11 | Der Strand

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Gegenwart | Los Angeles

Es war der nächste Morgen nach Lisas Geburtstag. Draußen war es noch dunkel. Sie wurde wach und nahm tief Luft. Dann hob sie vorsichtig ihren Arm und nahm ihr Smartphone vom Nachttisch. Im Sperrbildschirm befand sich eine Nachricht:

Unser Strand. Sieben Uhr.

Ihr Herz fing an zu rasen. Schnell überprüfte sie die Uhrzeit und stellte fest, dass sie sofort losmusste, um pünktlich da zu sein.

Phin lag neben ihr im Bett und schlief noch tief und fest. Einen Moment lang beobachtete sie sein friedliches Gesicht. Das schlechte Gewissen ihm gegenüber war kaum auszuhalten. Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde, ihm was vorzumachen. So sehr es auch schmerzte, verdiente er sich die Wahrheit. Alles andere würde die Dinge auf lange Sicht nur noch viel schlimmer machen.

Beide hatten bisher keine Gelegenheit gehabt über Silas' Rückkehr unter vier Augen zu sprechen. Nach dem Geburtstagsbrunch täuschte Lisa eine Migräne vor und zog sich für den Rest des Tages ins Bett zurück. Sie hatte Zeit gebraucht, um die nötige Courage zu finden, sich der Verantwortung für ihr Handeln zu stellen und sich auf ihr Geständnis mental vorzubereiten.

Vorsichtig schlug sie die Decke auf und ging auf ihren Zehenspitzen zu ihrem begehbaren Kleiderschrank. Schnell zog sie sich ein frisches Tanktop und eine kurze Jeanshose über. Dann verließ sie ihr Zimmer.

Im ganzen Haus herrschte noch Stille. Sie holte den Autoschlüssel ihrer Mutter aus ihrer Handtasche und machte sich auf den Weg.


Silas saß im Sand und hatte seine Arme auf seinen angewinkelten Knien abgelegt. Gedankenverloren beobachtete er den Wellengang. Der kleine Strandabschnitt war menschenleer. Selbst Tags über verirrte sich nur selten jemanden hierher. Er hatte diesen Ort vor vielen Jahren durch Zufall entdeckt, als er mit dem Mottorad vorbeigefahren war. Durch den steinigen Zugang ins Wasser und die ungewöhnlich starke Strömung eignete sich der Strand nicht wirklich zum Baden. Es war jedoch der perfekte Rückzugsort, wenn man ungestört sein wollte.

Lisa parkte das Auto auf dem kleinen Parkabschnitt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie darüber nachdachte, was sie hier vorletzte Nacht mit Silas gemacht hatte.

Sie nahm ihre Flipflops in die Hand und betrat den Strand. Silas war mit dem Rücken zu ihr gewandt und merkte nicht, als sie sich ihm langsam näherte. Schließlich blieb sie mit kleiner Distanz hinter ihm stehen.

„Gute Morgen."

Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung und schaute sie an: „Setz' dich bitte zu mir, Lizzy."

Seine Stimme klang unterkühlt und ließ ihr Herz beschleunigen. Sie befolgte seine Anweisung und nahm rechts neben ihm Platz. Einen Augenblick lang herrschte Stille zwischen ihnen. Beide starrten auf das Wasser.

Lisa hielt es irgendwann nicht mehr aus: „Bist du wütend auf mich, weil ich dir von Phin nichts erzählt habe?"

Er senkte seinen Blick: „Als ich beschlossen habe zurück zu kommen, hatte ich einen Plan. Ich habe mir fest vorgenommen alles zu tun, was notwendig sei, um dich zurück zu bekommen. Ich hatte keine Skrupel, dich einem anderen Kerl wegzunehmen. Worüber ich jedoch keine Sekunde nachgedacht hatte war, dass dieser Kerl mein Bruder sein könnte ..."

Lisa wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Wortlos starrte sie weiterhin auf die brechenden Wellen.

„Warum Phin, Lizzy?", sprach Silas weiter.

Sie konnte die Verzweiflung in seiner Stimme hören. In ihren Augen sammelten sich Tränen.

„Er riecht wie du", sagte sie leise.

Morro Bay IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt