Ich wollte etwas darauf erwidern und ihm sagen, dass ich mir an seiner Stelle nicht so sicher wäre, dass Marie gute Absichten hat, aber er ließ mir keine Zeit dafür, denn er sagte, dass er noch etwas erledigen müsste. Auch darauf konnte ich nichts antworten, so schnell wie er auf einmal das Zimmer verließ.
Ich runzelte die Stirn und blickte die Tür an, durch die er verschwunden war.
Ich ließ die Szene am Graben noch einmal Revue passieren. Es war erst vor einigen Jahren passiert, das glaubte ich jedenfalls. Um ehrlich zu sein konnte ich mich daran auch nicht mehr wirklich erinnern. Das einzige, woran ich mich erinnern konnte, war, diese eine Szene. Aber was geschah danach? Oder davor? Ich konnte mich eigentlich an nichts von meinem Bruder erinnern, nur diese eine Szene.
Wie ist das möglich? Ich hatte diese Erinnerung erst heute als Traum gehabt... Davor habe ich nicht eine Sekunde an meinen Bruder gedacht. Auch als er das erste Mal im Zimmer war und mich betäubt hatte, habe ich gedachte, dass er ein Fremder wäre.
Vielleicht hatte ich ja gar kein Bruder und diese Leute hier führen nur ein Experiment durch. Diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder. Natürlich hatte ich einen Bruder gehabt, ich konnte mir so etwas nicht nur ausdenken! Wobei... Eigentlich war er ja gar nicht mein Bruder. Er war der Sohn meiner Pflegemutter gewesen.
Meine Eltern waren Jack und Anelia,aber er konnte nicht ihr Sohn sein. Er hat blonde Haare und blaue Augen. Während mein Vater braune Haare und Augen hat und meine Mutter genauso wie ich rote Haare und grüne Augen hat. Stephan passte in dieses Bild überhaupt nicht rein. In die Familie meiner Pflegemutter hingegen passte er umso besser. Meine Pflegemutter hatte blonde Haare, wie er, nur ihre Augen waren grau. Ihr früherer Freund, denn ich nur auf einem Foto gesehen hatte, hatte zwar etwas dunklere Haare als Stephan und sie gingen eher ins hellbraun, aber dafür hatte er blaue Augen gehabt, daran konnte ich mich noch genau erinnern. Wo ich jetzt darüber nachdachte, warum ist mir nie aufgefallen, dass ich so gar nicht in diese Familie passte?
Stephan und ich waren also theoretisch keine Geschwister, trotzdem sah ich ihn als meinen Bruder an. Wenn Stephan nicht zu meiner Familie gehörte, warum war er dann ein Werwolf? Wenn er überhaupt ein Werwolf war... Vielleicht hatte er ja gelogen? Seine Aussage, dass er unsterblich und ein Gestaltenwandler sei, klang schon ziemlich unglaubwürdig.
Es gab Werwölfe, ja, aber andere Wesen konnte ich mir kaum vorstellen, auch wenn ich das vor nicht allzu langer Zeit auch über Werwölfe gesagt hätte. Trotzdem konnte es nicht möglich sein, sonst wüsste ich schon längst davon. Marie hatte mich auch schon damit hineingelegt, indem sie behauptet hatte,dass es einen Hexer gab. Fakt ist aber, dass ich noch nie ein anderes Wesen, außer Werwölfe gesehen habe und ich habe auch nie davongehört.
Wenn mir Stephan die Wahrheit erzählt hätte, dann hätte ich wenigstens im Rudel davon etwas mitkriegen müssen, er ist ja nach dem Vater von Marie Rudelanführer geworden. Ich stockte. Auch dieser Teil kam unlogisch rüber, denn meine Eltern sind die Rudelanführer und sie mussten es schon zu meiner Geburt gewesen sein, immerhin haben alle gesagt, dass für mich schon vor Jahren ein Ehemann ausgewählt wurde, weil ich die nächste Rudelanführerin gewesen wäre.
Stephan hatte mich also angelogen.
Diese Erkenntnis traf mich härter als erwartet. Mir stiegen die Tränen in die Augen und auf einmal konnte ich nicht einfach auf dem Bett liegen bleiben und nichts tun. Ich musste hier weg. Nicht nur, weil Stephan nicht ganz ehrlich zu mir gewesen war, sondern vielmehr darum, weil ich nicht hier blieben wollte. Nicht in der Nähe von Marie und ihrem Vater.
Mein Entschluss war getroffen! Ich schlug die Decke, die mich umgab, beiseite und stand vom Bett auf. Gleich im nächsten Moment hielt ich mich Bett fest, da mir kurz schwarz vor Augen wurde und ich etwas taumelte. Das verflog zum Glück schnell und ich schritt zur Tür.
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Emerald wolve
WerewolfWährend eines starken Sturmes wurde die 16 Jährige Mila Kingston fast von einem Baum erschlagen. Dank einer unbekannten Person wurde sie gerettet. Wer diese Person war und welch ein Schicksal Mila bevorstand, erfuhr sie noch früh genug.