher als bei mir.

Ich verlasse das Zimmer und rufe nach Chris.

„Ari!", kommt seine Stimme aus der Raum neben Chris Zimmer.

Ich betrete ihn und Chris sitzt auf einem Hochbett. Sein Zimmer ist in blau Tönen gehalten und es häufen sich Spielsachen.

Chris und Will müssen eine wirklich schöne Kindheit gehabt haben.

„Was willst du machen?", frage ich.

Der kleine Junge rutscht die blaue Rutsche runter, die an seinem Bett befestigt ist. „Ich will Fußball spielen!", ruft er.

Zusammen gehen wir nach draußen in den Garten, wo ein Tor steht. Es ist ein großer und gepflegter Garten. Gott, ich will nicht bitter sein, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wäre nicht eifersüchtig.

Chris holt einen Fußball und ich muss im Tor stehen, während er schießt. Für einen fünfjährigen ist es wirklich nicht schlecht.

Um sechs mache ich ihm Abendessen, wie ich es mit Darya besprochen habe. Es gibt Gemüse und Käse- und Salamibrote.

Dann schauen wir zusammen eine Kinderserie. Eigentlich müsste er erst um halb acht ins Bett, a aber um sieben schläft Chris schon tief und fest auf dem Sofa.

Ich überlege ihn hoch zu tragen, aber ich befürchte er ist mir zu schwer. Stattdessen decke ich ihn mit einer Decke zu.

Ich scrolle durch Instagram Reels, bis ich den Schlüssel in der Haustür höre. Kurz darauf steht Will im Wohnzimmer. Seine Haare fallen ihm nass in die Stirn. Ich starre ihn an. Er sieht gut aus. Sehr gut.

Er mustert mich ebenfalls.

Irgendwann räuspere ich mich. „Wie war das Basketballtraining?"

Sein Mundwinkel zuckt. „Gut. Und... danke, Schneewittchen."

„Kein Problem."

Will hebt seinen schlafenden kleinen Bruder hoch und trägt ihn nach oben.

Ich gehe in den Flur und ziehe meine Vans wieder an. Will kommt die Treppe runter. Er drückt mir Geld in die Hand. Ich überprüfe nicht, wie viel es ist.

„Tschüss.", sage ich.

Er nickt nur.

Ich verlasse das Haus und laufe nach Hause. Wieder fühle ich mich, als würde ich verfolgt werden. Was ist falsch mit mir?

Broken BondsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt