Kapitel 22

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Später am Abend spielen wir Activity. Wir trinken Wein, den Bri aus dem Keller ihres Onkels geklaut hat.

Ich bin in einem Team mit Nader, Henry und Bri. Connor würdigt Will und mich keines Blickes. Auch wenn Will etwas pantomimisch darstellt, erklärt oder malt. Deswegen liegen sie wahrscheinlich auch hinten.

Als ich Poledance pantomimisch vormachen muss, nehme ich kurzerhand den Besen, der in der Ecke steht als Stange.

Alle gröhlen, während ich meine Hüften schwinge. Nur Will starrt mich einfach nur an. Ich werfe meine Haare durch die Luft und zwinkere ihm zu.

„Scheiße, Will, deine Freundin ist heiß!", ruft Henry.

„Schnauze, Hen.", erwidert Will, aber seine Wangen sind rot. „Kann jetzt endlich jemand sagen, was es ist?"

„Stange...äh Poledance!", ruft Bri und ich nicke.

Dann scheint Connor seine Strategie zu ändern. Als Will als nächstes etwas pantomimisch darstellt, ruft er: „Idiot! Möchtegern-Draufgänger!" Obwohl das eindeutig nicht ist, was Will vormacht.

„Con.", mahnt Bri.

Will macht weiter.

„Fuckboy!"

„Connor!", rufen mehrere Stimmen im gleichen Moment wie Will sich auf Con stürzt und und die beiden zu Boden gehen.

„Will!", rufe ich.

Die beiden rangeln sich, aber schlagen nicht zu. Und dann ziehen Henry und Nader Will von Connor runter.

„Du weißt, dass wir zusammen sind! Und du musstest ihr trotzdem deine Gefühle gestehen?", ruft Will.

„Ich mag sie schon viel länger als du!", ruft Con.

„Aber sie mag dich nicht!", ruft Will.

Connors Gesicht fällt und er dreht sich um und geht aus dem Raum.

Alle stehen etwas ratlos da.

„Ich sollte hinterher gehen, oder?", frage ich.

Gabe schüttelt den Kopf. „Nein, Con muss sich erst mal abregen. Er verkraftet das ganze nicht gut."

Dann geht er ihm hinterher.

Rett lacht. „Ich liebe dieses Drama."

Ich funkle ihn an. Will merkt, wie meine Stimmung umschlägt und schlingt seinen Arm um meine Taille. „Wir gehen ins Bett."

In unserem Zimmer angekommen, laufe ich hin und her. Will sitzt auf dem Bett.

„Connor fühlt sich sehr verletzt wegen der ganzen Sache, Will. Du hättest dich nicht gleich auf ihn stürzen müssen."

„Du hast doch gehört, wie er mich genannt hat. Erst hat er die Eier, meiner Freundin seine Gefühle zu gestehen und jetzt beleidigt er mich?", sagt Will.

Ich stemme meine Hände in die Hüften. „Du wolltest dich bessern."

Will steht wütend auf und kommt zu mir. „Ich hab es probiert, okay? Aber ich habe trotzdem meine Grenzen! Und eine davon sind solche herablassenden Beleidigungen! Vor allem, wenn ich ihm nichts getan habe!"

Verzweifelt lege ich meine Hände auf seine Brust und eine Träne kullert über meine Wange. „Warum bist du so, Will? Im einen Moment bist du absolut emotionslos und im nächsten rastest du aus. Du hast doch das perfekte Leben, oder? Die perfekte Familie. Wahrscheinlich war deine Kindheit wundervoll."

Will lacht einmal humorlos. „Meine Kindheit? Weißt du wie meine Kindheit aussah? Meine Mutter hat mich misshandelt! Sie hat mich zu heiß gebadet und dann wochenlang gar nicht. Sie hat mich mit ihrem Gürtel geschlagen. Und sie hat mich beleidigt. Ständig. Du hast keine Ahnung."

Das ganze Blut entweicht meinem Gesicht. Was?

„Darya?", krächze ich. Jetzt laufen noch mehr Tränen über mein Gesicht.

Will schüttelt den Kopf. „Nicht meine Mom. Meine Mutter."

„Ich verstehe nicht.", hauche ich.

Er atmet tief durch und scheint sich wieder zu beruhigen. Dann setzt er sich auf das Bett und öffnet seine Arme. Ich kuschle mich in sie. Und lasse mich von seiner Berührung trösten. Ich bin so traurig für Will.

„Meine Mom und mein Dad haben mich adoptiert. Sie dachten, sie könnten keine Kinder bekommen. Dann kam irgendwann doch noch Chris. Und er ist mein echter Bruder, egal was manche Leute sagen. Sie haben mich adoptiert, als ich sieben war.", erzählt Will, die Stimme ohne jegliche Emotion.

Das muss sein Schutzmechanismus sein. So wie ich so tue, als wäre ich selbstbewusst. Menschen wollen immer sich selbst schützen.

„Du warst so lange bei dieser schrecklichen Frau?", schluchze ich.

„Ja. Es war die Hölle. Du kannst es dir gar nicht vorstellen."

Besser als du glaubst, denke ich. Und deswegen weiß ich auch, wie schlimm das ist, was Will erlebt hat. Wenn die Menschen, die einen am meisten auf der Welt lieben sollten, einem weh tun, dann bricht etwas in dir. Etwas unschuldiges und reines.

Um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da bin, lege ich meine Hand in seinen Nacken und streichle ihn sanft. „Es tut mir so leid, dass du das durchmachen musstest, Will."

Will streicht sanft die Tränen von meinen Wangen, aber es kommen immer neue. „Wein nicht um mich, Rapunzel. Mir geht es jetzt gut."

„Wie kommst du damit klar? Wie kannst du immer noch lieben...nach allem?", frage ich. Es ist ehrliches Interesse, weil es mir selbst so schwer fällt.

„Dich zu lieben ist so einfach wie atmen.", sagt er.

Broken BondsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt