(Un)angenehme Momente

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Die Sonne brannte heiß auf den rothaarigen Hünen hinunter, der versuchte sich mit seinem Lieblingssport abzulenken. In letzter Zeit beschlich ihn immer mehr so ein eigenartiges Gefühl. Er konnte es sich nicht erklären, aber diese innere Unruhe packte ihn immer mehr. Als er aus Amerika wieder kam und sich in der Seirin- High einschrieb ging es ihm wie immer. Auch Monate danach lief alles wie am Schnürchen, abgesehen von den Siegen und Niederlagen, die er mit dem Team teilte.
Ein weiteres Mal warf er den orangenen Ball und dieser berührte erst den Ring bevor er nach einer langen Umrundung am Ring, noch gerade so im Korb landete. Genervt stöhnte Kagami Taiga auf. Es nervte ihn, dass er dieses Gefühl nicht zuordnen konnte und es beschäftigte ihn viel mehr als er wollte. Genervt von sich selbst schenkte er dem Ball keine weitere Beachtung und ging zu seiner Tasche. Als er seine Wasserflasche aus der Tasche zog, setzte er sich in ein schattiges Plätzchen auf dem Boden und atmete durch. Als er einen großen Schluck aus seiner Flasche genommen hatte, griff er in seine Tasche und zog etwas hervor das aussah wie ein Zettel. Mit einer Hand entfaltete er das Stück Papier und sah es sich genau an. Es war das Foto, das er vor einigen Wochen beim Abwaschen gefunden hatte. Zwar hatte er es für eine Weile vergessen und durch Zufall auf der Spüle erneut entdeckt, aber irgendwie verfolgte es ihn. Auf der einen Seite rang er mit sich, sich einfach mal ungebunden bei ihr zu melden, aber andererseits hielt er es für keine gute Idee. Irgendetwas in ihm hielt ihn davon ab. Vermutlich war es sein Innerer Schweinehund den es zu überwinden galt. Dabei wäre es nur ein Anruf, oder eine SMS die nötig wäre.
Wie sie wohl reagiert, wenn ich ihr sage, dass ich schon seit ein paar Monaten wieder da bin?, fragte er sich und lehnte sich mit dem Rücken am Zaun an. Vermutlich würde sie es ignorieren. "zur Kenntnis genommen, abgehackt", doch dann schüttelte er den Kopf und versuchte sich von diesem lästigen Gedanken zu befreien.
Was waren denn das für Gedanken? Zog er wirklich in Erwägung sich bei seiner Zwillingsschwester zu melden? Nach fast zwei Jahren?
Erneut sah er schwermütig auf das Bild das beide unbeschwert zeigte. Und obwohl sie Zwillinge waren, konnte man den einen oder anderen Unterschied erkennen. Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal war wohl das Geschlecht, obwohl sie ähnliche Gesichtszüge und Markante Punkte hatten, waren sie doch recht verschieden. Auf dem Bild hatte sie ziemlich lange Haare, was die beiden auch maßgeblich unterschied und es so leichter machte, wer Taiga und wer Haruka war. In diesem Alter, wie sie auf dem Foto waren, hatten auch beide in etwa die gleiche Größe und Statur. Ja „Halbidentische" Zwillinge, konnten durchaus ein unterschiedliches Geschlecht haben und mussten sich nicht zwingend in ihren Interessen und Verhalten ähneln.
Ein langer gedehnter Seufzer entwich ihm. Dieses Foto log ihm nur was vor, von einer Zeit als die Welt noch in Ordnung war. Gefrustet faltete er das Foto wieder zusammen und steckte es in die Hosentasche zurück. Es war nun mehr als offensichtlich, die Vergangenheit zermürbte ihn. Seid dieses dumme Foto aufgetauchte, war er einfach zu abgelenkt. Ein weiterer Seufzer entwich ihm und er kratzte sich am Hinterkopf.
Nicht drüber nachdenken, dachte er und dieser Gedanke weckte dann doch eine gewisse Enttäuschung in ihn.
Doch plötzlich zog etwas anderes seine Aufmerksam auf sich und veranlasste ihn dazu, seinen Frust Platz mach zu lassen, für eine tiefer verankerten Abneigung. Genervt brummte er, als er das Ass der Tōō- High auf der anderen Seite des Platzes sah. Er hatte gerade den Basketball aufgehoben und grinste Kagami frech an.
Genau DAS hat mir gerade noch gefehlt, dachte der Rothaarige verärgert und erhob sich langsam.
»Was willst du hier? Suchst du nach Ärger?«, fragte Kagami den anderen Power Forward grimmig.
»Wieso? Bietest du mir welchen an?«, fragte Aomine und warf ihn den Ball zu.
Kagamis Gesichtsausdruck wurde immer grimmiger, als er den Ball fing. Der Typ war der Letzte, den er jetzt gebrauchen konnte.
»Du bist doch nicht hier um einen neuen Streit vom Zaun zu brechen, oder? Wenn doch, ich bin nicht in Stimmung«, knurrte der Rothaarige.
»Hey, ganz ruhig. Ausnahmsweise will ich nur ein kurzes Spiel mit dir wagen. Nicht mehr, nicht weniger«, verteidigte sich der Andere.
»Keine Lust«, sagte Kagami und wank ab.
»Du lehnst die Gelegenheit ab dich für die Niederlage zu revangieren? Was ist denn mit dir los?«, feixte Aomine.
»Das kann dir doch egal sein«, motzte der Rothaarige und wandte ihm den Rücken zu. Doch das leise, hämische Kichern Aomines veranlasste ihn, sich wieder zu seinem Rivalen umzudrehen.
»Hab ich den Witz verpasst?«, fragte Kagami mit hochgezogener Augenbraue.
»Die Ähnlichkeit ist verblüffend«, schmunzelte dieser weiter und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn du Titten hättest wäret ihr beiden kaum voneinander zu unterscheiden.«
Da fiel Kagami vor Perplexität jegliche Mimik aus dem Gesicht.
»Was meinst du denn damit?«, fragte Kagami nun leicht nach Fassung ringend.
Doch Aomine zuckte lediglich mit den Schultern und antwortete recht salopp.
»Ich rede von deiner Schwester.«
Nun war es soweit. Der Power Forward der Seirin- High ließ vor lauter Überraschung, die ihm auch deutlich im Gesicht stand, den Ball fallen und starrte Aomine ungläubig an.
»Wie ... war das ... gerade?«, stammelte Kagami.
Nun war es an Aomine fragend zu schauen. Die Hände in den Hosentaschen vergraben musterte dieser Kagami genauer.
»Warum so überrascht?«
»Woher weißt du von meiner Schwester?«
Da zuckte der Blauhaarige mit den Schultern.
»Naja, ...«, doch da begann dieser erneut zu feixen. »Sie ist mir vor ein paar Wochen direkt in die Arme gefallen.«
»Sie ist ... was?«, brach es aus dem etwas Kleineren.
»Du scheinst nicht sonderlich an ihrer aktuellen Lage angeschlossen zu sein, oder?«, fragte nun Aomine ernster.
»Welche Lage?«
»Sag mal, sprecht ihr überhaupt miteinander?«
Doch zu Aomines Überraschung senkte Kagami seinen Blick und antwortete nicht darauf.
Der Blauhaarige wartete noch einen Augenblick, bis sein Gegenüber antwortete, doch es kam nichts, also ergriff er wieder das Wort.
»Also weißt du eigentlich gar nichts, von dem was in letzter Zeit los war?«, sagte Aomine mit ungewohnter Ernsthaftigkeit.
»Nein, aber woher willst du das wissen?«, fragte Kagami stutzig.
»Sie geht seit einigen Wochen in meine Klasse.«
Vor lauter Sprachlosigkeit stand Kagami nun der Mund offen. Hatte sein größter Rivale gerade wirklich behauptet, dass seine Schwester in seine Klasse ging?
»Willst du mich verarschen?«, fragte Kagami aufbrausend.
»Nein, ausnahmsweise nicht.«
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war Kagami plötzlich ziemlich angepisst und ballte die Hände zu Fäusten. Seine Schwester Haruka ging also wirklich auf die Tōō- High, dass war unfassbar. Tat sie das mit Absicht, oder war es reiner Zufall? Zermürbt und angesäuert bückte sich Kagami nach dem Ball und ging auf seine Tasche zu. Ihm war die Lust auf ein Spiel nun gänzlich vergangen.
»Jetzt scheinst du gar nicht mehr in der Stimmung für ein Spiel zu sein, oder?«, stellte Aomine ernüchternd fest.
Wieso hab ich den Eindruck es für heute besser dabei zu belassen?, fragte der Blauhaarige sich und musterte Kagami.
»Könntest du mir einen Gefallen tun?«, fragte der Rothaarige plötzlich. Da war Aomine erstaunt, bat er ihn gerade wirklich um einen Gefallen?
»Kommt darauf an?«, antwortete dieser zaghaft. Da drehte sich Kagami ihm entgegen.
»Sag Haruka nichts davon.«
»Wovon?«
»Von den Gesprächsfetzten gerade.«
Da zuckte der Größere erneut mit den Schultern.
»Meinetwegen. Ich spreche sowieso nicht sonderlich viel mit ihr.«
»Umso besser«, murmelte Kagami und wandte sich zum Gehen.
Fragend sah Aomine seinem Rivalen noch eine Weile nach. Was war das denn gerade? Zwischen den beiden herrscht wohl dicke Luft?


Mit erstaunlich guter Laune ging Kagami Haruka geradewegs zum Clubraum des Journalisten-Clubs. Seit Kaiou Suki, dieser azurblauhaarige kleine Teufel, die Schülerzeitung unter ihren Fittichen hatte, waren die Schüler im Allgemeinen umgänglicher und offener geworden. Kaiou wusste wie man am neutralsten und "Fachgerechtesten" einen Artikel schrieb. Die Theater AG beispielsweise, führte ein eigen geschriebenes Stück auf, welches die Schüler selbst erarbeiteten und einstudierten. Der Verlauf von der Entwicklung des Stücks bis hin zur Generalprobe verfolgte Kaiou aufmerksam und schrieb dazu auch ihre Kritik, die sehr sachlich ausfiel. Das gefiel den Schülern, sie steckten zwar Kritik ein, aber nicht auf eine plumpe und hetzerische Art. Und das wichtigste, es gab keine unhaltbaren und an den Haaren herbeigezogenen Gerüchte, oder falsche Tatsachen, die man verdrehen konnte wie es einem passte. Die Fotos welche die Artikel zierten waren auch ansprechender als die vorherigen. Im Großen und Ganzen konnte man sagen, dass der Journalistenclub sich wieder gefangen hatte. Was nicht hieß, dass Shirahama still hielt. Ihre getreuen Anhänger waren alles andere als glücklich darüber, dass sie so das Feld räumen musste, zumal sie nie einen Grund nannte weshalb sie den Journalistenclub so abrupt verließ. Doch das war Kagami alles ziemlich egal. Leise vor sich hin summend ging sie den langen Schulfluhr entlang und öffnete die Tür zum Clubraum. Kaiou erwartete sie bereits breit grinsend.
»Hey! So gut gelaunt und das am Nachmittag? Hast du eine Eins geschrieben?«, fragte die Blauhaarige ihre Fotografin.
»Nö«, feixte diese. »Keine Ahnung, ich bin einfach gut drauf. Ich hab das Gefühl mir kann heute nichts und niemand den Tag vermiesen.«
Da grinste Kaiou schief.
»Willst du drauf wetten, Kagami-chan?«, fragte sie spitzzüngig.
»Wer wettet ist ein Schuft und weis, dass er gewinnt«, entgegnete die Rothaarige und streckte ihr die Zunge heraus.
Da kicherte die Kleinere.
»Da ist was dran«, nach einer Weile, als sie ein paar Sätze abgetippt hatte und speicherte, hielt sie Kagami einen Zettel unter die Nase. Überrascht nahm diese ihn entgegen und entfaltete das Blatt Papier.
»Was ist das?«, fragte die Größer.
»Ein Liebesbrief«, sagte Kaiou trocken und hob eine Braue. »Na was wird das wohl sein? Den hat mir Momoi zugesteckt, soll ich dir geben.«
»Momoi? Wieso gibt sie ihn dir? Ich sitze doch genau neben ihr?«, sagte Kagami stutzig.
»Sie ist vor wenigen Minuten erst rein und wollte ihn dir persönlich geben, aber du warst noch nicht da und sie hatte keine Zeit. Du verstehst? Das Training«, sagte die Kleinere und hämmerte regelrecht weiter auf ihre Tastatur ein.
»Hm«, kam es da nur von der Fotografin und sie las sich die Nachricht durch. Doch wenig später zog sie die Stirn kraus.
»Öhm, ja. Was soll mir das Ganze jetzt sagen?«
»Was denn? Zeig mal«, sagte Kaiou und nahm ihrer Freundin den Zettel ab.
Die Blauhaarige las sich den Inhalt ebenfalls durch und wandte sich dann wieder ihrem PC zu. Schnell fuhr sie mit der Maus über den Monitor und öffnete eine Suchmaschine im Internet.
»Was machst du da?«
»Das auf den Zettel ist eine Adresse«, sagte Kaiou kurz.
»Ja, .... Ach so. Du willst nachsehen was oder wo das ist?« Mein Gott, was für 'ne lange Leitung ich heut hab, dachte Kagami und musste über ihre eigene Begriffsstutzigkeit lächeln.
»Ganz genau«, nach einem kurzen Augenblick klatschte die Kleinere in die Hände. »Ha! Ich hab es. Das ist eine Adresse aus der Präfektur Chiba, um genau zu sein ist es die Anschrift eines Trainingscamps. ... Ein ziemlich altes sogar, liegt etwas abseits.«
»Ein Trainingscamp? Und warum gibt sie mir die Adresse?«, doch da klatschte sich Kagami schon mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Vergiss es, ist selbstbeantwortend.«
Kaiou warf ihr einen ungläubigen Blick zu.
»Das hat jetzt aber gedauert« und musste dann doch belustigt grinsen. »So wie es aussieht sollst du wohl mit.«
»Nein, ihr beide sollt mit«, erklang plötzlich eine weitere Mädchenstimme. Die beiden wandten sich um und in der Tür stand die rosahaarige Managerin des Basketballclubs.
»Ich denke ihr habt Training?«, fragte Kagami, was aber irgendwie eher wie eine Feststellung klang.
»Die Jungs trainieren, ich plane und recherchiere«, sagte diese und ging auf die beiden zu. »Ihr seid alleine hier? Wo sind die anderen?«, und sah sich im Clubraum um.
»Einige sind auf der Suche nach interessanten Neuigkeiten, und eine ist mit dem Rohdruck zum Betreuer um es absegnen zu lassen«, sagte Kaiou.
»Ach so, naja wie dem auch sei. Eigentlich brauch ich auch nur euch beide«, sagte Momoi und grinste sie heiter an. »Wie ich sehe habt ihr schon nachgeschaut um was es geht. Es ist so«, begann sie zu erklären. »Der Coach will, dass über die Ferien konsequent und strategisch trainiert wird. Das heißt nach einem bestimmten Plan und dafür geht es in dieses Camp in Chiba.«
Kaiou lehnte sich grübelnd in ihrem Stuhl zurück.
»Du willst, dass wir einen Artikel über ihr emsiges Training schreiben, oder?«, stellte die Rothaarige fest.
»Ganz genau. Der Artikel über die Theater AG den ihr vor kurzem gedruckt habt, war super. Die Kritik kam gut bei den Leuten an und da dachte ich, ihr könntet das vielleicht auch für uns tun.«
Kagami und Kaiou warfen sich einen kurzen Blick zu.
»Und wie lange wird das Ganze gehen? Eine Woche?«, fragte Kagami die Managerin.
»Drei Wochen.«
»DREI WOCHEN?«, sagten Kaiou und Kagami unisono.
»Wir sollen drei Wochen beobachten wie sich die Jungs den Arsch aufreißen und vermutlich nur noch auf dem Zahnfleisch daher kriechen?«, fragte die Blauhaarige, doch plötzlich legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. »Da bin ich dabei. Ich will sie leiden sehen. Höhö.«
»Sadistin«, murmelte Kagami daraufhin nur.
»Ja, aber es wird nicht 24 Stunden trainiert, etwas Zeit zwischendurch bleibt schon noch, dass ihr vielleicht das ein oder andere schon schreiben und ausarbeiten könnt.«
»Also an sich steht dem nichts im Wege, natürlich muss ich das kurz mit meinen Eltern besprechen, aber die werden nichts dagegen haben«, sagte Kaiou.
»Und bei dir?«, fragte Momoi nun an Kagami gerichtet.
»Ich werde das mit meiner Tante klären, aber eigentlich dürfte das bei mir auch kein Problem werden.«
»Dann wäre das abgemacht. Datum, Uhrzeit und Treffpunkt stehen ebenfalls auf den Zettel, wie ihr sicherlich schon gesehen habt.«
»Fahren wir eigentlich mit dem Zug?«, fragte Kaiou interessiert.
»Nein, es kommt ein Bus. Der Trainer hat alles Weitere bereits organisiert und vom Rektor absegnen lassen. Ich sollte nur noch euch ins Boot holen.«
Bus!?, fuhr es Kagami durch den Kopf und sie bekam auf der Stelle ein flaues Gefühl in der Magengegend. Himmel lass diesen Kelch an mir vorüber gehen.
»So damit wäre ja eigentlich alles Wichtige geklärt, wenn ihr dennoch Fragen habt, sagt Bescheid. Ich muss dann mal wieder los«, sagte Momoi.
»Ja, machen wir«, sagte Kaiou und in dem Moment wo Momoi die Tür hinter sich schloss, fuhr die Blauhaarige auf ihrem Stuhl zu Kagami herum und grinste breit.
»Ich wittere da eine fette Top-Story. Wenn die Jungs sich nicht blöd anstellen, geht der Artikel über die Schulgrenze hinaus«, sagte Kaiou und ihre Augen begannen ungewöhnlich zu funkeln. »Unsere Schule spielt ja immerhin ganz oben auf der Tabelle mit. Das lohnt sich bestimmt.«
Doch Kagami wirkte nicht ganz bei sich.
»HEY! Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte die Kleinere leicht verärgert.
»Ja, ... ja doch«, sagte Kagami verlegen und sah Kaiou nicht in die Augen.
»Darf man fragen was plötzlich mit dir los ist?«
»Ach, es ist nichts weiter. Aber nun zurück zum Thema. Wie weit bist du mit dem anderen Part?«, lenkte die Fotografin ab und deutete auf den Monitor und Kaiou sprang sofort darauf an und brachte sie auf den neusten Stand.


Der letzte Schultag vor den Ferien ging alles andere als schnell rum. Wie Kaugummi zog er sich scheinbar endlos in die Länge. Es war immer so, wenn man auf etwas wartete, wie in diesem Fall auf das Ende der Stunde, schien die Zeit einfach nicht schneller laufen zu wollen. Ätzend. Ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte und kaute auf seinem Stift herum. Gott war ihm langweilig.
Leicht seufzend versuchte Kagami- kun sich auf den Restlichen Unterrichtsstoff zu konzentrieren, doch das war gar nicht so einfach. Und wieder schwenkte sein Blick auf die Uhr die im Klassenraum hing.
TICK TACK.
Grummelnd lehnte er sich im Stuhl zurück und wurde immer hibbeliger.
»Kagami-kun halt still«, flüsterte Kuroko ihm zu. »Du machst mich ganz nervös.«
Da wandte sich der Hüne leicht zu ihm um.
»Ich mach doch gar nichts.«
»Doch du zappelst schon seit zwei Stunden rum.«
»Oh, ...«, sagte der Rothaarige leicht beschämt.
»Was ist denn nur?«
Schnell schätzte Kagami den Abstand zur Lehrerin ab und antwortete Kuroko leise.
»Ich will nach der Schule noch schnell etwas erledigen, bevor wir morgen fahren«, sagte dieser.
»Das scheint ja was enorm wichtiges zu sein, wenn du so aufgeregt bist«, stellte der Hellhaarige fest.
»Naja. Eigentlich will ich nur jemanden besuchen.«
»RUHE DA HINTEN! Noch ist der Unterricht nicht zu ende!«, unterbrach die schneidende Stimme der Lehrerin ihr Gespräch.
Verlegen sahen beide auf die Tischplatte. Als die Lehrerin sich wieder zur Tafel umdrehte, musterte Kuroko den Hinterkopf des Power Forwards, in der Hoffnung in seine Gedanken eindringen zu können.
Es interessierte ihn schon etwas, wen er traf, dass er so nervös und ungeduldig war.
Zumal es seinen Freund auch ziemlich zu beschäftigen schien. Ob es etwas mit seinem derzeitigem Verhalten zu tun hatte? Kagami war immerhin schon seit einigen Wochen so komisch.
Wenn dem wirklich so war, konnte dieser "Besuch" ihn vielleicht wieder richten und er sich danach endlich wieder auf den Sport konzentrieren. Kuroko konnte nur erahnen was Kagami blühen würde, wenn dieser weiterhin so eine miese Leistung abgab. Riko war da nämlich alles andere als mitfühlend und einfühlsam. Für sie zählten die Leistung und der Fortschritt im Training.
Erneut riskierte Kagami einen prüfenden Blick auf die Uhr und seine Miene entspannte sich etwas. Bald geschafft, nun konnte er sich schon einmal für das Kommende mental rüsten.

Als es endlich Läutete, war der Power Forward einer der Ersten die aufsprangen und schnell die Sachen zusammen packten. Unordentlich stopfte er regelrecht seine Schulbücher und Hefter in die Tasche und hatte sichtlich Mühe diese zu schließen.
»Ich nehme mal an, dass wir heute nicht zusammen nach Hause gehen«, stellte Kuroko fest.
»Ich bin wirklich etwas in Eile«, sagte der Rotschopf entschuldigend und schulterte die Tasche.
»Dieser Besuch scheint ja wirklich wichtig zu sein«, stichelte der Kleinere nach, es interessierte ihn wirklich ungemein.
»Nun, nicht direkt. Ich statte nur meiner Tante einen kleinen Besuch ab. Hab länger nichts von mir hören lassen und bevor es ins Camp geht dachte ich, nehme ich mir mal fünf Minuten«, erklärte Kagami.
»Das fällt dir aber spät ein, oder?«, sagte der Hellhaarige leicht überrascht.
»Ja, war ehrlich gesagt eine recht spontane Idee, also dann. Bis morgen« und so verschwand der Power Forward in einem rekordverdächtigem Tempo.


Fast zur selben Zeit befand die Rothaarige Fotografin sich auf den Nachhauseweg und war in Gedanken schon in Chiba. Das Trainingscamp hatte ihr Interesse geweckt. Eigentlich versprach sie sich nicht allzu viel davon, aber es war allemal eine willkommene Abwechslung. Und sie war ja nicht gezwungen NUR Fotos der Mannschaft zu schießen, die Präfektur Chiba war in seiner Landschaft eine Erkundung wert und es gab bestimmt auch genug zu sehen. Irgendwie freute sie sich sogar etwas auf die drei Wochen. Langsam vor sich hin schlendernd und mit einem leichten Lächeln im Gesicht folgte sie ihren Gedanken weiter, doch sie wurde jäh unterbrochen.
»Kagami-chan«, rief ihr eine vertraute Stimme nach und schwer seufzend blieb die Großgewachsene Schülerin stehen.
Als die Rosahaarige leicht schnaufend neben ihr zum Stehen kam, belohnte diese die Größere mit einem breiten Lächeln.
»Danke, dass du gewartet hast«, sagte Momoi und atmete noch einmal tief durch.
»Du bist schwer zu ignorieren, wenn du so brüllst«, sagte Kagami nüchtern. »Und ich hab ein Herz für Leute die kürzere Beine haben als ich.«
»Nett«, sagte die Rosahaarige trocken.
»Also, was ist?«, fragte nun Kagami und setzte sich wieder in Bewegung.
»Hm??«, machte Momoi überrascht. »Ach so. Nein es ist nichts.«
»Und warum h ...«
»Ich wollte einfach mit dir gemeinsam nach Hause laufen.«
Fragend sah die Rothaarige auf die Kleinere hinab.
»Ich hab die letzten Tage gesehen, dass du in die gleiche Richtung gehst und so wie es aussah, auch nur wenige Straßen weiter wohnst.«
Stalkerin?!, schoss es Kagami durch den Kopf, doch sie musste dennoch lächeln. Es war eine nette Geste von ihrer Klassenkameradin sie zu begleiten.
»Naja, du läufst immer alleine, und da dachte ich, ich könnte dir Gesellschaft leisten.«
Und zu Momois Überraschung schenkte ihr die Größere, das erste Mal, ein ehrlich gemeintes, freundliches Lächeln.
Unwillkürlich schlich sich ein leichter Rotschimmer auf die Wangen der Managerin und verlegen sah sie auf den Boden.
Kagami merkte sofort das seltsame Verhalten ihrer Banknachbarin und fragte nach.
»Was ist denn plötzlich?«
»Nichts, es ist nur ...«, zaghaft sah sie wieder auf und Kagami ins Gesicht. »Naja, wenn du nicht gerade so grimmig und finster drein schaust, bist du eigentlich ganz hübsch.«
Da schoss der Fotografin augenblicklich die Röte so heftig ins Gesicht, als hätte sie einen Schlag abbekommen. Schnell wandte sie sich leicht ab und versuchte ihre Verlegenheit zu kaschieren.
»Hör auf so einen Unsinn zu reden. Ich entspreche nun wirklich nicht dem Typischen Mädchenbild«, sagte sie und murrte nun leise vor sich her.
Da musterte Momoi sie das erste Mal ausführlicher und ging rückwärtslaufend vor der Größeren her. Ihre eindringliche und prüfende Miene bohrte sich direkt in Kagamis Kopf und ihr Gesicht nahm noch einen Rotton mehr an.
»Würdest du das bitte lassen? Das ist mir unangenehm, wenn du mich so anstarrst«, sagte die Rothaarige und beschleunigte ihren Schritt, damit Momoi gezwungen war wieder neben ihr herzugehen.
»Naja gut. Abgesehen davon, dass du so groß bist wie einige Jungs aus der Mannschaft und auch ziemlich maskulin wirkst. Bist du erstaunlich gut gebaut.«
»Wie bitte? In welchem Sinne?«, nun war Kagami aber neugierig auf die Antwort.
»Mir ist im Sportunterricht aufgefallen, dass du ziemlich sportlich bist. Aber du hast eine leichte Fehlstellung deiner linken Kniescheibe.«
Verblüfft sah die Größere ihre Klassenkameradin an.
»Du hast Recht. Wie hast du das bemerkt?«
»Ich hab mitbekommen, dass du manchmal das Bein leicht nachziehst und nach längeren Strecken und größeren Belastungen, dein Knie massierst«, sie zuckte beiläufig mit den Schultern. »Du versucht, vermutlich eher unbewusst, dein Bein nicht zu belasten. Außerdem fällt dir das Treppensteigen sichtlich schwer.«
Bei dem Wort Treppe verfinsterte Kagamis Miene sich schlagartig.
»Das hat dir der Teufel gesagt.«
»Was?! Nein, ich bin nur eine gute Beobachterin, immerhin sehe ich jeden Tag irgendwelche Sportverletzungen«, sagte Momoi schnell und fuchtelte abwehrend mit den Händen herum. »Aber sag mal, war das ein Sportunfall?«
»Nein, eine kleine Unachtsamkeit.«
Ihre Banknachbarin war erstaunlich hartnäckig und neugierig, dass gefiel ihr gar nicht. Doch die Größere wusste abzulenken.
»Sag mal. Momoi-chan«, begann sie und hatte die volle Aufmerksamkeit der Rosahaarigen. »Wie bist du auf die Idee gekommen, mich auf Shirahama anzusetzen?«
Überrascht darüber das Kagami so spät frug, zuckte sie die Schultern.
»Sie ist einfach gestrickt. Ich habe lediglich aus ihrem Charakter und den Dingen die ich wusste, ob selbst erlebt oder gehört, geschlussfolgert, dass sie nicht davor zurückschreckt nachzuhelfen. Also dachte ich mir, dass sie in irgendeiner Weise das Spiel manipulieren würde. Erst vermutete ich, dass sie einfach jemanden anheuert, der Wakamatsu-kun reizt, damit sie ihn wieder ins schlechte Licht rücken konnte. Oder, dass jemand eine Prügelei mit ihm anfängt. Irgendetwas, derartiges, weil sie sich so an Wakamatsu-kun festgebissen hatte.«
Kagami nickte verstehend.
»Aber das sie so hinterhältig ist und nicht direkt Einfluss auf das Spiel nimmt, sondern ihn quasi von der Schule mobben wollte, damit habe selbst ich nicht gerechnet. Du weißt wie das gehandhabt wird, wenn Schüler mit Zigaretten erwischt werden?«
Da nickte die Rothaarige erneut, Schülern war das Rauchen und Alkohol strickt verboten. Dabei erwischt zu werden, zog schwere Strafen nach sich.
Momoi seufzte erleichtert.
»Ich bin echt froh dich auf sie angesetzt zu haben. Du hast unserem Center den Hintern gerettet. Ich denke, das vergisst er nicht so schnell«, und zwinkerte ihr zu.
Momoi hat das eiskalt berechnet und ist einfach davon ausgegangen, dass Shirahama irgendeine Dummheit anstellen würde. Da hat sie aber weit voraus gedacht, dachte Kagami bewundernd, Und damit voll ins Schwarze getroffen.
»Kagami-chan?«
»Hmm?«
Momois musternder Blick huschte erneut über die maskuline Schülerin.
»Lass uns über deine Haare sprechen«, sagte die Rosahaarige todernst und aus heiterem Himmel.
Und prompt zog wieder ein Rotschimmer über die Wangen Kagamis.
»Was ist mit meinen Haaren?«, fragte diese beschämt und fuhr sich unwillkürlich durch die wildabstehende Mähne.
»Genau DAS, Strubbelkopf.«


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