27 | Limerenz

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Gegenwart | Morro Bay

Lisa stand in der Küche und bereitete einen Kaffee zu. Es war Sonntag Vormittag. Sie war fast seit einer Woche in Morro Bay. Wann war die Zeit vergangen? Es hatte sich unglaublich kurzweilig angefühlt, was nicht zuletzt daran lag, dass sie die letzten Tage fast ausschließlich an Abbys Nähmaschine verbracht hatte. Am Anfang hatte sie sich noch unglaublich schwer getan. Doch Abby war sehr geduldig mit ihr, bis sie den Dreh irgendwann raus hatte. Besonders spannend war es, dass die ältere Frau unzählige Stoffballen auf ihrem Dachboden aufhob. Lisa hatte genug Material, um ihre neuen Fähigkeiten auszutesten.

Es klingelte an der Tür. Sie eilte in den Flur und machte auf. Blake stand vor ihr und hatte seine Hände auf seinen Hüften abgestützt: „Ich kündige", sagte er mit strengem Blick.

Lisa runzelte ihre Stirn: „Du kündigst was?"

„Ich kündige meinen Fahrtdienst."

„Oh", antworte sie und wurde plötzlich ganz verlegen. „Es tut mir leid, dass ich dich als mein Taxi missbraucht habe. Ich finde eine andere Lösung."

Sie hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. Blake war jeden Morgen vor der Arbeit hergekommen, um sie auf seinem Fahrrad zu Abby zu bringen. Am Abend brachte er sie wieder nach Hause. Sie hatte seine Gutmütigkeit offensichtlich überstrapaziert.

„Du brauchst dir keine andere Lösung überlegen", entgegnete Blake. „Darum hab ich mich bereits gekümmert."

„Ach ja?"

Er stellte sich zur Seite, sodass sie in ihre Einfahrt schauen konnte. Dort stand ein gelbes Damenrad mit einem geflochtenem Körbchen am Lenker. Es war mindestens genauso alt, wie Blakes Rad, jedoch im guten Zustand.

Mit aufgerissenem Augen verließ Lisa das Haus und blieb vor dem Fahrrad stehen: „Ist ... ist das etwa für mich?"

Blake grinste zufrieden: „Ein Nachbar hat es mir überlassen. Ich musste bloß neue Bremsen und Reifen besorgen. Außerdem habe ich es neu lackiert. Gefällt dir die Farbe?"

„Ich ... ja ... ich mag gelb sehr gern ..."

Lisa war sichtlich ergriffen. Sie konnte es nicht glauben, dass Blake sich so viel Mühe für sie gemacht hatte.

„Möchtest du es ausprobieren?", fragte er als Nächstes.

„Jetzt sofort?"

„Na klar."

Lisa war das letzte Mal als Kind Fahrrad gefahren. Sie hatte Sorge, dass sie es verlernt haben könnte.

„Okay. Aber bitte lach nicht."

„Das kann ich dir nicht versprechen", schmunzelte Blake.

Sie nahm auf dem Fahrrad Platz und ließ es vorsichtig die Einfahrt runter rollen. Als sie ihre Füße auf die Pedalen stellte, fing das Rad an fürchterlich zu wackeln. Aber irgendwie gelang es ihr, die Balance zu halten.

„Geht doch!", rief ihr Blake zu.

Lisa fing an zu glucksen: „Das macht richtig Spaß!"

Sie drehte eine kleine Runde auf der Straße und kehrte anschließend zum Haus zurück. Dann stieg sie ab, ging auf Blake zu und fiel ihm um den Hals: „Ich danke dir!"

Er erwiderte ihre spontane Umarmung: „Gern geschehen, Liz."

Sie lächelte immer noch über beide Ohren, als sie sich los ließen.

„Meine Tante geht heute in die Kirche und dann ins Tanz-Café", sagte Blake.

„Ja, ich weiß. Sonntags arbeiten wir nicht", antwortete Lisa.

Morro Bay IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt