WILL
Ich werfe die schwere Tür des Diners auf. Tara steht am Tresen und trocknet ein Glas ab. Karl sitzt an seinem gewohnten Platz. Ansonsten ist es leer.
Enttäuschung durchfährt mich. Ich hatte gehofft, dass Ari hier ist, vielleicht eine extra Schicht übernommen hat.
Die sonst so gemütlichen schwarz weißen Fließen sehen heute unheilbringend aus und das Licht ist nicht gedimmt sondern unheimlich.
„Ist Ari hier?", frage ich.
Henry betritt das Diner hinter mir.
Tara schüttelt den Kopf. „Sie ist nicht hier. Ist alles okay?"
„Sie ist verschwunden.", sagt Hen.
„Oh nein. Ohje." Tara sieht ehrlich gestresst aus. Sie scheint nichts zu wissen.
„Ist dir bei ihrer letzten Schicht etwas komisches aufgefallen?", frage ich.
„Naja, sie war ein bisschen durcheinander, hat eine Tasse fallen lassen. Aber ansonsten nichts."
Sie war durcheinander. So war sie, seit sie bei Mr. Clarke war. Da hat alles begonnen.
Auch wenn er wahrscheinlich nichts weiß, gehe ich zu Karl, während Henry weiter mit Tara redet.
„Hey, Karl."
Er schaut von seiner Zeitung auf. „Ich hab es gerade gehört. Arielle wird vermisst."
„Ari.", korrigiere ich.
Niemals habe ich ihren vollen Namen gesagt, weil ich bemerkt habe wie sie jedes mal, wenn ihn jemand gesagt hat, zusammengezuckt ist. Ich weiß jetzt, dass das an ihrem Vater liegt. Ich hasse ihn so sehr.
„Ja, Ari.", sagt er.
„Weißt du irgendwas?"
Er schüttelt traurig den Kopf. „Es ist tragisch, manchmal verschwinden Mädchen und tauchen nie wieder auf."
„Was willst du damit sagen?", knurre ich.
„Gar nichts. Ich hoffe natürlich, dass sie wieder auftaucht. Wirklich."
Seine Aussage macht mich etwas misstrauisch, aber es ist Karl. Er ist harmlos, nur ein bisschen komisch.
„Du weißt sicher nichts?", frage ich nochmal.
„Nein...Es ist nur..."
„Was?"
Entschuldigend schaut er mich an. „Sie wirkte immer wie ein Mädchen, das wegrennen will, das alles hinter sich lassen will."
Ich starre ihn an. Ist Ari weggerannt? Hat sie mich und ihre Freunde hinter sich gelassen und hat ein neues Leben angefangen?
Es würde dazu passen, dass sie so viele Jobs hat. Wofür? Das Geld, das ihr Vater vom Staat bekommt bezahlt die Wohnung und laufende Kosten. Ansonsten brauchte sie nur Kleidung und Essen, solche Sachen. Wofür brauchte sie vier Jobs? Außer wenn sie auf etwas sparte...vielleicht eine eigene Wohnung...
Ich versuche mich in Ari hineinzuversetzen. Wenn ich sie wäre, wo würde ich hingehen? Vielleicht in eine größere Stadt, falls sie nicht gefunden werden will. Ich muss nachher mal in meiner Kartenapp nachschauen.
Wir treffen uns bei mir zuhause, um Ergebnisse auszutauschen. Leider hat noch niemand sie gefunden. Wir sitzen alle bei mir im Wohnzimmer.
„Sie ist vorgestern nicht ins Tierheim gekommen, hat Reyna erzählt. Sie sagt, das ist bisher noch nie vorgekommen. Es passt auch einfach nicht zu Ari.", erzählt Bri.
Ihre Augen sind gerötet, als hätte sie geweint. Rett dagegen sieht gelangweilt aus.
„Okay, also wenn sie nicht dort war, wo war sie dann und was hat sie gemacht?", überlege ich laut.
„Sie war auch nicht im Tanzstudio seit vor den Herbstferien.", berichtet Charlie. „Ich gehe nachher hin und gebe Bescheid, falls sie zum Unterricht auftaucht."
Ich nicke.
Gabe ringt seine Hände. „Wir haben sie auch nicht gefunden, auch keine Spur, wo sie sein könnte."
„Okay, ich gehe nachher nochmal zu ihr nach Hause. Wir müssen sichergehen, dass sie nicht dort ist.", sage ich.
„Ich komme mit.", meint Connor.
Er war bis jetzt auffallend still. Ich nicke.
Connor und ich hämmern an die Tür, als nach dem dritten Klingeln niemand aufmacht.
Nach einer Minute schwingt die Tür auf. Aris Vater steht vor uns. Er sieht wie immer heruntergekommen aus.
„Was zum...", beginnt er, aber ich dränge mich an ihm vorbei in die Wohnung.
„Ari?", rufe ich. „Ari?"
„Was nehmt ihr euch raus? Lass mich los!", schreit Aris Vater, denn Con hält ihn zurück.
Ich gehe ins Wohnzimmer. Hier ist niemand. Es ist unordentlich, aber es sieht nicht nach einem Kampf aus. In der Küche ist auch nichts. In ihrem Schlafzimmer ist sie auch nicht. Aber mir fällt sofort auf, dass viele Dinge fehlen. Klamotten, Laptop, Ladekabel, Makeup, Rucksack fehlen.
Im Bad fehlen auch ihre Produkte. Fuck. Es sieht wirklich so aus, als hätte sie ihre Sachen gepackt und wäre abgehauen, aber warum?
Zur Sicherheit gehe ich noch in das Zimmer ihres Vaters, aber nichts.
Con lässt diesen los und er sieht sauer aus.
„Ist irgendetwas passiert, warum Ari abgehauen sein könnte?", will ich wissen.
„Nein und jetzt verschwindet, bevor ich die Polizei rufe."
Bis spät abends fahre ich durch den ganzen Ort und halte Ausschau nach ihr. Erfolglos. Danach in meinem Zimmer nehme ich eine der rosa Pillen und durchsuche dann meine Kartenapp und das Internet nach Orten, wo sie sein könnte.
Irgendwie denke ich sie ist in der nächstgrößeren Stadt. Sie ist zwanzig Minuten von uns entfernt.
Morgen werde ich da hin fahren. Ich werde auch mit Mr. Clarke sprechen. Und ich werde die Polizei einschalten.
Immer wieder rufe ich sie an, aber es geht jedes Mal die Mailbox ran.
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Broken Bonds
Teen FictionAri hat viele Jobs und kommt aus zerrütteten Familienverhältnissen. Will scheint das Gegenteil zu sein. Er scheint Ari zu hassen und droht ihr. Aber dann kommen die beiden sich näher. Es kommen Geheimnisse ans Licht, die die beiden auseinander oder...