45- let me help you

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Toll. Nicht schon wieder. Das sieht mir so ähnlich, die ganze Welt steht knietief im Chaos, aber ich dämmere weg. Wie sollte es auch anders sein, in den letzten Tagen war ich ununterbrochen müde und schlief praktisch über den ganzen Tag.

Wirklich toll. Inzwischen fühlte ich mich schon wie einer dieser Rentner, die die ganze Zeit über nichts anderes taten als die Lautstärker ihres Fernsehers höher zu drehen und in ihren Pantoffeln langsam von einem Ort zum anderen zu schlurfen. Obwohl ich mich nicht mal wirklich bewegt hatte, bis jetzt waren meine Wunden noch nicht so verheilt, das ich hätte großartig etwas machen können. Heute würde ich zum ersten mal mein Verband um den Bauch gewechselt bekommen, das heißt eigentlich hatte mir eine Krankenschwester schon vorher mal einen neuen angelegt, doch die Schmerzmittel hatten eine so starke Dosis, dass ich mich gar nicht mehr richtig daran erinnern konnte. Das einzige was ich weiß ist, das die Operation sehr knapp verlaufen war und es nicht fest stand ob ich auch durchkommen werde. Heute würde ich keine Schmerzmittel haben, die mich so stark betäubten, dass ich keine Angst mehr hatte...Ich würde alles mitbekommen.

Irgendetwas stimmte heute mit mir nicht, ich hasste dieses Gefühl ausgeliefert zu sein und jemand anderen die Gewalt über mich zu lassen. Dieser einfache Verbandswechsel krempelte meinen gesamten Mageninhalt um, sodass ich mich noch miserabler fühlte. Ich konnte nichts tun außer zuzuschauen wie jemand mir wehtat, obwohl die Krankenschwester mir ja nur helfen wollte. 

Es lag nicht allein an der Tatsache das ich auf Hilfe angewiesen war, sondern eher daran was es mit mir machte. Die Erinnerungen an den Unfall und so vieles mehr floss in einem endlosen Strom durch meine Gedanken, auch der Vorfall nach dem Club, als der betrunkene Man mich bedroht hatte, da waren Marco und ich noch nicht mal zusammen. Er hatte mir damals trotzdem das Leben gerettet....

Vielleicht sollte ich schon längst darüber hinweg sein, nach so vielen Wochen, aber der Betrunkene aus dem Club kommt mir in Gedanken jetzt immer näher und drückt mich ebenso gewaltvoll an die Wand, wenn ich daran denke, wie jemand anderes mich anfasst, habe ich dadurch einfach meine Hemmschwellen erreicht. Ich werde ständig von diesen Wahnvorstellungen verfolgt, jedenfalls seid dem Unfall, seid meiner Bewusstlosigkeit bin ich so befangen. Die Schranke in meinem Kopf öffnet sich einfach nicht. Immer wieder werde ich dazu gezwungen an damals zu denken.

Schon wieder drängte sich ein Bild von dieser Nacht in meinen Kopf. Meine Gedanken sind immer noch in Marcos Badezimmer als Marco mich verarztete, immer noch hängen meine Augen an dem geschundenen Spiegelbild meiner selbst und immer noch spüre ich ein stechen in meinem Herzen, wenn ich daran dachte wie skrupellos Menschen sein konnten. Wir lebten eben in keiner Welt die perfekt für und war, sie hatte kleine böse Fehler und versteckte diese vor uns, damit wir stolperten und daraus lernen konnten, damit wir das schätzen, was wir hatten. Ich schluckte, meine Kehle trocknete praktisch aus und ich unterdrückte den Drang zu husten.

Der Verband unter meinem Nachthemd zeichnet sich an meiner Kleidung ab, ich ignoriere die Übelkeit und richte mich etwas auf. Marco würde mich heute nicht besuchen, ich hatte ihm eine Nachricht geschrieben, damit er mich nicht so sieht. Ich war einfach nur deprimiert, sah schrecklich aus und hatte die ganze Zeit Panik vor jeglicher Nähe. Marco durfte mich keinesfalls so sehen, wenn er erfährt das ich wegen damals Angst hatte, würde er sich Sorgen machen und komplett in seinen Beschützermodus wächseln. Genau das wollte ich nicht, dann tröstet er mich und ich bin noch hilfloser. Dabei muss ich stark sein und das mit mir selber ausmachen.

>So Anna, wie fühlen sie sich heute?< Die dunkelhaarige Krankenschwester kommt mit einem Handtuch in mein Zimmer spaziert und ich sehe wie sie es zuerst ins Badezimmer bringt, bevor sie an mein Bett kommt. >Es ist..-< setzte ich an.

Nein. Bitte lass mich gerade nicht wirklich ihn sehen. >Hey.< Seine Stimme kam zu mir herübergeschallt und ich konnte nur verzweifelt meinen Kopf schütteln. So sollte das alles heute nicht ablaufen, er musste gehen, denn spätestens in wenigen Minuten hatte ich Schmerzen und das ist mit Sicherheit nichts was er sehen sollte.  Marco kam gerade in mein Zimmer, er kratzte sich am Hinterkopf und grüßte die Schwester mit einem kurzen Nicken, bevor sein Blick mich suchte. Wie naiv war ich denn bitte? Als ob Marco zu Hause bleiben würde, wenn ich schreibe das er nicht kommen soll. Ich hatte natürlich die Sorge in ihm geweckt und jetzt passierte das, was ich verhindern wollte.

Marco & MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt