*Kapitel 30~Gedanken*

617 62 0
                                    

Mein Vater verschwand im Haus und ließ uns alleine. 

"Mila-", hörte ich Kyle hinter mir sagen. 

"Nein, Kyle! Lass mich", entgegnete ich und folgte Dad.

Ich konnte im Moment nicht mit ihm reden, ich wollte einfach alleine sein. Alleine mit meinem Vater, um mit ihm in Ruhe reden zu können. Ich war gespannt darauf, was er zu dem Tagebuch sagen würde und was mit Marie passieren würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, was mit ihr geschehen würde. Vielleicht würde sie ja verbannt werden? Aber ob das wohl eine gute Idee wäre? Nachdem, was ich gehört hatte, was mit einem nach einer Verbannung passiert, würde ich das keinem wünschen. Auch so einer Schlange, wie Marie nicht. 

Und was würde eigentlich mit Drake passieren? Vielleicht würde er ja wieder in meinem Stamm aufgenommen werden. Kann ein verbannter Wolf  eigentlich wieder normal werden oder ist er für immer verrückt? Das war eine Frage, die mir schon seit der Sache mit Drake, auf der Zunge brannte. Aber wollte ich überhaupt, dass Drake zurück kommt? Ich denke schon. Wobei das nicht so einfach werden würde, da Kyle ja noch da ist, für den ich Gefühle hege. Ich würde mich irgendwann entscheiden müssen. Eigentlich hatte ich mich ja schon entschieden, aber jetzt war es wieder etwas komplizierter. Ich meine, man muss sich ja nicht immer mit seinem Schicksal zufrieden geben. 

Am besten ich würde mich fürs erste nur auf das neue Wolf-Sein konzentrieren. Ich musste schließlich noch viel lernen. Wenn ich mit allem klar kam, könnte ich darüber nachdenken, für wenn ich mich entscheiden sollte. Aber das hatte noch Zeit. Sehr lange Zeit. 

Was sollte ich meinem Vater jetzt also sagen? Besser ich sage ihm nichts. Aber warum sollte ich dann mit ihm reden? Vielleicht will er ja noch mit mir über Marie oder Drake reden. Oder über Kyle. Ehrlich gesagt wollte ich nicht mit ihm darüber reden. Aber nun gab es kein Weg zurück. 

Vielleicht würde ich es schaffen, mich unbemerkt an ihm vorbei zu schleichen und in mein Zimmer zu gelangen. Obwohl, er war ein Wolf und ein Wolf witterte seine Kinder sofort, das würde also nichts werden. Es könnte auch sein, dass er gar nicht mit mir reden wollte.  Eigentlich musste er mit mir reden, denn ich war quasi eine 'Zeugin'. 

Ich würde also mit ihm reden. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte, ohne jemanden dabei in schlechtes Licht zu stellen. Aber würde das so schlimm sein? Ja, würde es. Ich konnte nicht der Grund sein, weshalb Marie verbannt werden würde. Selbst, wenn sie verbannt werden würde, wäre es nicht meine Schuld, denn sie hatte ja Scheiße gebaut, nicht ich. 

Sie musste die Konsequenzen dafür tragen. 

Ich näherte mich dem Haus. Meine Anspannung wurde größer. Was sollte ich sagen, wenn ich meinem Vater gegenüberstand? Ich denke, dass würde ich spontan entscheiden. Oder lieber nicht. Wahrscheinlich war es besser, wenn ich mir vorher einige Antworten zurecht lege. 


Drake, ich dachte wieder an Drake. Sofort kam mir sein Aussehen in den Sinn; trübe gelbe Augen, ein schlacksig hochgebauter Körper und sein Arm, welcher bei seiner Verwandlung in den Boden gesogen wird. Obwohl, als wir alleine in der Hütte waren, strahlte er wie ein Diamant. Ich fragte mich warum ich so viele verschiedene Eindrücke von ihm hatte. Zugegeben, die hatte ich von jedem im Moment. Bei den Anderen waren es die verschiedenen Charaktere und bei ihm war es das Aussehen, der Charakter und seine Handlungen. 

Ich stand an der Tür; sollte ich jetzt schon eintreten? Ich zögerte etwas und starrte in den Himmel. Die Sonne war kurz vor dem Untergehen und der Mond wurde langsam sichtbar. Es wurde wirklich Zeit, dass ich rein ging. Leider fehlte mir in dem Moment der Mut. Ich traute mich einfach nicht. Diese Situation hatte mich völlig ausgeraubt. Es war einfach so viel geschehen, an nur einem Nachmittag. 

Meine Hand hob sich langsam und setzte an die Tür an. Ich drückte die Türklinke runter und atmete noch einmal tief durch. Gleich gab es kein Zurück mehr, gleich musste ich mit meinem Vater reden. Ich müsste ihm schildern, was ich wusste. Das Problem daran war, dass ich nicht wirklich wusste, was ich wusste; ich wusste nicht, was die Wahrheit war, obwohl ich schon eine Vermutung hatte, die ich aber noch keinem erzählen wollte. Es konnte nämlich sein, dass es Drake in ein schlechtes Licht führen würde  und ich war mir nicht sicher, ob ich dazu bereit war. Andererseits konnte es auch Kyle schlecht dar stehen lassen.

Kyle und Drake waren schließlich Brüder und so könnten sie auch Kyle verdächtigen, wenn ich ihnen meine Vermutung über Drake erzählen würde. 

Und dann trat ich ins Haus. Vor mir stand mein Vater. Seine Augen schienen komisch zu flackern. Was war mit ihm los? 

Emerald wolveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt