Kapitel 16

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Am Dienstag gehe ich wieder zum Babysitten. Will fängt mich vor dem Haus ab und küsst mich.

„Können wir nachher reden? Ich glaube, wir müssen über das hier..." Er deutet zwischen uns hin und her. „...sprechen."

Ich nicke.

Will drückt noch einen schnellen Kuss auf meine Lippen und geht dann.

Angst durchfährt mich. Er will über uns reden. Was wenn er es beenden will? Aber hätte er mich dann gerade geküsst?

Ich realisiere, dass er die Macht hat, mich wirklich zu verletzen und das macht mir Angst. Deswegen wollte ich nie mein Herz öffnen.

Drinnen wartet schon Chris auf mich.

„Was willst du heute machen?", frage ich.

„Mit Kreide malen!", ruft er.

Ich lache über seine Begeisterung. „Okay. Wo habt ihr Kreide?"

„Garage!" Chris rennt voraus und holt den Schlüssel für die Garage. Dann gibt er ihn mir. Gemeinsam gehen wir hin und ich schließe die Tür auf.

Es ist stockdunkel drinnen. Also taste ich nach einem Lichtschalter und werde fündig. Die Garage wird von einer Glühbirne erhellt und ich sehe mich um.

Ich erstarre.

Nein. Nein. Das kann nicht...

Ich gehe hin und streiche über den rostigen Lenker. Das ist eindeutig mein Fahrrad.

Wut durchflutet mich. Eiskalt und in großen Wellen. Will hat mein Fahrrad geklaut. Er wollte sich an mir rächen, weil ich nicht gekündigt habe. Also hat er mir meine einzige Transportmöglichkeit genommen.

Will mit seinem schicken silbernen Auto. Will mit seiner perfekten Familie. Will mit dem großen, ordentlichen Haus.

Und ich hasse ihn. Ich hasse ihn, wie ich ihn noch nie gehasst habe.

„Ari?", fragt Chris.

Ich setze ein Lächeln auf. „Wo ist die Kreide?"

Chris zuckt mit den Schultern. Also machen wir uns auf die Suche und werden in einer Box im Regal fündig.

Chris malt Tiere auf die Straße und erklärt mir, dass es ein Zoo werden soll. Ich helfe ihm, aber kann die ganze Zeit nur an Will denken.

Er hat mich so sehr gehasst, dass er sogar mein Rad geklaut hat. Und dann hat er eine 180-Grad-Wendung gemacht und hat sich verhalten, als würde er mich wirklich mögen. Aber warum?

Um halb sieben mache ich Abendessen. Dann schauen wir den Anfang von Beauty and the Beast. Um halb acht bringe ich Chris ins Bett.

Ich warte vor dem Haus auf Will und laufe hin und her. Mein Fahrrad habe ich in die Einfahrt gestellt.

Um acht hält der silberne Wagen vor mir und er steigt aus.

„Ich kann das erklären.", sagt er sofort.

„Das will ich hören!"

„Ich habe dir gesagt, du sollst kündigen, aber du hast es nicht gemacht."

Wütend stütze ich meine Hände in die Hüften. „Und das ist ein Grund, mein Fahrrad zu klauen? Ich habe kein Auto, William. Ich hab das Rad wirklich gebraucht! Was nimmst du dir raus, es mir wegzunehmen? Nur weil ich nicht getan habe, was du wolltest! Das ist krank!"

„Fuck." Er fährt sich über das Gesicht. „Es tut mir wirklich leid, Ari. Ich weiß nicht, was mit mir durchgegangen ist...Naja, eigentlich schon."

„Was denn? Sag es!", rufe ich.

„Ich war so verliebt in dich! Bin verliebt in dich! Ich...ich konnte dich nicht jeden Tag in der Schule sehen und dann auch noch im Diner. Fuck...Ich wusste, du erwiderst meine Gefühle nicht und das hat mich fertig gemacht!", ruft er.

Ich lache humorlos. „Du bist nicht in mich verliebt, Will. Wenn du wirklich in mich verliebt wärst, hättest du das nie gemacht."

Will kann nicht in mich verliebt sein. Liebe ist rein und gut. Was Will gemacht hat ist nichts von beidem.

Er schaut mir suchend in die Augen. „Würde jemand, der nicht in dich verliebt ist, jeden fertig machen, der deinen vollen Namen sagt, weil du ihn nicht magst? Würde jemand, der nicht in dich verliebt ist, dich jeden Tag anschauen und sich wünschen, er könnte dich berühren? Würde jemand, der nicht in dich verliebt ist, dir vom arbeiten nach Hause folgen, um sicher zu gehen, dass du gut ankommst?"

„Das warst du?", rufe ich.

Immer, wenn ich mich nachts verfolgt gefühlt habe, Schatten gesehen habe, war es Will?

„Ja, ich...verdammt. Ich weiß, dass das zu viel ist. Und das mit dem Rad tut mir wirklich leid. Ich weiß wirklich nicht, wie ich mit solchen Gefühlen umgehen soll.", sagt er.

„Das ist krank, Will! Du hast mir wirklich Angst gemacht!"

„Fuck. Es tut mir leid."

Ich schüttle den Kopf. „Es ist vorbei."

„Einfach so?"

„Ja, einfach so." Ich mache ein paar Schritte von ihm weg und er bleibt auf der Stelle stehen.

Ich schnappe mein Rad und schiebe es die Straße runter.

„Weißt du was, Ari?", ruft er mir hinterher. „Ich glaube, du magst mich und es macht dir Angst!"

Ich schwinge mich auf das Fahrrad und schaue nicht zurück.

Broken BondsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt