Kapitel 31

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WILL

Rastlos gehe ich in der Einfahrt hin und her. Ari müsste gleich hier sein. Sie kommt jeden Dienstag und Donnerstag. Und sie hat nicht abgesagt. Ich habe meine Mom gefragt.

Ich muss einfach nochmal mit ihr reden. Irgendwas stimmt nicht. Das ist nicht meine Rapunzel. Sie würde mir nie absichtlich weh tun.

Ich will, dass du mich in Ruhe lässt. Der Satz schwirrt seit gestern durch meinen Kopf. Heute Nacht habe ich kaum geschlafen.

Ein ungutes Gefühl in meiner Brust lässt mich wissen, dass tatsächlich etwas nicht stimmt. Ari ist wie eine Löwin, die die Zähne fletscht, weil sie Angst hat. Aber wovor? Hat es etwas mit ihrem Vater zu tun?

Ich höre ihr Fahrrad, bevor ich es sehe. Das klapprige, rostige Ding, das ich gestohlen habe. Gott, das war so eine dumme Idee. Ich dachte wirklich, jetzt wird sie mich für immer hassen, als sie es entdeckt hat. Aber so bin ich manchmal. Ich kann schlecht mit Gefühlen umgehen. Und diese Gefühle, die ich für Ari habe, sind so groß, meistens kann ich nicht glauben, dass jemand wie ich so viel empfinden kann.

Aber ich weiß noch, als ich Ari zum ersten mal gesehen habe, war es als wäre ich in eiskaltes Wasser gefallen. Auf einmal war ich wach. Am leben.

Sie hält ein paar Schritte von mir entfernt und steigt ab. Sie sieht so unfassbar schön aus. Als hätte jemand sie gemalt aus meinen tiefsten, zerbrochenen Fantasien. Manchmal denke ich, ich sehe alles in schwarz und weiß und nur Ari ist in Farbe. So fühlt es sich an.

„Hey.", sage ich.

„Hey."

Forschend sehe ich in ihre Augen, suche nach einem Überbleibsel der Liebe, die ich noch vor einem Tag in ihnen gesehen habe. Nichts. Lediglich Kälte. Leere.

„Können wir reden?", flehe ich.

Sie schaut mich unentschlossen an. Dann nickt sie.

„Was ist passiert?", frage ich.

„Du weißt, was passiert ist."

Woher soll ich das wissen? Ich weiß, dass meine Freundin auf einmal sauer auf mich war und nicht mehr mit mir reden wollte. Und ich würde unter Eid schwören, dass ich nichts getan habe.

„Nein. Erzähl es mir."

Sie schüttelt den Kopf. „Nein. Es...es war dumm von mir zu denken, ich könnte mit dir zusammen sein, mich dir anvertrauen. Am Ende des Tages bin ich allein. Und so soll es sein."

„Du bist nicht allein. Du wirst nie wieder allein sein, Ari.", sage ich.

Sie sieht aus, als wollte sie mir ins Gesicht lachen.

„Ich liebe dich." Es ist mein letzter Trumpf.

„Akzeptier es, Will. Es ist aus. Ich kann das nicht verzeihen. Aber...danke. Du hast mir gezeigt, dass ich vielleicht doch lieben kann."

„Aber nicht mich?", frage ich.

Sie nickt. „Nicht mehr."

Fuck.

Ich spüre mein Herz wieder brechen, wie es seit gestern tausende male gebrochen ist. Mühsam hat meine Hoffnung und meine Erinnerung an Aris Ich liebe dich es wieder zusammengeklebt. Nur damit es wieder bricht. Und wieder.

Sie geht an mir vorbei zur Haustür.

Und das war es, schätze ich.

Ich schnappe meine Sporttasche und höre Ari oben sanft mit meinem kleinen Bruder reden. Noch ein Grund, warum ich sie so sehr liebe. Sie liebt Chris.

Dann gehe ich zu meinem Auto. Ich schlage die Autotür fester zu als nötig. Ich bin wütend. Aber nicht auf Ari. Ich bin wütend auf die Welt. Nein, das Universum. Ich bin wütend, dass es ein Universum gibt, in dem Ari und ich nicht zusammen alt werden.

Das Training verläuft ereignislos und ich powere meinen Körper aus, um etwas anders zu fühlen als mein kaputtes Herz.

Lange dachte ich ebenfalls, dass ich kein Herz habe, weil ich meine Mutter nicht lieben konnte. Bis ich Darya und Tom kennengelernt habe. Sie waren schnell Mom und Dad. Und als dann Chris kam, war mein Herz auf einmal so voller Liebe. Ich war erleichtert. Es gab doch noch Hoffnung für mich. Mein Herz heilte, weil der menschliche Körper, sich selbst heilt. Aber jetzt fühlt es sich so an, als würde es nie wieder ganz werden. Nicht, wenn ich Ari nicht haben kann.

Nach dem Duschen mache ich einen Abstecher zu Billy. Er sitzt auf seiner Terrasse und raucht einen Johnny.

„Ey.", mache ich.

Er grinst. „Hey, Alter." Sobald ich bei ihm bin, streckt er mir den Joint entgegen.

„Ich will nicht dübeln. Ich will das harte Zeug.", sage ich.

Erstaunt schaut er mich an. „Ich dachte, du willst aufhören...wegen deiner Flamme."

„Das hat sich erledigt."

Er nickt und geht nach drinnen. Mit einem kleinen Päckchen rosa Pillen kommt er zurück. Ecstasy ist zur Droge meiner Wahl geworden, wenn ich der realen Welt entfliehen will. Ich bin wahrscheinlich süchtig. Aber ich wollte wirklich für Ari aufhören.

Mit einem Handschlag gebe ich Billy das Geld und verabschiede mich. Ich mag ihn. Für einen Dealer ist er echt korrekt. Aber ich will Ari nicht warten lassen.

Als ich nach Hause komme, sitzt sie auf der Stufe der Tür.

„Hey.", sage ich und vergrabe das Päckchen mit den Pillen tiefer in meiner Hosentasche.

„Chris schläft."

Ich nicke.

Sie geht zu ihrem Fahrrad.

„Ich fahr dich heim."

Sie presst die Lippen zusammen und schüttelt den Kopf.

Ich bin an ihrem Rostesel, bevor sie es ist, und hebe ihn hoch.

„Was machst du?", ruft sie.

Aber ich lege schon ihr Rad in meinen Kofferraum. Dann öffne ich die Beifahrertür für sie. Ihre Augen funkeln wütend, als sie einsteigt. Wenigstens fühlt sie noch irgendeine Emotion für mich.

Die ganze Fahrt ignoriert sie mich. Aber sie sitzt weniger als einen Meter von mir entfernt, was ich als kleinen Gewinn sehe. Ich sollte nicht so schnell aufgeben. Ich muss um sie kämpfen.

„Weißt du eigentlich, wie toll ich dich finde?", frage ich.

Sie schaut aus dem Fenster.

„Und egal, was du tust, ich finde dich immer noch toll."

Sie schnaubt.

„Du bist stark und schlau und freundlich und so wunderschön." Ich lache. „Wahrscheinlich bin ich ein bisschen besessen von dir."

„Hör auf.", sagt sie und da ist ein tiefer Schmerz in ihrer Stimme. Das hier trifft sie auch. Aber warum tut sie es dann?

„Wenn du nur mit mir reden würdest.", flehe ich, als wir in ihre Straße fahren.

„Morgen.", flüstert sie bevor sie aussteigt und ihr Fahrrad aus dem Kofferraum holt.

Ich will ihr hinterhergehen und sie davon abhalten in diese Wohnung mit diesem Bastard zu gehen. Aber sie will offensichtlich nichts lieber als weg von mir.

Wieder zuhause gehe ich in mein Zimmer und nehme eine der rosa Tabletten aus der Tüte. Ich schlucke sie. Ich brauche das gerade.

Und trotz der starken Droge in meinem System denke ich den ganzen Abend an Ari. Hoffentlich können wir das alles morgen klären.

Broken BondsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt