Morro Bay III

23 | Regeln

5 Jahre zuvor | Palm Springs

Es war drei Uhr Nachts. Lisa lag auf ihrem Rücken im Bett und regte keinen Muskel. Erst als sie sicher war, dass Violet eingeschlafen sein musste, drehte sie ihren Kopf vorsichtig in die Richtung ihrer Freundin. Sie konnte nicht viel erkennen, doch Violets monotone, ruhige Atmung bestätigte Lisas Vermutung.

So leise, wie sie nur konnte, verließ sie das Bett und schlich auf ihren Zehenspitzen zu ihrem Koffer. Sie ertastete eine kurze Jeanshose und ein Sweatshirt, nahm beides heraus und verließ im nächsten Augenblick das Zimmer. Als sie die Tür vorsichtig hinter sich verschlossen hatte, zog sie sich schnell um. Am Hausausgang hatte sie ihre Flipflops stehen lassen. Die mussten reichen. Schnell schlüpfte sie hinein und warf einen Blick in den großen Spiegel an der altmodischen Garderobe. Ihre Haare waren etwas zerzaust, doch das machte ihr nichts aus. Auch mit ihrem ungeschminkten Gesicht war sie zufrieden. Ihre Wangen glühten vor Aufregung und ihre Augen strahlten vor Vorfreude.

Silas hatte sein Motorrad an der Straße geparkt und hatte sich daran angelehnt. Seine Nervosität spitzte sich zu. Hoffentlich würde sich Lisa beim Rausschleichen aus dem Haus von niemanden erwischen lassen. Er war bereits seit zwanzig Minuten hier, doch sie musste abwarten, bis die Luft rein war.

Auf einmal öffnete sich die Haustür. Lisas Augen trafen auf seine. Mit einem überglücklichen Lächeln im Gesicht stürmte sie plötzlich auf ihn zu. Silas richtete sich gerade rechtzeitig auf, als sie enthusiastisch in seine Arme sprang und ihren Mund auf seinen presste. Er legte seine Hände fest um ihren Körper und ging in dem intensiven Moment kurz verloren. Ein Kuss von einem Mädchen hatte sich noch nie so richtig angefühlt. Es war unbeschreiblich, was Lisa in ihm auslöste. Die Gefühle, die sie in ihm entfachte, waren unvergleichlich. Warum war es mit ihr so anders? Warum hatte er diese Emotionen noch nie zuvor erlebt?

Silas zwang sich ihren Kuss zu unterbrechen. Er lächelte sie liebevoll an: „Lass uns von hier verschwinden, Tinky."

Sie nickte eifrig.

Er schnappte sich seinen Helm, den er auf dem Sitz des Motorrades abgelegt hatte und übergab ihn Lisa. Als sie sicher hinter ihm saß, startete er den Motor und fuhr mit ihr davon.

Wenige Minuten später erreichten sie einen Aussichtspunkt an der Spitze des höchsten Gipfels in Stadtnähe. Mitten in der Nacht waren sie hier völlig ungestört. Es gab ausreichend Sitzgelegenheiten, um tagsüber den atemberaubenden Blick auf Palm Springs und seine malerische Wüstenlandschaft genießen zu können. Zur späten Stunde blieb ihnen das Panorama jedoch verwehrt.

Silas parkte sein Motorrad. Beide stiegen ab. Lisa nahm den Helm ab und legte ihn auf den Sitz. Gleich darauf griff er ihre Hand und ging mit ihr zur nächstgelegenen Parkbank. Beide nahmen nebeneinander Platz.

Lisa ließ keine Zeit verstreichen. Als Silas sich in ihre Richtung drehte, fiel sie ihm erneut um den Hals und küsste ihn. Er schob sie zärtlich von sich weg: „Lizzy ... ich würde zuerst gern mit dir reden ..."

Sie schaute ihn beunruhigt an.

Er legte eine Hand um ihre Wange und lächelte: „Bitte guck nicht so erschrocken. Es ist nichts Schlimmes ..."

Sie war weiterhin angespannt und wartete, bis er weiter sprach. Silas ließ ihr Gesicht wieder los. Dann räusperte er sich: „Wir müssen über Regeln sprechen."

„Ich weiß jetzt schon, es wird mir nicht gefallen", stellte sie fest.

Er schmunzelte: „Ohne Regeln wird es mit uns nicht funktionieren, Lizzy."

„Ich werde niemanden von uns erzählen", sagte sie schnell.

„Gut. Damit hast du unsere wichtigste Regel bereits verstanden. Keine Menschenseele darf von uns erfahren."