Wir schauen mit Wills Eltern noch einen Film. Dann gehen wir ins Bett. Will gibt mir vor den Augen seiner Eltern einen Kuss auf die Wange.
Da das Gästezimmer im Gegensatz zu den übrigen Schlafzimmern unten ist, habe ich das untere Bad für mich.
Ich mache mich fertig und kuschle mich in das Bett. Es fühlt sich fremd an, aber nicht schlecht...irgendwie sicherer.
Trotzdem kann ich nicht gleich einschlafen. Ich schalte ein Hörbuch auf meinem Handy ein. Irgendwann klopft es leise. Ich stoppe das Hörbuch und sage: „Ja?"
Die Tür öffnet sich und Will kommt rein. Er schließt die Tür hinter sich und es ist wieder dunkel. Ich lächle. „Hey."
Er bleibt vor meinem Bett stehen und streichelt sanft durch meine Haare. „Es ist so komisch, nach einer Woche nicht mehr neben dir zu schlafen."
„Das geht mir auch so. Aber allein, zu wissen, dass du in der Nähe bist, ist..."
„Sicher?", fragt er.
„Ja.", sage ich leise.
Will bedeutet mir zu rutschen und legt sich neben mich. Eine Weile sind wir still und Will streichelt meinen Rücken.
„Wir müssen darüber reden.", sagt er.
Ich seufze. „Lieber nicht."
„Aber ich weiß es doch, Ari. Wenn ich falsch liege, korrigier mich."
Mein Schweigen ist laut.
„Seit wann tut er dir weh?", flüstert er.
Da kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Aber wenn du sechzehn Jahre nicht über etwas spricht, ist die Überwindung, es doch zu tun, so groß als hätte jemand jeden Vorfall wie eine Mauer vor dir gestapelt.
Ich zucke mit den Schultern.
Will streicht meine Tränen weg. „Ich hasse es, wenn du weinst, Aurora."
Noch mehr Tränen kommen.
„Okay, du musst nicht darüber reden, wenn es zu schwer ist."
Im gleichen Moment sage ich. „Seit ich neun bin." Und reiße die Mauer ein.
Wills ganzer Körper spannt sich an. „Seit du neun bist?"
„Ja.", flüstere ich. „Er hat mich das erste mal geschlagen, als ich eine vier von der Schule nach Hause gebracht habe. Ich dachte, es ist meine Schuld. Von da an habe mich so angestrengt in der Schule. Das nächste mal hat er mich geschlagen, als ich den Müll nicht rausgebracht habe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es passiert, egal was ich mache. Von da an hab ich mich nicht mehr bemüht."
„Fuck, Ari. Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.", sagt Will. „Es tut mir so leid, dass du das durchmachen musstest. Und dass ich es ein Jahr nicht gecheckt habe."
„Man wird gut darin, es zu verstecken."
„Zieh ein."
Ich stutze. „Was?"
„Zieh bei uns ein.", sagt er. „Ich weiß, dass ich dir nicht viel bieten kann. Aber ich will, dass du sicher bist. Du musst sicher sein."
Ich schüttle vehement den Kopf. „Ich kann nicht bei dir, deinen Eltern und deinem Bruder einziehen. Außerdem müssten wir deinen Eltern dann erzählen, was los ist und das will ich nicht."
So gut es gemeint ist, ich will mich erstens nicht Wills Eltern aufdrängen und zweitens will ich nicht, dass sie die Polizei einschalten. Ich will nicht den Rest meiner Jugend im System sein. Ich will auch nicht, dass mein Vater ins Gefängnis kommt. Was würde er tun, sobald er wieder draußen wäre?
„Ari, ich kann dich nicht dahin zurückgehen lassen. Das kann ich nicht."
Ich küsse ihn kurz. „Das entscheidest nicht du, Will. Es tut mir leid."
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Broken Bonds
Teen FictionAri hat viele Jobs und kommt aus zerrütteten Familienverhältnissen. Will scheint das Gegenteil zu sein. Er scheint Ari zu hassen und droht ihr. Aber dann kommen die beiden sich näher. Es kommen Geheimnisse ans Licht, die die beiden auseinander oder...