Part 51

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Als ich Mittwochnachmittag auf dem hölzernem Schemel vor Scotts Bett machte mich quasi im wahrsten Sinne des Wortes zum Hampel, nur um ihn halbwegs zum Lachen zu bringen. Umgeformte Sprichwörter, alte Jokes, die man noch von früher kannte, selbst Soldaten- und Kriegswitze, über die man aus Ironie, Amüsierung oder weil es ganz einfach auf die Person selbst zutraf lachte. Als Talings schon glänzende Tränen in den Augen hatte, zuckten Scotts Mundwinkel für einen kurzen Moment lediglich mit nachdenklichen Blick und durchsichtigen Augen nach oben.

Ich fuhr mir durch die Haare, die schon wieder viel zu dicht und lang waren, räusperte mich, merkte, wie die Jokes und allein Talings Reaktionen Endorphine in mir ausschütteten. Keine Wasserfälle voll prasselten mir ins Gehirn, ein paar kleine Stöße. Nicht mehr, aber immerhin. Tiefe, schwere Atemzüge waren zu hören und ich konnte mir das zerstreute Chaos in Scotts Kopf wirklich gut vorstellen.

"Der letzte Kampf hat mir den Rest gegeben, Leute. Ich kann nicht mehr." Die Lippen wurden ganz schmal und die schmerzerfüllten Augen brachen mein Herz fast entzwei. In meinem Leben und selbst in diesem Jahr habe ich viel, sehr viel gesehen und schreckliche Dinge erlebt, aber allein diese scheints belanglose Situation schmetterte auf mich wie eine explodierende Bombe ein. Traf mich härter als alles bisher gewesene. Seine Worte erschütterten und plötzlich fühlte ich mich beklommen. Fand es unangebracht, solche dämlichen Witze zu bringen. Talings wandte den Blick wie so oft nach unten, seufzte tief. Starrte den in sich gekehrten Scott an. Ich schüttelte den Kopf, stützte die Ellenbogen an den Oberschenkeln, sah, wie der Gleichaltrige mich mit ausdruckslosem Blick anstierte, als wollte er selbst nonverbal vermitteln, hilf mir doch! Das schlimme war nicht der Zustand, nein, es war die Tatsache, ihm nicht helfen zu können. Und das machte sich bemerkbar. Bei Talings, bei Tony, bei mir. Bei jedem, der mit ihm zu tun hatte. Klar, bei den einen mehr, bei den anderen kaum, aber wettmachen oder gar ignorieren konnte es keiner so richtig.

Wie konnte er nur so lange Zeit diese Facetten wahren? Gott, das war doch irrsinnig. Sein Innerstes so lange zu verstecken, bis man irgendwann so lange daran herumnagte, bis man einem nervlichen Zusammenbruch erlag. War es das, was uns die Leute in der GAB und neue Offiziere vermitteln wollten? Nein, aber ganz bestimmt nicht.

Wo war mein Scott hin? Der, den ich kannte. Der, mit dem man Pferde stehlen konnte. Der, dem man vertrauen konnte. Der, der einem immer gut zu sprach, wenn man am Boden war. Der, der stets tröstende Worte oder auch mal in der passenden Situation einen schmutzigen Witz auf Lager hatte. Wo war er hin? Ins Nirvana, ins Nirgendwo? Oder musste man hingegen nur die richtigen Knöpfe wie bei einem Gerät drücken und schon war er wieder da. Nein, das wäre vermutlich zu einfach, war die ernüchternde Erkenntnis.

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Mittwoch, siebzehn Uhr fünfzehn.

Teambesprechung - im Prinzip war es wie eine Mitarbeitersitzung in einer gut koordinierten Firma. Es wurde dokumentiert, gesagt was gut lief, was weniger gut lief. Es wurde kritisiert, geschrien, getobt und von den Freunden wieder besänftigt. Diskutiert hingegen wurde nicht, nur zugehört und sich in Gedanken darüber aufgeregt oder später mit den Kameraden darüber getobt. Es tatsächlich laut auszusprechen traute sich niemand. Nicht einmal der "größte Held" - Bradley. Im selben Moment schimpfte ich mich für den Gedanken. Er zog meine Stimmung nur wieder in den Keller. Promt schob er sich in mein Blickfeld und ich warf ihm einen bedrohlichen Blick zu. Sofort rückte er mit einem provokantem Ächtzen zur Seite.

Als nach weiteren fünf Minuten auch die letzten Offiziere das Zelt erreichten, wurde es voll und eng. Unsere Einheit drängte sich näher zusammen und ich fragte mich, wo Scott steckte. Ich konnte ihn nicht finden und als ich völlig in Eile zum Treffpunkt gerannt war, habe ich ganz vergessen ihm, der noch im Bett lag, Bescheid zu geben. Sie würden ihm vermutlich den Kopf abreißen und er würde vor versammelter Mannschaft einen Vortrag, der schon reif für die große Bühne war, über Disziplin zu hören bekommen. Der Arme. Die, die das zu hören bekamen konnten einem wirklich leidtun.

Nachdem die Grundlegenden Dinge besprochen waren, wurden die Neuigkeiten verkündet. Das neue Waffen geliefert worden sind und wir zwar die Gegner besiegt hätten, wir jedoch noch weiterhin Stellung hielten und versuchten in dieses Land, das so voll mit Katastrophen war, eine Infrastruktur aufzubauen. Dass das eine irrsinnige Illusion war, war jedem der Anwesenden bewusst. Doch was die Großen am längsten Hebel beschloss, wurde durchgeführt. Egal, was wir davon hielten oder ob wir andere Ansichten teilten.

Als ich meinen Namen hörte, schellte mein Kopf nach oben und ich riss die Augen auf. Es wurden noch weitere Kameraden genannt und ich wartete mit einer Mischung aus Verwirrung und Neugierde darauf, was nun folgen würde. Das, was zuvor gesagt wurde, war nur schwammig und zäh durchgesickert, sodass die paar Bruchteile, die ich aufgeschnappt habe keinen Sinn ergaben.

"Soeben hat uns die Nachricht erreicht, dass diese Truppe versetzt wird. Nach Deutschland in eine Kaserne. Sie haben hier ihr Bestes gegeben. Alles weitere wird in Kürze bekanntgegeben."

Bitte, was!?

Gemurmel, vereinzelte Schimpfwörter, dann löste sich die Masse auf. Jeder zu seinem Training, Zelt oder Treffpunkt. Irgendwie schaffte ich es noch, mich nach draußen zu schleppen. Alles drehte sich und wurde unklar. Ich sackte an der Verankerung des Zeltes nach unten, lehnte mich kraftlos dagegen. Da entdeckte ich Scott, wie er mit geschlossenen Augen die Hände zum Himmel erhob und Gott pries. Plötzlich wurde alles wieder klar und ich war bei Verstand. Da wurde mir plötzlich klar, dass Tony und ich getrennt sein würden. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Tausend Messerstiche auf einmal auf meiner Haut. Der Schmerz war größer, als der, den ich durchleben musste, als eine Kugel mein Bein traf. Viel größer.

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Ich glaube, ihr hasst mich ab dem heutigen Tag. :( Aber keine Angst, es wird sich im nächsten Kapitel von selbst erklären warum, weshalb und wieso, glaubt mir.

Hoffe dennoch das es euch gefallen hat und würde mich über Feedback freuen. :)

xox,

N

Football TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt