Kapitel 2~Ein unbeschreibliches Gefühl

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Der Schmerz zuckte nochmal heftig durch meinen ganzen Körper, ich wollte schreien, aber auf einmal fühlte ich mich gelähmt. Ich spürte nichts mehr, keinen Schmerz, noch nicht mal das pochen meines Herzens. Ich nahm nichts mehr wahr. Meine ohnehin schon verschwommene Sicht vom Regen, war noch verschwommener. Ich hörte weder etwas noch roch ich etwas. Es war so als wären all meine Sinne komplett ausgeschaltet und als ob ich nicht leben würde.

Plötzlich durchfuhr mich ein unglaubliches und merkwürdiges Gefühl. Einerseits spürte ich nichts, aber andererseits spürte ich alles. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Es war schrecklich, aber auch wunderschön. Ich wollte, dass es aufhörte, aber auch dass es anhielt. Ich war so hin und her gerissen von meinen Gefühlen. Es waren zwei komplett unterschiedliche Gefühle. Sie waren das Gegenteil voneinander und genau das faszinierte mich dann wieder.

Es kam mir so vor, als würden Stunden vergangen sein, als das Gefühl wieder verschwand. Meine Sicht wurde klar. Auch meine anderen Sinne kamen wieder, aber irgendetwas war anders, das merkte ich.

Ich konnte wieder alles sehen, aber meine Sicht war besser. Ich konnte ein Insekt direkt vor mir sehen, wie es unter ein Blatt floh, um sich vor den Regen zu schützen. Ich blickte auf und bemerkte erst jetzt, dass es schon Nacht war und der abnehmende Mond zusehen war. Ich senkte mein Blick in den Wald. Ich konnte in meiner unmittelbaren Umgebung alles sehen und das obwohl es Nacht war und der Mond nicht viel Licht durch die dichten Baumkronen spendete.

Ich wurde durch ein Geräusch abgelenkt. Es hörte sich an wie ein Zwitschern, aber wie war das möglich? Ich hatte seit Tagen kein Vogelgezwitscher mehr gehört, immerhin regnete es Tag und Nacht. Ich hörte nochmal genauer hin und war mir ziemlich sicher, dass das Gezwitscher von einem Baum kam. Es hörte sich an wie ein kleines Vogelbaby, dass nach Essen rief. In dem Baum war sicherlich ein Nest und wegen dem vielen Regen konnte seine Mutter anscheinend nicht viel Futter suchen. Ich hörte wie es erneut zwitscherte.

Aber warum hörte ich das? Und warum sah ich auf einmal so viel mehr? Waren meine anderen Sinne auch ausgeprägter? Mein Kopf schwirrte vor lauter Fragen.

Ich atmete tief ein. Mein Geruchssinn war tatsächlich ausgeprägter. Ich neigte mein Kopf nach unten und nahm die neu gefundenen Gerüche in mich auf. Meine Schnauze war deutlich über dem Waldboden und trotzdem- Ich stoppte mitten im Gedanken, als ich relaisierte was anders war. Meine Atmung ging schneller. Ich hielt mein Hand, oder wohl eher Vorderpfote hoch und betrachtete diese. Sie war rostrot bis braun. Ich hatte eine Schnauze und eine Pfote! Eine mit Fell überzogene Pfote und scharfen Krallen. Was war mit mir los? Sollte das ein schlechter Witz sein?

Ich bekam Panik. Das war definitiv nicht normal. Wann hatte ich mich so verändert?

Vielleicht nachdem ich aufgewacht war? Ich überlegte nochmal, erinnerte mich dann wieder daran, dass ich meine Hand gesehen hatte. Sie hatte geblutet und auf ihr war ein Zeichen gewesen, da hatte ich mich also noch nicht verändert. Ich ließ alles nochmal Revue passieren.

Ist es passiert, als ich den Schmerz gespürt hatte? Oder als ich gelähmt war? Oder doch als ich dieses ungewohnte Gefühl gespürt hatte? Ich hatte so viele Fragen und konnte mich gar nicht auf eine konzentrieren. Ich versuchte Ruhe zu bewahren, aber meine Atmung war nach wie vor schnell und hektisch.

Ich tat das erste was mir in den Sinn kam, ich lief. Ich wusste nicht wohin oder warum, ich lief einfach los. Ich humpelte ein wenig bei meinem rechten Bein. Wahrscheinlich, weil ich vorhin umgeknickt war. Der Schmerz war mir egal. Mir war im Moment alles egal. Ich wollte einfach nur wieder normal sein und das alles vergessen.

Der Regen peitschte mir entgegnen. Es regnete nach wie vor in Strömen. Ich spürte wie mein nasses Fell an meiner Haut klebte. Ich schnaubte verächtlich bei dem Gedanken, dass ich Fell hatte.

Ich wollte das alles nicht, ich wollte wieder ich selbst sein. Ich wollte wieder ein Mensch mit zwei Beinen und zwei Armen sein. Ich wollte kein Fell haben. Ich wollte meine roten Haare wieder, auch wenn ich meine roten Haare nicht unbedingt gemocht hatte, jetzt wollte ich sie wieder haben.

Ich wurde wütend. Warum passiert so etwas ausgerechnet mir?

Ich verschnellte mein Tempo. Der Wald endete, aber ich lief trotzdem weiter. Mein Blick war nach vorne gerichtet, so merkte ich gar nicht wie unter mir der Wald plötzlich aufhörte. Ich verlor den Grund unter den Füßen und es wurde um mich herum eiskalt. Ich war in einen See gefallen, war mein erster Gedanke.

Ich strampelte mit meinen Pfoten und versuchte mich über Wasser zu halten. Ich streckte meine Schnauze nach oben und schnappte hektisch nach Luft. Ich wollte nach Hilfe rufen, aber das einzige Geräusch, welches von mir kam, war ein Jaulen. Ich verlor an Kraft und konnte mich nicht länger über Wasser halten. Ich gab auf und bewegte mich nicht mehr.

Ich ließ mich nach unten treiben, ich hatte einfach keine Energie mehr.

Um mich herum wurde es immer dunkler, je tiefer ich sank. Ich schnappte vergeblich nach Sauerstoff, bekam aber nur Wasser in die Schnauze und dann war wieder alles schwarz. 

Emerald wolveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt